SZ + Bob-WM 2021
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Oberbärenburg gegen den Rest der Welt

Ein kleiner Verein im Erzgebirge hat sich zu Deutschlands Zentrum der Bobsportler entwickelt. Dahinter steckt viel Fleiß - und ein ausgeklügelter Plan.

Von Tino Meyer
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Deutschlands Beste haben bei der WM in Altenberg wirklich Heimvorteil. Skeletoni Axel Jungk sowie die Bobpiloten Stephanie Schneider, Francesco Friedrich und Nico Walther starten für den BSC Sachsen Oberbärenburg.
Deutschlands Beste haben bei der WM in Altenberg wirklich Heimvorteil. Skeletoni Axel Jungk sowie die Bobpiloten Stephanie Schneider, Francesco Friedrich und Nico Walther starten für den BSC Sachsen Oberbärenburg. © Matthias Rietschel

Für die hohen Ansprüche, die Deutschlands Bobfahrer seit jeher begleiten, ist die Bilanz ausbaufähig. Die Plätze eins, fünf und sieben haben die drei Männer-Teams im Zweier-Rennen beim Weltcup am vergangenen Wochenende im französischen La Plagne belegt. Und trotzdem war das ein echtes historisches Meisterstück – aus sächsischer Sicht.

Mit Superlativen muss man gerade im Sport vorsichtig sein. Doch das alle drei Piloten der Nationalmannschaft aus einem Verein kommen, hat es hierzulande noch nie gegeben. Francesco Friedrich, der den Weltcup gewann, Richard Oelsner bei seinem Debüt als Fünfter und der nach seiner Verletzungspause ins Team zurückgekehrte Nico Walther starten alle für den BSC Sachsen Oberbärenburg. Man könnte fast von einer Vereinsmeisterschaft mit internationaler Beteiligung sprechen.

Das, findet Rainer M. Jacobus, geht zu weit. Doch stolz ist der Präsident des kleinen Vereins aus dem Osterzgebirge aber allemal. Das ist im Gespräch mit dem 56-Jährigen deutlich herauszuhören. „Das ist eine einmalige, eine absolut herausragende Sache. Und es sind ja nicht nur die Männer, zu denen auch Friedrichs Anschieber Martin Grothkopp und Candy Bauer gehören. Auch bei den Frauen haben wir mit Stephanie Schneider eine, die in der Weltspitze mitmischt. Dazu im Skeleton mit Axel Jungk den derzeit Drittplatzierten im Gesamtweltcup“, sagt Jacobus.

WM in Altenberg - viel besser geht es nicht

Er freut sich schon auf das bevorstehende Wochenende, wenn in Innsbruck das nächste Duell der Oberbärenburger gegen den Rest der Welt stattfindet – am allermeisten aber auf die Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaft, die in fünf Wochen in Altenberg beginnt. Für Oberbärenburger ist das um die Ecke. 

Keine drei Kilometer sind es von dem Altenberger Ortsteil bis an die Bahn. Viel mehr Heim-WM geht nicht. „Weltmeisterschaften sind hier sowieso immer etwas Besonderes. Ein Sieg auf unserer Bahn ist ungefähr so wie ein Erfolg für Skiabfahrer auf der Streif in Kitzbühel oder für Tennisspieler in Wimbledon“, sagt Jacobus, und er erklärt, warum Altenberg neben St. Moritz mittlerweile als das Mekka im Bobsport gilt. „Tolle Stimmung, viele Zuschauer, und die Bahn ist eine der mit Abstand anspruchsvollsten weltweit.“

Jacobus weiß genau, wovon er spricht. Als Hobby-Anschieber ist er den Eiskanal so oft heruntergefahren, dass er irgendwann mit dem Zählen aufgehört hat. Und mit Harald Czudaj, dem Vierer-Olympiasieger von 1994, hat sich Jacobus nun auch als Spurbob für die WM angemeldet. Seine Prognose für den Saisonhöhepunkt, bei dem der BSC Sachsen Oberbärenburg bis auf die Skeleton-Frauen in vier von fünf Entscheidungen vertreten ist: „Allen unseren Athleten traue ich eine Medaille zu. Da gibt es keine zwei Meinungen.“

Mehr als nur Funktionär: Rainer M. Jacobus (links) fährt auch selbst, hier als Anschieber mit  dem früheren Europameister Matthias Benesch.
Mehr als nur Funktionär: Rainer M. Jacobus (links) fährt auch selbst, hier als Anschieber mit  dem früheren Europameister Matthias Benesch. © privat

Bleibt vorerst nur die Frage, wie es das kleine Oberbärenburg schafft, so groß rauszukommen. „Erfolg ist immer 90 Prozent Fleiß“, antwortet Jacobus, viele Jahre auch Vizepräsident im deutschen Verband. Das Nachwuchsprogramm, das vor zehn, zwölf Jahren initiiert wurde und mit Europacupsieger Maximilian Illmann sowie Czudaj-Sohn Alexander (derzeit bei den Olympischen Jugendspielen in Lausanne) bereits die nächsten hoffnungsvollen Pilot-Talente hervorgebracht hat, ist dafür ein Beispiel. Zudem nennt Jacobus die Trainer René Thierfelder und Andreas Zschocke sowie Gerd Leopold, seit 2016 stellvertretender Bundestrainer. „Sie arbeiten Hand in Hand, ein riesiger Erfolgsfaktor“, betont Jacobus und verweist schließlich auf den Sommer 2015, als der SC Oberbärenburg und der BRC Riesa beschlossen, ihre leistungssportlichen Aktivitäten in den olympischen Sportarten Bob und Skeleton zusammenzulegen.

Synergien nutzen – das ist das Ziel, und es funktioniert weit über den Weltcup hinaus. Gäste-Bobfahrten in Altenberg sichert der SC Oberbärenburg, und er bildet die jüngsten Talente aus. Die Anschubstrecke fürs Sommertraining wird indes weiter in Riesa genutzt. Und alle Beteiligten wissen: Die Erfolge des BSC Sachsen Oberbärenburg sichern nicht zuletzt den Fortbestand der Altenberger Bahn – und inzwischen auch die Bilanz des Nationalteams.

Mehr zur Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaft 2020 in Altenberg gibt es hier in unserer Themenwelt.