Update Bob-WM 2021
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Vier Stürze überschatten WM-Auftakt

Warum Altenberg zu den anspruchsvollsten Bahnen der Welt gehört, wird gleich am ersten Tag deutlich. Betroffen ist auch die deutsche Meisterin.

Von Tino Meyer
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Der italienische Bob von Tania Vicenzino und Lucrezia Tavella war der erste, der stürzte. Es folgten drei weitere.
Der italienische Bob von Tania Vicenzino und Lucrezia Tavella war der erste, der stürzte. Es folgten drei weitere. © dpa/Robert Michael

Mythos Altenberg. Klingt irgendwie gewöhnungsbedürftig. Natürlich wird der Eiskanal im Osterzgebirge immer ganz weit vorne genannt, wenn von den schwierigsten Bahnen der Welt die Rede ist. 15 Prozent Gefälle sind das eine, zudem müssen auf den 1,4 Kilometern bergab Spitzengeschwindigkeiten von 140 km/h bewältigt werden. 

Stürze provozieren jedoch die komplizierten Kurvenkombinationen, und dabei insbesondere die Ausfahrt aus Kurve 9 sowie aus dem Kreisel und schließlich die Kurven 13 und 14. „Das sind die Stellen“, sagt Olympiasiegerin Mariama Jamanka, „an denen Rennen hier gewonnen oder verloren werden.“

Die Bobs kippen erst um und überschlagen sich dann

Und der WM-Auftakt zeigt: Das sind auch die Stellen, an denen die gefürchteten Stürze passieren. Am Freitag sind es gleich vier, jeder für sich dramatisch anzusehen und mit heftigen Konsequenzen. Betroffen ist auch Laura Nolte, die im November hier in Altenberg deutsche Meisterin wurde. Im zweiten Lauf kippt sie mit ihrer Anschieberin Ann-Christin Strack nach der Ausfahrt aus dem Kreisel um, der Bob kracht links und rechts an die Banden, überschlägt sich kurz und rutscht auf der Seite die Bahn hinunter.

Die Notfallkette funktioniert. Schon kurz nach dem Sturz ist der Krankenwagen an der Bahn.
Die Notfallkette funktioniert. Schon kurz nach dem Sturz ist der Krankenwagen an der Bahn. © dpa/Robert Michael

An exakt der gleichen Stelle ist das zuvor der Italienerin Giada Andreutti mit Anschieberin Silvia Taini passiert, beide werden nach dem Sturz aus dem Schlitten geschleudert. Schon nicht mehr dabei sind in diesem zweiten Lauf der rumänische Bob von Andreea Grecu/Ioana Gheorghe sowie das italienische Duo Tania Vicenzino/Lucrezia Tavella. Auch ihre Schlitten kippen um - und überschlagen sich zudem. 

Es sind die Augenblicke in der Rennsportart Bob, in denen nicht nur allen Beteiligten der Atem stockt. Auch die australische Pilotin Breeana Walker hat sichtlich Schwierigkeiten, kann den Sturz gerade noch vermeiden.

Noch im Laufe des Nachmittags gibt es zumindest Entwarnung: Alle Sportlerinnen sind nach ersten Untersuchungen nicht schwerer verletzt. Das deutsche Duo Nolte/Strack plant sogar, am Samstag beim dritten und vierten Lauf wieder an den Start zu gehen. 

Doch Bundestrainer René Spies, der im Vorfeld bereits betonte, dass es in Altenberg, "schnell zu Ende sein kann", entscheidet anders. Er nimmt die jungen Frauen, die schon im Training gestürzt sind, aus dem Rennen. Physisch seien sie in Ordnung, sagt er. Psychisch sehe das anders aus.

Die italienische Pilotin Tania Vicenzino wird nach dem Sturz von Sanitätern versorgt. Inzwischen gibt es Entwarnung.
Die italienische Pilotin Tania Vicenzino wird nach dem Sturz von Sanitätern versorgt. Inzwischen gibt es Entwarnung. © dpa/Robert Michael

Als "sehr ereignisreich" fasst der deutsche Verbandschef Thomas Schwab den ersten WM-Tag zusammen - und erinnert an den Mythos Altenberg. "Man sieht, wie schwer diese Bahn zu fahren ist, selbst für unsere erfahrene Athletinnen. Gott sei dank sind alle wohlauf", sagt Schwab.

Dass die Bahn zu bewältigen ist, beweist die Junioren-Weltmeisterin Kim Kalicki. Die 22-jährige Wiesbadenerin, angeschoben von Kira Lipperheide, liegt nach zwei von vier WM-Läufen auf einem unerwarteten zweiten Platz - und nur 0,21 Sekunden hinter der Top-Favoritin Kaillie Humphries aus den USA. An eine Medaille mag Kalicki aber noch nicht denken. "Hier kann in jedem Lauf etwas passieren, das hat man wieder gesehen. Warten wir also erst mal ab", meint Kalicki, die zumindest schon einen kleinen Vorsprung auf die deutschen Top-Pilotinnen herausgefahren hat. 

Die Junioren-Weltmeisterin lobt den Bahn-Zustand

Die Oberbärenburgerin Stephanie Schneider liegt als Dritte 0,33 Sekunden hinter Kalicki, Olympiasiegerin Mariama Jamanka hat auf Platz vier 0,43 Sekunden Rückstand auf die Junioren-Weltmeisterin. Das aufzuholen wird schwer, denn Kalicki scheint beides im Griff zu haben: Nerven und Eiskanal. "Die Bahn steht top, besser kann es eigentlich nicht sein", sagt sie, was vor allem für sie, nicht gegen die gestürzten Konkurrentinnen spricht. Stichwort Mythos Altenberg.

Sie haben die Bahn im Griff: die Junioren-Weltmeisterinnen Kim Kalicki und Kira Lipperheide.
Sie haben die Bahn im Griff: die Junioren-Weltmeisterinnen Kim Kalicki und Kira Lipperheide. © dpa/Robert Michael

„War schon abzusehen in der Trainingswoche“, sagt indes die frühere Welt- und Europameisterin Anja Schneiderheinze, die ihre Karriere vor vier Jahren beendet hat und jetzt bei der WM-Tage für die Bundespolizei in Altenberg ist. „Und jetzt stellt euch vor, es wäre noch schnell“, fügt sie in ihrer Kurzanalyse mit Verweis auf die vergleichsweise warmen äußeren Bedingungen hinzu. 

Für die Männer ist Zweierbob wie Spielzeug

Die Männer, die am Wochenende unterwegs sind, würde diese meistern können, so Schneiderheinze. Für die ist Altenberg tatsächlich kein Problem, jedenfalls im Zweier, bestätigt wiederum Nico Walther. „Der Zweier ist wie Spielzeug spielen, mit dem Viererbob lässt sich das überhaupt nicht vergleichen. Wenn man da die Schlüsselstellen nicht trifft, kann es ganz schön eng werden“, sagt Walther.

Er weiß genau, wovon er spricht. Obwohl er als fahrerisch bester deutscher Pilot gilt, noch dazu in Altenberg aufgewachsen ist und schon als Sechsjähriger die Bahn hinunterrodelte, stürzt auch er hier – vergangenen Oktober beim Vierer-Training. Und auch der Pirnaer Francesco Friedrich, der Dominator und Topfavorit, merkt an, erst einmal vier gute Läufe auf seiner Heimbahn ins Ziel bringen zu müssen.

„Man hat gesehen, dass auch die Favoritinnen an ihre Grenzen gekommen sind. Damit geht es jetzt erst einmal darum, eine sichere Fahrspur zu kriegen“, sagt Bundestrainer  Spies.

Die Männer starten am Samstag um 11.30 Uhr mit dem ersten WM-Lauf im Zweierbob, bei den Frauen fällt am Samstagnachmittag dann die Entscheidung. Der dritte Lauf beginnt 15.30 Uhr, der vierte Lauf um 17 Uhr.

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