Am 1. April sind in Sachsen fast alle Corona-Regeln weggefallen. Die Krankheit hat ihren Schrecken nicht verloren, denn bis zu 40 Prozent sind noch Monate nach ihrer Infektion nicht richtig gesund. Ein Beispiel aus Radeberg.
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Stephanie Wesely
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Radeberg. Bögen, Linien, Buchstaben – Antje Pouva bereitet es immer noch Mühe, sich auf das Schreiben zu konzentrieren. Nach elf Monaten Post-Covid und vier Monaten Ergotherapie kann sie endlich wieder den Stift richtig halten und Worte zu Papier bringen – wenn auch längst nicht so flüssig wie vor ihrer Corona-Erkrankung. "Ich wusste nicht mehr, wie bestimmte Buchstaben geschrieben werden, und es fiel mir schwer, bei meinen Übungen in der Zeile zu bleiben – wie ein Erstklässler. Die Hand machte einfach nicht das, was der Kopf ihr befohlen hat", sagt die 28-jährige Mutter aus Radeberg.
Die Konzentrations- und Merkschwäche bereitet ihr auch heute noch die meisten Probleme, denn vor der Infektion konnte sie sich bei ihrer Arbeit im Außendienst immer auf ihren Geist verlassen. Doch ganz langsam kommen die früheren Fähigkeiten wieder zurück, sie hat gekämpft, obwohl sie manchmal nicht mehr an einen Fortschritt geglaubt hat. Damit steht sie nicht allein, wie Michael Schäfer bestätigt.
Er ist Koordinator einer Online-Selbsthilfegruppe für Post-Covid-Patienten. "Fast alle unsere Mitglieder leiden noch Monate nach ihrer Genesung von der Corona-Infektion an Konzentrations- und Merkstörungen, an Problemen mit der Auge-Hand-Koordination und an Fatigue, einer chronischen Erschöpfung", sagt er. "Die Mitglieder motivieren sich gegenseitig und hören einander zu. Das gibt ihnen dann immer wieder Kraft, um weiterzumachen."
Die Suche nach den Ursachen
Dass Corona längst nicht nur die Atemwege betrifft, ist bekannt. Nicht aber, wie vielschichtig die Langzeitfolgen sein können. Long-Covid werden laut Weltgesundheitsorganisation Symptome genannt, die mehr als vier Wochen nach einer Corona-Erkrankung fortbestehen. Von Post-Covid wird ab drei Monaten gesprochen.
Medizinische Fachgesellschaften haben im Oktober 2021 in einer Leitlinie zur Post-Covid-Behandlung etwa 200 verschiedene Langzeitfolgen zusammengetragen – vom Haarausfall bis zu Herzrhythmusstörungen. Die Familie von Antje Pouva hat einige davon kennenlernen müssen: Sieben Personen – von Kleinkind bis zum Greis – erkrankten im März 2021 an Corona. Keiner von ihnen schwer.
Doch alle hatten Monate danach noch mit den Folgen zu kämpfen. "Meine Tochter Karoline hatte Schmerzen, sagte immer ,weh-weh‘. Sie war mindestens fünf Monate lang noch kraftlos und immer wieder abgeschlagen und müde", sagt Antje Pouva. Die sonst so lebhafte Zweijährige habe oft still in der Sofaecke gesessen, vor sich hingestarrt und auch auf Ansprache kaum reagiert.
Ärzte nennen das "Gehirnnebel". Antje Pouvas Eltern plagten schwere Muskel- und Kopfschmerzen, die Großmutter Magen-Darm-Beschwerden, die sogar stationär untersucht und behandelt werden mussten. Ihr Bruder hatte wochenlang einen tief sitzenden, bellenden Husten. Antje Pouva machten zu Beginn vor allem Herz- und Atembeschwerden zu schaffen.
"Schon beim Sprechen fehlte mir die Luft. Ein zusammenhängender Satz am Telefon war damals kaum möglich." Vor Schwäche konnte sie den Weg zur Toilette an manchen Tagen nur auf allen vieren zurücklegen, wie sie sagt. Hinzu kommt bei einigen Familienmitgliedern ein bläschenartiger Hautausschlag, der mal mehr, mal weniger stark ausbricht. Aber warum schädigt das Coronavirus die Gesundheit so nachhaltig?
"Wissenschaftler vermuten sogenannte Auto-Antikörper. Die Infektion hat das Immunsystem aktiviert, was sich aber nun nicht mehr abstellen lässt", sagt Dr. Kristin Tausche, die die Post-Covid-Sprechstunde am Uniklinikum Dresden leitet. Die Auto-Antikörper griffen Oberflächen im Körper an, die dem Virus ähneln – auch kleinste Gefäße in den Organen, was ihr zufolge die große Vielfalt der Symptome erklärt.
Dauerhafte Entzündungen, Durchblutungsstörungen und damit eine mangelnde Sauerstoff- und Nährstoffversorgung könnten die Folgen sein. Einen anderen Ansatz nennt Dr. Paul Baum, Kardiologe an der Post-Covid-Ambulanz des Uniklinikums Leipzig. Ihm zufolge gebe es die wissenschaftliche Theorie, dass sich die Coronaviren nach der akuten Erkrankung in bestimmte Organe oder Strukturen zurückziehen und irgendwann wieder aktiv werden.
Ein ähnliches Verhalten kennt man von Herpesviren, die Jahrzehnte nach einer Windpockenerkrankung im Körper schlummern. "Möglicherweise gibt es auch nicht nur eine Ursache für die Symptome der Post-Covid-Patienten, sondern es ist ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren", so Baum.
Dass die Psyche bei vielen Patienten so stark in Mitleidenschaft gezogen ist, schiebt Dr. Stefan Windau auf die Schädigung verschiedener Gehirnareale durch das Virus. Stefan Windau ist Internist in Leipzig und leitet eine Corona-Schwerpunktpraxis. "Bekannt ist aber auch, dass nicht nur das Virus, sondern auch der Lockdown bestehende psychische Erkrankungen verstärkt hat", sagt er.
Den Fakt der Gehirnschädigung bestätigt eine neue Studie aus Oxford. Hier wurden Hirn-Scans von 785 Teilnehmern vor und nach ihrer Corona-Infektion verglichen. Die Wissenschaftler stellten fest, dass das Gehirn um etwa zwei Prozent schrumpfte, insbesondere die "Graue Substanz", die für das Erkennen und Erinnern zuständig ist. Außerdem fanden sie Gewebeschäden in den Hirnarealen, die mit dem Geruchssinn verbunden sind. Noch nicht erforscht ist jedoch, ob und wann sich die Veränderungen zurückbilden.
Da man die genauen Ursachen noch nicht kennt, lassen sich Long- und Post-Covid nur symptomatisch behandeln. Den medizinischen Fachgesellschaften zufolge leiden 15 Prozent der Corona-Infizierten an Langzeitfolgen. Die Universität Mainz spricht sogar von bis zu 40 Prozent.
Doch selbst wenn nur jeder zehnte Infizierte nicht wieder richtig gesund geworden ist, haben in Deutschland seit Pandemiebeginn noch mindestens 1,8 Millionen Menschen mit den Langzeitfolgen zu kämpfen, vor allem mit den psychischen, wie zahlreiche internationale Studien belegen. Die meisten von ihnen brauchen noch Behandlung. Post-Covid könnte zur neuen Volkskrankheit werden. Doch wo wird Erkrankten geholfen?
Auf die Hausärzte kommt derzeit die größte Verantwortung zu, denn spezielle Post-Covid-Ambulanzen sind rar – auch, weil die Finanzierungsmöglichkeiten nicht reichen, um kostendeckend zu arbeiten. "Wir haben Kapazitäten für acht Patienten pro Woche", sagt Dr. Paul Baum. In Sachsen hat allein das Uniklinikum Leipzig eine Post-Covid-Ambulanz. "Unsere Behandlung wird nicht gut honoriert.
Krankenkassen müssen dringend bessere Möglichkeiten dafür finden, denn der Bedarf ist riesig." Laut Baum warten Patienten rund ein halbes Jahr auf einen Termin. Das Uniklinikum Dresden bietet eine spezielle Sprechstunde an.
Für die Behandlung der psychischen Folgeschäden stehen im Freistaat das Sächsische Krankenhaus Altscherbitz, die Diakonie Klinik Zschadraß – beide im Landkreis Leipzig – sowie die psychosomatische Ambulanz am Uniklinikum Dresden zur Verfügung. Lange Wartezeiten auf einen Termin zeugen auch hier davon, dass diese Angebote nicht ausreichen.
Antje Pouva hatte Glück. Ihr Hausarzt überwies sie aufgrund der Herz- und Atemprobleme in die Post-Covid-Sprechstunde am Uniklinikum Dresden. Ihre Krankenkasse hatte sie darauf aufmerksam gemacht. "Die Überweisung ist Voraussetzung für die Behandlung bei uns.
Die Klinik schreibt die Patienten dann an und teilt ihnen den Behandlungstermin mit", sagt Dr. Kristin Tausche. Die Untersuchung von Herz und Lunge bei Antje Pouva zeigte keine krankhaften Veränderungen. "Post-Covid ist eine Ausschlussdiagnostik", so die Ärztin. Denn all die Beschwerden könnten auch andere Ursachen haben.
Um die Sauerstoffversorgung ihres Körpers wieder anzukurbeln, bekam Antje Pouva die Empfehlung, sich einer Herzsportgruppe anzuschließen und so oft wie möglich aktiv zu sein. "Das war eine Erleichterung für mich und hat mir Selbstvertrauen gegeben. Ich brauchte nun keine Angst mehr vor Belastung zu haben", sagt sie.
Die Suche nach Therapien
Spezielle Medikamente gegen Post-Covid gibt es noch nicht. "In einer Studie wurde bei Patienten in der Frühphase der Erkrankung eine Blutwäsche durchgeführt, um die Auto-Antikörper herauszufiltern", erklärt Kristin Tausche. Das Verfahren sei zwar erfolgreich, aber bei der Vielzahl der Patienten nicht routinemäßig einsetzbar. Gegen Schmerzen hätte sich auch eine Cannabisbehandlung als wirksam erwiesen.
Doch all das seien nur Versuche. "Wir Hausärzte stellen die Weichen, indem wir bei Bedarf an Spezialisten überweisen und die Patienten über Wochen und Monate bei der Bewältigung der Krankheit begleiten. Die Patienten müssen sich ernst genommen fühlen", sagt Stefan Windau. Da man den wenigsten die Erkrankung ansehe, hätten sie Probleme mit ihrem Umfeld, sie würden oft als Simulanten abgetan, was einem Heilungsfortschritt entgegensteht.
Das gilt auch für die Behandlung der kognitiven und psychischen Probleme, wie Stefanie Fehre, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie am Krankenhaus Altscherbitz, sagt. "Bis die Patienten zu uns kommen, haben sie meist eine lange Leidenszeit hinter sich. Oft liegt der Beginn der Erkrankung bereits zwölf Monate zurück."
Mithilfe spezieller Computerprogramme zur Hirnleistungsdiagnostik würden die Patienten zunächst untersucht. Diese Programme werden auch zur Behandlung von Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen eingesetzt, um die kognitive Leistungsfähigkeit auf lange Sicht zu steigern.
"Mit viel Training ist hier auch viel zu erreichen", sagt sie. Die Klinik könne Anstöße geben. Psycho- und Ergotherapie sowie ein großes Maß an Eigeninitiative müssten folgen.
Die Suche nach Prävention
Impfungen können das Risiko von Langzeitfolgen reduzieren. Das hat einem Nachrichtenmagazin zufolge jetzt die britische Gesundheitsbehörde nach einer Analyse von 15 Studien veröffentlicht. Wer einmal oder zweimal geimpft war, litt nach einer Infektion weniger an Post-Covid-Symptomen, zum Beispiel Schmerzen, Müdigkeit, Schwäche, Haarausfall, Schwindel, Kurzatmigkeit, Geruchsverlust oder Vernarbungen in der Lunge. Selbst eine Impfung nach der Erkrankung hätte zur Reduzierung von Post-Covid geführt.
Es wurden aber auch Fälle analysiert, in denen sich die Symptome nach der Impfung verschlechterten. Wäre Antje Pouva in die Studien involviert gewesen, hätte sie bestimmt zu dieser letzten Gruppe gehört. Nach der ersten Impfung, die sie nach ihrer Erkrankung bekam, ging es ihr besser.
Die zweite führte aber zum Zusammenbruch, von dem sie sich nur langsam wieder erholte. Die Boosterimpfung war dann wiederum kein Problem. Wann und wie oft im Zusammenhang mit einer Erkrankung Impfungen erfolgreich sind, wird weitere Forschungsarbeit erfordern.
Die Suche nach Zukunft
"Einmal Post-Covid, heißt nicht immer Post-Covid", sagt Stefan Windau. Denn die Zeit läuft hier für den Patienten. "Bei manchen nach Wochen, bei den meisten nach Monaten bilden sich gesundheitliche Probleme wieder zurück, auch ohne spezielle Therapie." Bestimmte Einschränkungen würden aber bleiben, das gehöre ebenso zur Wahrheit, so Windau. Das bestätigt auch die Psychiaterin Stefanie Fehre.
"Manche unserer Patienten sind nach zwei Monaten Behandlung wieder fit, andere nach einem Jahr noch nicht. Unsere Aufgabe ist es dann, ihnen Strategien aufzuzeigen, wie sie trotz ihrer Defizite gut durch den Alltag kommen." Post-Covid wird den Ärzten zufolge das Gesundheitssystem noch lange beschäftigen. Darauf müssten sich Kostenträger und Krankenkassen einstellen. Um die steigende Zahl an Post-Covid-Patienten versorgen zu können, müssten Therapie- und Reha-Angebote ausgebaut werden.
Auch Antje Pouva wird im Mai mit ihrer Tochter zur Reha fahren. Lange hat sie darauf gewartet. Mittlerweile kann sie wieder stundenweise arbeiten. Dass das allein ihrem starken Willen und ihrem Durchhaltevermögen geschuldet ist, will sie so nicht gelten lassen. Trotzdem trainiert sie täglich zu Hause auf ihrem Stepper und dem Trampolin. Für eine bessere Koordination hilft ihr Hula-Hoop – jeden Tag lässt sie den Reifen um ihre Taille kreisen.
Hinzu kommen Schreibübungen, Ergotherapie und regelmäßiges Joggen. "Ohne meine Familie und meinen Arbeitgeber wäre ich noch nicht so weit", sagt sie. So ermöglicht es ihr Arbeitgeber, dass sie einmal wöchentlich tagsüber in die Herzsportgruppe geht. Auch ihre Familie spornte sie immer wieder an, dass sie nicht auf der Couch liegen blieb.
"Sie motivierten mich, die Füße vor die Tür zu setzen und loszulaufen, auch wenn es anfangs nur wenige Meter waren." Um die Krankheit zu bewältigen, braucht es nicht nur eigene Kraft, sondern auch ein stabiles Umfeld und Gleichbetroffene, die sich gegenseitig bestärken und nach Niederlagen wieder aufbauen.
Stationäre Behandlungsangebote: In Deutschland haben sich 48 Krankenhäuser auf die Behandlung von Post-Covid-Patienten spezialisiert. In Sachsen sind es zwei Kliniken – die Unikliniken Dresden und Leipzig. Vollständiges Verzeichnis unter www.deutsches-krankenhaus-verzeichnis.de (in Suchmaske "Long Covid" eingeben).
Selbsthilfe: Eine bundesweite Liste von Selbsthilfegruppen für Corona-Patienten gibt es hier online
Reha-Kliniken: Die Median-Kliniken haben viele Rehaangebote für Post-Covid-Betroffene und auch eine bundesweite online-Selbsthilfegruppe
Leitlinie: Die Empfehlungen zur Long-Covid-Behandlung finden Sie hier online
Die Reha-Plätze reichen nicht
Jeder dritte Post-Covid-Patient braucht eine Reha, aber nur jeder 30. bekommt sie. Dabei gibt es gute Therapien, sagt Kardiologe Dr. Christoph Altmann aus der Median Klinik Bad Gottleuba.
Herr Dr. Altmann, wie lange warten Post-Covid-Patienten auf eine Reha?
Oft sehr lange. Derzeit wollen viele nach Heiligendamm an der Ostsee – eine Median Reha-Klinik für Atemwegserkrankungen, die sich auf Post-Covid spezialisiert hat. Da kann es durchaus einige Monate dauern, bis ein Platz frei ist. Dabei müssen gar nicht alle Patienten unbedingt in eine Lungenklinik. Post-Covid betrifft fast alle Organsysteme. Und hier haben einige spezialisierte Reha-Kliniken in Deutschland gute Behandlungsmöglichkeiten.
Wie erfährt man denn, welche Klinik am besten geeignet ist?
Das ist genau das Problem. Es gibt kein offizielles Verzeichnis für Post-Covid-Kliniken. Zudem ist die Vielfalt der Symptome dieser Erkrankung so groß, dass auch Kostenträger Probleme haben, die richtige Reha-Einrichtung zu finden. Die Berufsgenossenschaften haben hier einen beispielhaften Weg gefunden.
Was machen sie anders?
Die Berufsgenossenschaften (BG) haben mit ärztlicher Hilfe einen speziellen Post-Covid-Check entwickelt. Patienten werden zuerst in einer BG-Einrichtung gründlich untersucht und befragt, um die Krankheitszeichen herauszufiltern, die am dringendsten behandelt werden müssen. Unter Umständen wird das auch stationär gemacht. Bei allen anderen Reha-Patienten wird im Rahmen der ärztlichen Untersuchung erst im Aufnahmegespräch in der Reha-Klinik ermittelt, wo der größte Therapiebedarf liegt. Hier sind Reha-Einrichtungen von Vorteil, die verschiedene Fachrichtungen vereinen, weil man sich dort besser austauschen und abstimmen kann.
Es werden also nicht alle gesundheitlichen Probleme auf einmal behandelt?
Nein. Wir konzentrieren uns auf das Problem, was am schwerwiegendsten ist oder den Patienten am stärksten belastet. Bei manchen ist es die verringerte Lungenfunktion, sodass sie bei kleinsten Aktivitäten keine Luft mehr bekommen. Bei anderen sind es Herz-Kreislauf-Probleme und bei der weitaus größten Gruppe sind es neurologische Ausfälle, etwa Konzentrations- und Merkstörungen, Probleme mit dem Geruchs- und Geschmackssinn oder psychische Erkrankungen. Ziel ist es, dass die Patienten wieder in den Arbeitsprozess zurückkehren oder ihren Alltag wieder selbstständig meistern können. Analysen der BG zufolge dauern die Krankschreibungen wegen Post-Covid oft ein Jahr und länger. In 150.000 Fällen deutschlandweit ist Post-Covid bereits als Berufskrankheit anerkannt worden.
Welche Behandlungen haben sich bei Post-Covid bewährt?
Auch hier gibt es keine eindeutige Antwort. Wir haben uns zwar schon im März 2020 über Reha-Konzepte ausgetauscht, bis jetzt existiert aber noch kein Verzeichnis oder keine Leitlinie darüber, wie viel von welcher Therapie benötigt wird, um Fortschritte zu erzielen. Dazu braucht es auch Studien. So kann es sein, dass die Behandlungskonzepte von Klinik zu Klinik variieren. Das heißt aber nicht, dass die Patienten nicht erfolgreich behandelt werden. Erfahrene Reha-Anbieter haben bewährte Strategien, wie pulmologische, kardiologische oder psychisch-neurologische Erkrankungen behandelt werden können. Dazu setzen wir auch neue Therapien ein.
Welche sind das zum Beispiel?
Gemeinsam mit der Charité und unserer Partnerklinik in Flechtingen bieten wir Patienten mit verminderter Atemleistung im Rahmen einer Studie das sogenannte Höhentraining an. Fachlich korrekt heißt das Intermittierende Hypoxie-Hyperoxie-Therapie, kurz IHHT. Innerhalb von 45 Minuten Behandlungszeit wird in sechs oder sieben Zyklen abwechselnd die Sauerstoffzufuhr verknappt und erhöht. Damit steigt die Toleranz des Körpers gegen den Sauerstoffmangel beim Post-Covid-Syndrom, der als Ursache vieler Krankheitszeichen vermutet wird – nicht zuletzt bei Konzentrations- und Gedächtnisproblemen oder der chronischen Müdigkeit, Fatigue genannt. Zusätzlich gibt es spezielle Bewegungs- und Belastungsprogramme, die nach der Reha auch online weitergeführt werden können.
Wird die Qualität der Post-Covid-Reha von den Kostenträgern überprüft?
Dafür gibt es leider noch keine Parameter, aber wir wünschen uns das. Denn viele Therapieeinheiten bedeuten nicht gleichermaßen viel Erfolg – gerade bei Fatigue-Patienten. Hier schadet Überforderung sogar. Jeder Patient hat einen individuellen Therapiebedarf. Den gilt es zu ergründen. Das gelingt uns zum Beispiel, indem wir jeden Patienten bitten, seine Corona-Geschichte aufzuschreiben. Anhand der Belastungen, die er durchgemacht hat, lässt sich ermitteln, welche Therapien ihm helfen könnten. Eine Post-Covid-Reha dauert in der Regel fünf Wochen, das ist mehr als bei anderen Krankheiten.
Reichen die Reha-Angebote aus?
Nein. Etwa jeder 30. Long-Covid-Patient bekommt eine Reha, obwohl jeder dritte eine bräuchte, wie Studien ergaben. Um den Bedarf in Zukunft zu decken, braucht es zusätzliche stationäre und ambulante Angebote. Doch da sind einige Kostenträger noch zurückhaltend.