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Leipzigs Polizeichef: Corona-Einsätze überspannen die Kräfte

Die Polizeidirektion Leipzig wird seit einem Jahr von René Demmler geführt. Er sieht eine erhebliche Demo-Belastung für seine Beamten.

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René Demmler ist seit dem 1. Februar 2021 Präsident der Polizeidirektion Leipzig. Zuvor leitete er die Polizeidirektion Zwickau. Der 50-Jährige stammt aus dem Erzgebirge und ist Vater zweier Kinder.
René Demmler ist seit dem 1. Februar 2021 Präsident der Polizeidirektion Leipzig. Zuvor leitete er die Polizeidirektion Zwickau. Der 50-Jährige stammt aus dem Erzgebirge und ist Vater zweier Kinder. © dpa/Hendrik Schmidt

Leipzig. Seit gut einem Jahr leitet René Demmler (50) die Polizeidirektion Leipzig. Im Interview mit der Deutschen Presseagentur zieht er Bilanz und erklärt, warum der Titel "Demonstrationslandesmeister" für seine Beamten eine Bürde ist.

Haben Sie den Schritt von Zwickau nach Leipzig bereut?

Ein klares Nein. Ich fühle mich hier gut angekommen.

Sie haben mit Leipzig die größte der Polizeidirektionen übernommen. Gibt es Dinge, die Sie hier überrascht haben?

Antwort: Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten. So richtige Überraschungen - im Positiven wie im Negativen - hatte ich nicht. Eindrücke und Erwartungen, die ich vor meinem Dienstantritt nur aus der Außensicht hatte, haben sich aber bestätigt.

Was meinen Sie damit genau?

Leipzig ist eine weltoffene, wachsende, attraktive Stadt, mit einer Bürgerschaft, die stolz auf die Stadt ist und politisch engagiert. Aber es gibt eben auch die hohe Kriminalitätsbelastung. Außerdem sind wir Demonstrationslandesmeister. Und es gibt auch einen besonderen Fokus der Medien auf die Polizei.

Wie fällt ihre Bilanz nach einem Jahr aus?

Was mir nach einem Jahr immer noch gefällt: Ich bin hier von den Kollegen gut aufgenommen worden. Ich bin überzeugt, dass hier eine gute Polizeiarbeit gemacht wird. Was ich auch als sehr positiv empfinde, ist die Zusammenarbeit mit der Stadt Leipzig, mit den beiden Landkreisen und mit der weiteren kommunalen Ebene.

Eines des Projekte, das Stadt und Polizei gemeinsam angestrebt hatten, war Sachsens erste Waffenverbotszone. Diese ist nun praktisch wieder abgeschafft. Wie sehen Sie das als Polizeipräsident?

Die Evaluierung hat gezeigt, dass das Geschehen im Bereich der Eisenbahnstraße in erster Linie kein vollzugspolizeiliches Problem mehr ist. Es ist eine Vielzahl von Akteuren gefordert. Es ist richtig, dass der Kommunale Präventionsrat der Stadt Leipzig jetzt einen Maßnahmenplan für das Gebiet entwickelt. Wir sind weiter mit dem Streifendienst, verstärkt mit Bürgerpolizisten und Verkehrspolizei unterwegs. Unsere Bürgerpolizisten können ein gutes Bindeglied zwischen Bürgern und Polizei sein. Nach wie vor besteht das Bestreben, gemeinsam mit der Stadt dort einen Standort für Polizei und Ordnungsbehörde zu installieren.

Aber die Eisenbahnstraße bleibt ein Kriminalitätsschwerpunkt?

Es ist objektiv ein Kriminalitätsschwerpunkt. Aber dafür ist eine Waffenverbotszone nicht das Allheilmittel.

Sie sagten, Leipzig sei Demonstrationslandesmeister. Bleiben Sie beim Blick auf linksradikale Aufzüge etwa in Connewitz bei Ihrer Einschätzung, dass man auch mit Stärke deeskalieren könne?

Antwort: Ich greife die Aussage auf, bitte aber um Differenzierung. Es geht nicht primär um den Raum Connewitz, sondern es geht um die Verhinderung von Unfriedlichkeit, Straftaten und Ordnungswidrigkeiten - unabhängig von der Örtlichkeit. Es hat sich im letzten Jahr gezeigt, dass ein konsequentes, starkes Vorgehen im Einzelfall erforderlich ist und dass es manchmal leider nötig ist, das Versammlungsrecht zu beschränken. Da gibt es dann die Kritik, dass wir Leipzig zur Festung gemacht hätten. Aber letztlich ist zu bilanzieren, dass die Maßnahmen erfolgreich waren, dass massive Ausschreitungen verhindert werden konnten.

Teilnehmer einer linken Demonstration Anfang Februar im Stadtteil Connewitz
Teilnehmer einer linken Demonstration Anfang Februar im Stadtteil Connewitz © dpa/Sebastian Willnow

Wie schätzen Sie die Lage derzeit in Connewitz ein?

Das ist schwierig zu sagen. Ich hoffe natürlich immer, dass sich Dinge beruhigen. Grundsätzlich gilt: Wir sind nicht die, die die Sache eskalieren wollen.

Was stellt Sie als Polizei bei den zahlreichen Demonstrationen der Corona-Maßnahmen-Gegner vor Probleme?

Seit Herbst vorigen Jahres haben wir die Situation, dass wir angesichts der Vielzahl der Proteste nicht mehr überall und gleichzeitig ausreichend präsent sein können. Dadurch sind wir gezwungen zu priorisieren.

Als Polizei fangen wir derzeit die gesellschaftlichen Probleme auf der Straße auf. Aber wir werden diese nicht durch polizeiliches Handeln gelöst bekommen. Wir schaffen maximal einen Zeitpuffer, damit Politik und Gesellschaft diese Probleme angehen können.

Polizeifahrzeuge stehen Ende Januar vor dem Gelände der Psychiatrie der Uniklinik Leipzig, nachdem eine Dutzend Corona-Demonstranten auf das Areal vorgedrungen waren.
Polizeifahrzeuge stehen Ende Januar vor dem Gelände der Psychiatrie der Uniklinik Leipzig, nachdem eine Dutzend Corona-Demonstranten auf das Areal vorgedrungen waren. © Franz Schurig/LausitzNews.de/dpa

Wie groß ist die Belastung der Polizei mit diesen Demos?

Es ist schwer, das zu quantifizieren. Aber wenn wir montags Einsatzgeschehen haben, haben wir bis zu 50 Aktionen im Bereich der Polizeidirektion. Das überspannt die Kräftesituation. Ich würde mir im Übrigen wünschen, dass sich die Politik mit mancher pauschalen Forderung zurückgehalten hätte. Wir sind dazu da, Vorschriften umzusetzen. Aber das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist nach wie vor Bestandteil unserer Rechtsordnung. Das scheint manchmal etwas aus dem Blick zu geraten.

Wie stark sind nach Beobachtung der Polizei Rechtsextreme bei den Corona-Protesten dabei?

Es ist zweifelsohne so, dass Rechtsextremisten durch uns immer wieder festgestellt werden.

Was wäre ihre Forderung, um die Polizei in Zukunft besser aufzustellen?

Gerade in der derzeitigen Situation sieht man, wie wichtig die Polizei ist. Darum sollte der festgestellte Personalmehrbedarf auch erfüllt werden. Eine Fachkommission hatte Ende 2019 landesweit einen Bedarf von gut 800 zusätzlichen Beamten festgestellt. Ich hoffe sehr, dass das auch so kommt. (dpa)