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Sachsen verschärft Versammlungsregeln

Tausende Menschen demonstrieren dicht an dicht ohne Maske. Diese Bilder von Leipzig sollen sich in Sachsen nicht wiederholen können.

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Tausende Teilnehmer der Demonstration der Stuttgarter Initiative ·Querdenken· stehen auf dem Augustusplatz.
Tausende Teilnehmer der Demonstration der Stuttgarter Initiative ·Querdenken· stehen auf dem Augustusplatz. © dpa-Zentralbild

Dresden/Leipzig. Die sächsische Landesregierung zieht erste Konsequenzen aus der aus dem Ruder gelaufenen "Querdenken"-Demo in Leipzig. Versammlungen sollen künftig auf 1.000 Teilnehmer begrenzt werden. Im Einzelfall sollen auch größere Kundgebungen möglich sein, wenn technische und organisatorische Maßnahmen getroffen werden, um das Infektionsrisiko zu senken, teilte Regierungssprecher Ralph Schreiber am Dienstag nach einer Sitzung des Kabinetts mit. Bisher sieht die sächsische Corona-Schutzverordnung keine Begrenzung bei Versammlungen vor.

Die Demonstrationen dürften auch weiterhin nur stationär stattfinden, Aufzüge seien verboten. Es bestehe Masken- und Abstandspflicht. Die sächsische Corona-Schutzverordnung sei entsprechend angepasst worden und trete am Freitag in Kraft.

Auch in anderen Bundesländern werden Verschärfungen diskutiert. Unterdessen gibt es weiter heftige Kritik an den vielen Tausend Teilnehmern der Demo in Leipzig, die mit voller Absicht gegen Hygieneregeln verstoßen haben.

Die chaotischen Vorgänge in Leipzig haben in Bund und Land eine heftige Debatte über Versammlungen in einer Pandemie ausgelöst. Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) forderte wiederholt feste Spielregeln. Es müsse geklärt werden, welchen Stellenwert die Versammlungsfreiheit gegenüber dem Grundrecht auf Unversehrtheit des Einzelnen einnehme.

Überwiegend friedlich

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kritisierte scharf die Gegner der staatlichen Corona-Politik, die in Leipzig unter weitgehender Missachtung aller Auflagen demonstriert haben. "Rücksichtslosigkeit ist kein Freiheitsrecht", sagte er am Dienstag in Berlin. "Wo einige Zehntausend Menschen die Auflagen missachten, die Regeln verspotten und weder auf Abstand achten noch Masken tragen, da werden Grenzen überschritten."

Am Samstag hatten sich in Leipzig mindestens 20.000 "Querdenker" versammelt. 90 Prozent der Teilnehmer trugen laut Polizei keine Masken, obwohl sie in Sachsen bei Versammlungen derzeit "verpflichtend" vorgeschrieben sind. Die Stadt Leipzig löste die Kundgebung auf. Danach erzwangen die Menschen einen Gang über den Leipziger Ring. Die Polizei hatte erst versucht, sie zu stoppen, ließ sie aber schließlich ziehen. An Polizeisperren gab es Rangeleien, es flog Pyrotechnik. Zudem wurden Journalisten attackiert.

Der sächsischen Sicherheitsbehörden stuften die "Querdenken"-Demonstration am Dienstag dennoch erneut als überwiegend friedlich ein. "Die Anzahl der gewaltbereiten Handlungen war in einer Anzahl, dass wie in der Gesamteinschätzung von einem friedlichen Verlauf ausgehen können", sagte Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar. Er bestätigte, dass sich Rechtsextremisten und Hooligans in die Demonstration gemischt hatten. Sie traten besonders in Erscheinung, als die Menschenmassen den nicht gestatteten Gang um den Ring erzwingen wollten. An den Sperren sei die Polizei "zu dieser Zeit unausreichend personell ausgestattet" gewesen, sagte der Landespolizeichef.

Vertrauenskrise in Kenia-Koalition

Die Ereignisse in Leipzig stellen auch die Regierungskoalition in Sachsen auf eine harte Bewährungsprobe. Grund ist die unterschiedliche Bewertung der Situation durch Grüne und SPD auf der einen Seite und Union auf der anderen Seite. Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) sprach am Dienstag von einer "großen Belastung" der Koalition. Es sei Aufgabe der nächsten Tage, dieses Vertrauen wieder herzustellen", sagte Wolfram Günther (Grüne), gleichfalls Stellvertreter von Regierungschef Michael Kretschmer (CDU).

Dulig und Günther machten geltend, dass sie die Demonstration schon im Vorfeld auf der Kabinettssitzung in der vergangenen Woche zur Sprache gebracht und gefordert hatten, dass man sich anders auf die Kundgebung vorbereiten muss. "Leider ist alles das eingetreten, was wir am Dienstag befürchtet haben", sagte Dulig. Die CDU sei jetzt gefordert. "Denn was ich nicht akzeptiere ist, dass es wie immer ist: In Sachsen macht man keine Fehler", sagte der SPD-Politiker.

Forderungen nach einem Rücktritt von Innenminister Roland Wöller (CDU) schlossen sich aber weder Dulig noch Günther an. Wöller selbst sagte, er wolle die Rücktrittsforderungen "nicht weiter kommentieren". Unter anderem hatten die Linken in Sachsen seine Entlassung gefordert. Der Innenminister bekräftigte, dass die Vorgänge um die Großdemo aufgearbeitet werden sollen. Am Donnerstag werden sich Innen- und Rechtsausschuss des Landtags in Dresden in einer Sondersitzung damit befassen.

Unterdessen warnte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius vor einer Radikalisierung von Corona-Leugnern. "Der Einfluss von Rechtsextremisten auf die Szene und die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen kann nicht wegdiskutiert werden, und er darf nicht unterschätzt werden", sagte der SPD-Politiker. Zwar seien nicht alle, die gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße gingen, Neonazis und Rechtsextremisten. Aber sie machten sich immer wieder, ob sie es wollten oder nicht, mit Rechtsextremisten gemein, die mit ihnen Seite an Seite demonstrierten. (dpa)