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Der Fall Idar-Oberstein: Was macht das mit uns?

Andreas Lob-Hüdepohl, Mitglied des Deutschen Ethikrates, im CoronaCast über den Fall Idar-Oberstein, die Reaktionen und den Umgang mit Corona-Regeln.

Von Fabian Deicke
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Thema im CoronaCast: Der Fall eines 20-jährigen Studenten, der von einem mutmaßlich Coronaregeln ablehnenden Mann erschossen wurde.
Thema im CoronaCast: Der Fall eines 20-jährigen Studenten, der von einem mutmaßlich Coronaregeln ablehnenden Mann erschossen wurde. © [M] Birgit Reichert/dpa/Sächsische.de

Dresden/Berlin. Das Mitglied des Deutschen Ethikrates Andreas Lob-Hüdepohl sieht in dem Fall des 20-jährigen Studenten, der in einer Tankstelle im rheinland-pfälzischen Idar-Oberstein erschossen wurde, "die Grenzen des zivilen Zusammenlebens weit überschritten". Im CoronaCast bei Sächsische.de bezeichnet Lob-Hüdepohl die Tat zudem als "kaltblütigen Mord", weil die bisher bekannten Informationen zum Ablauf darauf hindeuteten.

Nach Ansicht des Berliner Theologen sei eine Affekthandlung auszuschließen, weil der mutmaßliche Täter anderthalb Stunden nach seiner ersten Begegnung mit dem späteren Opfer bewusst und bewaffnet in die Tankstelle zurückgekehrt sei. "Wie der Mann selbst auch aussagt, habe er, um eine erneute Ansage des Studenten zu provozieren, seine Maske abgesetzt." Dies sei eine erschütternde Form der Kaltblütigkeit.

Deutschlandweit reagieren Menschen bestürzt auf den Fall und äußern ihr Mitgefühl. In verschwörungsideologischen Kreisen und auf "Querdenker"-Kanälen allerdings wird das Vorgehen des mutmaßlichen Täters zum Teil gewürdigt, das Opfer verhöhnt. "Wer einen Mord begrüßt, bereitet den Weg für neue Gewalt", sagte Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz.

Lob-Hüdepohl sieht das ähnlich, und ergänzt: "Was sich in den Sozialen Netzwerken an Beifall und Zustimmung Bahnen bricht, ist ein Angriff auf die Zivilität unserer Gesellschaft." Teile der Szene seien inzwischen so weit radikalisiert, dass sie mit dem eigentlichen Begriff des "Querdenkens" nur noch wenig gemein hätten. Diskussionen und verschiedene Ansichten seien Wesen einer Demokratie, aber: "Hier wird die Coronaskepsis als Vehikel genutzt, um sich an Grundsätzen des zwischenmenschlichen Zusammenlebens zu vergreifen."

Wieso es keine "Impfpflicht durch die Hintertür" gibt

Dass man über die in der Pandemie beschlossenen Maßnahmen streiten dürfe, sei selbstverständlich. Auch, dass man nicht alles schön finden müsse, was beschlossen werde. "Ich persönlich, und da kann ich auch für den Ethikrat sprechen, wir sind für die 3G-Regel", sagt Lob-Hüdepohl in Anspielung auf die in einigen Bundesländern inzwischen geltenden 2G-Modelle.

Der Theologe Andreas Lob-Hüdepohl lehrt an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin. Zudem gehört er dem Deutschen Ethikrat an. Dessen Mitglieder werden vom Präsidenten des Deutschen Bundestages ernannt.
Der Theologe Andreas Lob-Hüdepohl lehrt an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin. Zudem gehört er dem Deutschen Ethikrat an. Dessen Mitglieder werden vom Präsidenten des Deutschen Bundestages ernannt. © Deutscher Ethikrat/Reiner Zensen

Dass Ungeimpften teils der Zugang zu Angeboten verwehrt wird, wie auch in Sachsen mit einem 2G-Optionsmodell, sieht der Ethiker kritisch. Es gebe keine gesetzliche Impfpflicht, erklärt Lob-Hüdepohl. "Und deshalb muss es denen, die sich nicht impfen lassen wollen oder können, [...] möglich sein, sich zu allem Zugang zu verschaffen." Eine moralische Legitimität sieht der Ethiker in 2G jedoch erfüllt, wenn eine veränderte Sicherheitslage diese Maßnahme erfordert.

Von einer, wie von 2G-Kritikern gesehene "Impfpflicht durch die Hintertür", spricht Lob-Hüdepohl allerdings nicht. Auch nicht bei dem am Mittwoch von der Gesundheitsministerkonferenz beschlossenen Ende der Lohnfortzahlung für Ungeimpfte im Falle einer Quarantäne. Diese Regel soll ab 1. November gelten und könnte Betroffenen erhebliche Einkommensausfälle bescheren.

Der Druck auf Ungeimpfte wächst, wird im Zweifel dann auch finanziell spürbar. Dies sei aber keine versteckte Impflicht. "Sondern so ist die seit Jahrzehnten geltende Rechtslage." Das Argument von Impfgegner verfange nicht, weil das Infektionsschutzgesetz nicht erst seit Corona den pandemischen Ausnahmefall so regelt.

Das Podcast-Gespräch wurde über einen Videoanruf aufgezeichnet. Alle am Gespräch beteiligten Personen saßen ausreichend weit voneinander getrennt an verschiedenen Orten.

Hier sind ergänzende Links zu Themen, auf die in der Folge Bezug genommen wird:

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