SZ + Bautzen
Merken

Landkreis Bautzen: Testpflicht für alle kommt nicht

Der Kreis Bautzen wollte mit einem 1G-Modell die Corona-Ausbreitung bremsen und Kliniken entlasten. Warum daraus nichts wird und wie Ärzte das einschätzen.

Von David Berndt
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Der Landkreis Bautzen wollte mit einer Testpflicht für alle, einem sogenannten 1G-Modell, die Ausbreitung des Coronavirus eindämmen. Doch der Freistaat lehnt das ab.
Der Landkreis Bautzen wollte mit einer Testpflicht für alle, einem sogenannten 1G-Modell, die Ausbreitung des Coronavirus eindämmen. Doch der Freistaat lehnt das ab. © Symbolfoto: André Schulze

Bautzen. Der Freistaat lehnt das 1G-Modell, das der Landkreis Bautzen ab nächster Woche einführen wollte, ab. Die Fachkommission Modellprojekte hat am Freitagnachmittag den Antrag des Landkreises abgewiesen. Das bestätigt das zuständige sächsische Ministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK). Die Ablehnung sei einstimmig bei einer Einhaltung erfolgt, teilt SMWK-Sprecher Jörg Förster mit.

Zur Begründung heißt es, dass Modellprojekte nicht genehmigt werden können, „die nicht nur ein Abweichen von Beschränkungen nach der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung, sondern auch Abweichungen von bundesrechtlichen Regelungen zum Inhalt haben“. Letzteres sei hier der Fall, denn es „gibt derzeit keine Rechtsgrundlage zur allgemeinen Einführung einer Testpflicht auch für geimpfte und genesene Personen, da diese Personengruppen nach aktueller Rechtslage als negativ getestet gelten“.

Der Landkreis äußerte sich auf Nachfrage noch nicht zur Ablehnung des 1G-Modells. Was damit erreicht werden sollte und was Mediziner davon halten, fasst Sächsische.de hier noch einmal zusammen.

Was beinhaltet das vorgeschlagene 1G-Modell?

Im Zentrum steht eine allgemeine 1G-Pflicht, die negative Corona-Tests für alle Besucher von Innengastronomie oder Freizeitreinrichtungen zur Bedingung machen sollte, egal ob sie geimpft, genesen oder ungeimpft sind. Das Konzept stammt vom Gesundheitsamt unter Leitung von Vizelandrat Udo Witschas (CDU). Gelten sollte es nach dem Willen des Landratsamtes ab 15. November bis zum 31. Januar 2022. „Das Virus wartet nicht – daher ist schnelles Handeln das Gebot der Stunde“, sagte Udo Witschas.

Alle Anbieter und Nutzer von Einrichtungen und Angeboten wie Innengastronomie, Hallenbäder oder Freizeit- und Kultureinrichtungen sollten „zur Vorlage und Kontrolle von tagesaktuellen Testnachweisen“ verpflichtet werden. Das hätte auch Geimpfte und Genesene betroffen, heißt es in dem 1G-Modell. Tests sollten wieder kostenfrei sein.

Positiv auf das Coronavirus getestete Personen sollten nicht mehr routinemäßig kontaktiert werden. So sollte mehr Personal für Kontrollen freigelenkt werden, die nachhaltiger, anlassbezogen und stichprobenartig erfolgen sollten.

Außerdem hatte der Landkreis vorgeschlagen, die Impfkampagne auf Booster-Impfungen zu konzentrieren, da hier der Impfeffekt bereits nach sieben Tagen einsetze und „ein vollständiger Impfschutz von bisher Ungeimpften erst nach rund fünf bis sechs Wochen einsetzen würde“. Zudem sollten weitere ortsfeste Impfstellen in größerem Umfang in Kamenz, Bautzen und Hoyerswerda eingerichtet werden und vom Freistaat oder der Kassenärztlichen Vereinigung bezahlt werden.

Warum wollte der Landkreis Bautzen das 1G-Modell?

Vor allem gehe es darum „Infektionszahlen zu verringern und damit eine Überlastung der Kliniken zu verhindern“, hieß es in der Pressemitteilung am Mittwoch. Aktuell seien in den Kliniken im Landkreis Bautzen 85 Prozent der Corona-Patienten auf den Intensivstationen ungeimpft, auf den Normalstationen 63 Prozent. Der Anteil der Geimpften unter allen Neuinfektionen liege bei 15 bis 20 Prozent.

Das geltende 2G-Modell führe zu weniger Testmöglichkeiten. Feiern fänden zudem vermehrt privat statt, was „Umgehung jeglicher Testungen“ bedeute. Hinzu komme, dass auch „Geimpfte in signifikanter Weise Infektionen weitertragen und selbst erkranken“.

Was sagen Mediziner zum 1G-Modell?

Die Oberlausitz-Kliniken in Bautzen und Bischofswerda zeigten sich von dem Vorstoß überrascht. Dr. Frank Weder, Chefarzt der Medizinischen Klinik II und Ärztlicher Direktor, erklärt, man sehe das Modell „eher kritisch, da uns das Entgegenkommen gegenüber Ungeimpften perspektivisch nicht aus der Pandemie helfen wird“. Da man heute noch negativ und morgen schon positiv sein könne, „wären Unmengen an medizinisch korrekt durchgeführten Tests notwendig“, fügt der Mediziner hinzu und verweist auch auf die Kosten der Umsetzung dieser Strategie.

Im Vordergrund müsse medizinisch die (Booster-)Impfung stehen, da bei Geimpften das Übertragungs- und schwere Erkrankungsrisiko viel geringer sei. Vor allem gefährdete ältere Patienten sollten berücksichtigt werden, auch um die Überlastung der Krankenhäuser vermeiden zu helfen.

Bei MDR Sachsen erklärte Thomas Luther, das 1G-Modell sei nicht zielführend. Der Facharzt für Immunologie und Leiter des Medizinischen Labors in Bautzen argumentiert, dass die Laborkapazitäten bereits nahezu erschöpft seien und sich die Menschen bei einer Testpflicht für alle fragen würden, wozu sie sich dann noch impfen lassen sollen.

Die Hoyerswerdaer Ärztin Cornelia Unger brachte ihren Unmut am Mittwochabend auf Facebook zum Ausdruck und adressierte den Post an den Landkreis Bautzen. Zur Pandemiebekämpfung gehöre immer noch „die Erkennung und Isolierung von Infektionsfällen und die Unterbrechung von Infektionsketten. Das ist unser Job. Und das ist ihr Job. Unser gemeinsamer Job. Und wenn sich einer aus dieser Verantwortung ausklinkt, funktioniert das nicht mehr“, heißt es dort etwa.