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Wie sicher ist Urlaub im Hochinzidenzgebiet?

Ab heute müssen ungeimpfte Spanien-Rückkehrer in Quarantäne. Ein Virologe erklärt, wie Reisen sicher geht. Rechtlich ist die Lage aber kompliziert.

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Touristen halten sich am Strand von Arenal in Palma de Mallorca auf. Nun hat das RKI Spanien zum Hochrisikogebiet erklärt.
Touristen halten sich am Strand von Arenal in Palma de Mallorca auf. Nun hat das RKI Spanien zum Hochrisikogebiet erklärt. © dpa/Clara Margais

Die Einstufung Spaniens als Corona-Hochinzidenzgebiet einschließlich beliebter Urlaubsziele wie Mallorca, den Kanaren oder der Costa Brava hat viele Sachsen verunsichert. Denn ab jetzt müssen Urlaubsrückkehrer aus diesen Gebieten einen Nachweis über eine vollständige Impfung oder eine überstandene Corona-Erkrankung erbringen, um einer zehntägigen Quarantäne zu entgehen. Erst nach fünf Tagen besteht die Möglichkeit, sich aus der Quarantäne freizutesten. Dieselben Regeln gelten für die Niederlande und Georgien. Das gefällt nicht allen, die eine Reise in diese Gebiete gebucht haben.

Gibt es überhaupt ein Risiko, wenn ich voll geimpft bin?

„Pauschal lässt sich das Risiko nicht bewerten. Es komme auf die Art des Urlaubs an“, sagt Virologe Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Eine Impfung sei aber kein Persilschein, alle Schutzmaßnahmen bei einem extrem hohen Infektionsgeschehen über Bord zu werfen. Denn sie führe nicht zwangsläufig zu einer sterilen Immunität. „Das heißt, ich kann mich noch anstecken und das Virus weitergeben, wenn auch seltener als Ungeimpfte. Aber ich bin sehr gut vor schweren oder gar tödlichen Verläufen geschützt.“ Schmidt-Chanasit empfiehlt deshalb, sich rechtzeitig vor einer Reise impfen zu lassen. Kinder unter zwölf Jahren haben diese Möglichkeit derzeit allerdings nicht.

Ist das Risiko überhaupt größer, wo die Corona-Zahlen hier auch steigen?

„Es kommt darauf an, wie ich mich verhalte und wo ich mich aufhalte“, so Schmidt-Chanasit. „Wenn ich am Ballermann feiern gehe, ist es klar, dass ich ein höheres Risiko habe. Man sollte sich schon fragen: Kann ich nicht eine andere Art von Urlaub machen?“ Das heiße nicht, dass man nicht nach Spanien könne. „Nur Discos und Veranstaltungen mit Menschenmassen sollte ich möglichst vermeiden.“ Ab einer gewissen Inzidenz – zum Beispiel 800 oder gar 1000 – mache es dann schon einen Unterschied, wenn die Inzidenz in Deutschland etwa bei 50 liegt. „Das gilt auch für Alltagssituationen.“

Nach Ansicht des Experten gibt es Möglichkeiten, den Urlaub auch in einem Hochinzidenzgebiet relativ risikoarm zu verbringen. Beispiel: „Wenn man hier in Deutschland ins Auto steigt und nach Spanien zu einer Finca fährt, um dort zwei Wochen Urlaub zu verbringen, dann ist das eine ziemlich sichere Variante“, sagt Schmidt-Chanasit. Ins Nachbarland Niederlande fährt man ohnehin eher mit dem Auto. Kontakt zu anderen Menschen bestehe dann vielleicht noch im Supermarkt oder an der Tankstelle. „Dort kann ich mich durch die AHA-L Regeln schützen.“ Also Abstand halten, Hygienemaßnahmen einhalten, Maske tragen und – wenn möglich – in geschlossenen Räumen auf gute Durchlüftung achten. Wie in Deutschland auch.

Passagiere halten sich am Flughafen von Palma de Mallorca auf.
Passagiere halten sich am Flughafen von Palma de Mallorca auf. © dpa

Wie groß ist das Risiko, wenn ich in den Urlaub fliege?

Laut dem Experten für Reisemedizin ist das Risiko auch in diesem Fall nicht sehr groß. „Sonst hätten wir viel mehr durch Flugreisen verursachte Infektionen registriert“, sagt Schmidt-Chanasit. Innerhalb des Flugzeugs seien die Maßnahmen der Airlines im Regelfall gut. Und auch die Reinigung der Luft funktioniere.

Sein Fazit: „Urlaub ist wichtig, auch für den Erhalt der Gesundheit. Man sollte aber darauf achten, ihn so sicher wie möglich zu machen.“ Das gehe vor allem durch eine Impfung, aber auch, indem man Gedränge und geschlossene Räume mit vielen Menschen meide.

Der Experte ist der Meinung, dass gerade Jugendliche in der Pandemie auf viel verzichtet haben. „Ich bin der Letzte, der ihnen etwas vorschreiben will. Es geht einfach darum, die Risiken klar aufzuzeigen. Dazu gehört auch: Wenn ihr positiv getestet werde, kann das weitreichende Konsequenzen haben.“ Zum Beispiel eine mögliche Isolierung vor Ort, sodass der Rückflug nicht angetreten werden kann. „Das ist ein finanzielles Risiko, das muss man klar sagen“, so der Mediziner. Eine Möglichkeit der Absicherung kann eine spezielle Corona-Reiseversicherung sein, die auch im Fall einer Quarantäne am Urlaubsort die Kosten zahlt.

Wann darf ich eine Pauschalreise kostenlos stornieren?

Generell gilt: Die Reise muss durch sogenannte unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände erheblich beeinträchtigt sein. So sieht es das in Deutschland geltende Pauschalreiserecht vor. Wann dies der Fall ist, lässt sich aber nicht immer so genau sagen.

Eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gilt als starkes Indiz für außergewöhnliche Umstände. Vor der Pandemie bedeutete die Warnung der Bundesregierung de facto ein kostenloses Stornorecht.

Als aber lange Zeit jedes Corona-Risikogebiet eine Reisewarnung bekam, änderte sich das. Mittlerweile kommt es auch darauf an, ob die Reisewarnung schon zum Zeitpunkt der Buchung bestand. Dann ergibt sich nach Ansicht mancher Gerichte nicht unbedingt ein kostenloses Rücktrittsrecht. Denn das Risiko war von Anfang an bekannt. Dieser Auffassung schließt sich auch das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland (EVZ) an.

Was heißt das nun konkret für Spanien?

Die Reisewarnung ist ein Indiz für außergewöhnliche Umstände, aber auch andere Faktoren können eine Rolle spielen. Die vom Gesetz geforderten unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände müssen laut EVZ objektiv gegeben sein und auch noch zum Zeitpunkt der Reise bestehen. Entscheidend sei die Situation vor Ort.

Erster Faktor: Für Spanien wird nun formal erneut eine Reisewarnung ausgesprochen. Die Warnungen waren für einfache Risikogebiete aufgehoben worden, nicht aber für Hochinzidenzgebiete.

Zweiter Faktor: Ungeimpfte Urlauber müssen laut der geltenden Einreiseverordnung der Bundesregierung mindestens fünf Tage in Quarantäne, wenn sie aus einem Hochrisikogebiet heimkehren. Die notwendige zweite Impfung, um diesem Szenario zu entgehen, lässt sich in der Regel auch nicht einfach vorziehen. Und Kinder unter zwölf Jahren können sich ohnehin nicht impfen lassen. Nach Ansicht des EVZ dürfte dieser Punkt aber nicht in die Beurteilung einfließen, weil die Quarantäne erst zu Hause ansteht. Es gebe aber auch Juristen, die in einer unabwendbaren Quarantäne eine Störung der Geschäftsgrundlage nach Paragraf 313 BGB sehen. Hier bleibt abzuwarten, wie Gerichte das bewerten werden.

Dritter Faktor: Angesichts der hohen Fallzahlen in Spanien besteht ein höheres Corona-Infektionsrisiko als noch vor wenigen Wochen. Zudem führen die Behörden wieder strengere Maßnahmen ein.

„Das sind alles Faktoren, mit denen Urlauber bei der Buchung ihrer Spanien-Reise noch nicht rechnen mussten“, sagt der Reiserechtler Paul Degott. Sich als Reiseveranstalter auf die bekannte Gefahr durch Corona zu berufen, reicht seiner Ansicht nach nicht. „Pauschalurlauber haben eher gute Chancen, kostenlos von ihrer Reise zurücktreten zu können“, meint Degott.

Das EVZ sieht das ähnlich: „Reisende können aus unserer Sicht kurz bevorstehende Pauschalreisen in Länder, für die eine Reisewarnung ausgesprochen wird, grundsätzlich unter Berufung auf außergewöhnliche Umstände kostenlos stornieren.“ Kurz bevorstehend heißt hier: ungefähr ab vier Wochen vor Reiseantritt.

Anders beurteilt das die Reisewirtschaft: „Die Hochstufung eines Zielgebietes in ein Hochinzidenzgebiet begründet aus Sicht des Deutschen Reiseverbands nicht automatisch das Recht auf eine kostenlose Stornierung“, erklärt DRV-Sprecherin Kerstin Heinen und verweist auf das Ausstehen eines höchstrichterlichen Urteils. „Grundsätzlich bemühen sich die Reiseveranstalter, individuelle, kundengerechte Lösungen herbeizuführen“, ergänzt sie.

Was gilt für Individualtouristen?

Wer seinen Urlaub eigenständig gebucht hat, für den gilt das Pauschalreiserecht nicht. Solange der gebuchte Flug stattfindet, ergibt sich kein kostenloses Rücktrittsrecht. Reisende können hier lediglich vom gebührenfreien Umbuchen Gebrauch machen, das die meisten Fluggesellschaften anbieten. Wer als Unterkunft ein Hotel mit kurzfristiger Storno-Option gebucht hat, kann diese Möglichkeit nutzen. Ansonsten fallen die Stornierungsgebühren wie vertraglich vereinbart an. (dpa)