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Ausraster von Kunden: Testcenter in Zittau schließt

Verbale Attacken im Testcenter in Zittau - für den Chef des Westparks ist das Fass voll. Zum Schutz schickt er sein Team lieber komplett in Kurzarbeit.

Von Holger Gutte
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Tina Bähr und Sophie Siodmok gehören zu den Mitarbeiterinnen im Testzentrum des Westpark-Centers in Zittau. Immer wieder gibt es hier Beleidigungen und unschöne Szenen.
Tina Bähr und Sophie Siodmok gehören zu den Mitarbeiterinnen im Testzentrum des Westpark-Centers in Zittau. Immer wieder gibt es hier Beleidigungen und unschöne Szenen. © Matthias Weber/photoweber.de

Die Spitze des Eisberges war am Mittwochnachmittag für den Geschäftsführer des Westpark-Centers in Zittau erreicht. Ein Gast war nach seinem leider positiven Testergebnis eine seiner Mitarbeiterinnen verbal angegangen, berichtet Heiko Wasser. "Die nächste Stufe wären dann wahrscheinlich Handgreiflichkeiten und weitere Drohungen. Soweit wird es aber nicht kommen. Ich habe mich entschieden, zum Schutz aller Mitarbeiter, das Testzentrum zum 30. November 2021 wieder zu schließen", schildert er.

Der Mann, der dafür den letzten Ausschlag gab, hatte den Container des Testzentrums ohne Maske betreten. Die Mitarbeiterin am Empfang wies ihn freundlich darauf hin, dass er hier eine Maske tragen muss. Ein Hinweisschild weist an der Eingangstür auch darauf hin. Ebenso, dass man nur einzeln eintreten darf und nur, wenn die grüne Lampe leuchtet.

"Erst hatte sich der Mann geweigert, ist dann aber doch zu seinem Auto gegangen, um sich eine Maske zu holen", erzählt Heiko Wasser. Der Mann brauchte den Test für seinen Arbeitgeber. Dann verlief erst einmal alles normal. Die Daten des Mannes wurden aufgenommen und der Test durchgeführt. Als die vorgeschriebene Wartezeit vorbei war, gab es ein eindeutiges Ergebnis. Der Mann war positiv auf das Corona-Virus getestet worden.

Danach wurde er laut, wollte das Ergebnis nicht anerkennen. Er warf den Frauen vor, dass sie keine Ahnung hätten und verlangte einen zweiten Test, schildert der Chef vom Westpark-Center das Geschehen.

Doch einen zweiten Test gibt es nicht. "Der Test war klar und deutlich. Wir haben ihm gesagt, dass wir zum Melden von positiven Ergebnissen verpflichtet sind, ihm die Unterlagen ausgehändigt und ihn unterrichtet, was nun zu tun ist", fügt er hinzu.

Und er stärkt seinen Mitarbeiterinnen den Rücken. Rund 10.000 Test haben sie allein in diesem Jahr in zwei Monaten gemacht, als das Westpark-Center von Mitte April bis Mitte Juni in Zittau neben McDonalds ein Drive-in eingerichtet hatte.

Massive Anfeindungen und Beleidigungen

Vielleicht hat der Mann ja noch Glück und der nun fällige PCR-Test zeigt ein anderes Ergebnis. Doch den kann Heiko Wasser, wie fast alle Testzentren nicht durchführen. Dazu sind nur drei der insgesamt 59 Testzentren im gesamten Landkreis Görlitz berechtigt.

"Die massiven Anfeindungen und Beleidigungen sind mittlerweile an der Tagesordnung. Der Ton wird immer rauer und die Aggressivität der Leute steigt stark an", berichtet Heiko Wasser. Er kann gut nachempfinden, dass die Frauen im Testzentrum nach solchen Fällen regelrecht Angst haben.

Auch am Donnerstag gab es wieder einen unschönen Vorfall. Eine Frau betrat das Testzentrum im Westpark-Center, um sich zu erkundigen, wie und wann sie sich testen lassen kann, wenn sie nächste Woche in Urlaub wolle. Als sie wieder ging, kam ihr Mann rein und machte seinem Ärger Luft.

"Uns erreichen zahlreiche Hassmails, Facebook-Kommentare und sogar böswillige Anrufe", berichtet der Chef vom Westpark-Center. Als "kapitalistische Faschisten, Pandemietreiber, System-Schlafmützen, Geld-Haie und Mitarbeiter, die sich nur dem Job hingeben", werden sie auf Facebook, YouTube und anderen Kanälen beschimpft. Und das sind nur die Beschimpfungen, die druckreif sind.

Die Respektlosigkeit und das ständige Nichteinhalten der wenigen Regeln im Testzentrum, wie Maske tragen, Hände desinfizieren und Abstand halten nehmen täglich zu. "Ich kann aber nicht während der gesamten Öffnungszeiten eine Security-Firma einbinden. Das ist für mich wirtschaftlich nicht möglich", sagt Heiko Wasser. Bis zum Monatsende wird er sicherheitshalber den meist weiblichen Kollegen im Testzentrum noch einen männlichen Mitarbeiter zur Seite stellen.

Schon jetzt beginnt der Geschäftsführer sein Testmaterial zu verkaufen - zum Einkaufspreis. Denn Gewinn machen will er damit nicht. Zahnärzte und größere Firmen aus Zittau und Umgebung ordern bereits welches.

Testmaterial wird schon verkauft

Die Leute wollen gar nicht glauben, dass er sein Testzentrum wieder schließt. Manche kommen wöchentlich ein- oder zweimal, je nachdem, ob sie es für den Arbeitgeber oder für einen Termin brauchen. Heiko Wasser hatte für das Testen acht seiner 14 Mitarbeiter beim DRK schulen lassen, einen beheizten Container als Testzentrum eingerichtet und separate Wartebereiche sowie Ein- und Ausgänge geschaffen. So, wie es vorgeschrieben ist.

Am Donnerstagnachmittag hatten auch Sarah Dommasch und Evelyn Kneißner einen ihrer letzten Dienste im Testzentrum. Beide haben ebenfalls schon unschöne Szene erlebt. "Manchmal kommt auch mal ein Lob. Wir sollen weiterhin durchhalten", sagt Evelyn Kneißner. Aber das ist die Ausnahme.

Ihr Chef hat jetzt für alle 14 Mitarbeiter Kurzarbeit beantragt. Was ihnen dann noch bis zum vollen Gehalt fehlt, will Heiko Wasser zumindest bis zum Jahresende dazu geben. Er glaubt nicht, dass er im Januar Zittaus größte Sport- und Freizeiteinrichtung schon wieder öffnen darf. Deshalb hat er bereits für sich entschieden, dass das Westpark-Center bis zum Jahresende geschlossen bleibt.

Weil der Mann letztendlich von selber das Testzentrum verließ, hat Heiko Wasser den Vorfall nicht angezeigt. Wie Anja Leuschner, die Pressesprecherin der Polizeidirektion in Görlitz mitteilt, gab es bisher innerhalb des Polizeireviers Zittau-Oberland im November zumindest noch keine Anzeige wegen derartiger oder noch schlimmerer Vorfälle in einem Testzentrum.