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TU Freiberg: Statistik in Studie zum Ausbruch von Corona ist "eklatant falsch"

Ein Tiermarkt in Wuhan soll die Quelle des Corona-Virus-Ausbruches gewesen sein. Das ist gängige Lehrmeinung. Die sei jedoch sehr fehlerbehaftet, betont ein Ex-Rektor der Bergakademie Freiberg.

Von Ulrich Wolf
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Gemeinsam mit einem Kollegen aus Hongkong weist der Ex-Rektor der TU Freiberg, der Mathematiker Dietrich Stoyan, die bisherigen Erkenntnisse zum Ausbruchsort der Corona-Pandemie zurück.
Gemeinsam mit einem Kollegen aus Hongkong weist der Ex-Rektor der TU Freiberg, der Mathematiker Dietrich Stoyan, die bisherigen Erkenntnisse zum Ausbruchsort der Corona-Pandemie zurück. © dpa-Zentralbild

Freiberg. Der frühere Rektor der TU Bergakademie Freiberg und Mathematik-Professor Dietrich Stoyan äußert starke Zweifel an der bislang wichtigsten Studie zum Ausbruchsort des Corona-Virus. Die in Wissenschaftskreisen als Worobey-Studie bezeichnete Untersuchung zum Ursprungsort der Pandemie sei in ihrem statistischen Teil "eklatant falsch", teilte die Bergakademie am Mittwoch mit. Das habe "eine sorgfältige Analyse des Beweises" ergeben.

Der kanadische Evolutionsbiologe Michael Worobey hatte aus allen verfügbaren Daten den Schluss gezogen, dass das Corona-Virus höchstwahrscheinlich von Tieren stammte, die auf dem Huanan Seafood Wholesale Market in der chinesischen Millionenstadt Wuhan verkauft wurden und anschließend auf den Menschen übergesprungen war.

Genau das aber stellen nun der Stochastik-Professor Stoyan und der Hongkonger Mathematik-Professor Sung Nok Chiu infrage. Sie hätten in einer eigenen Studie, die am Dienstag im Journal of the Royal Statistical Society mit Sitz in London erschienen sei, nachgewiesen, dass das 17-köpfige Autorenteam um Worobey im statistischen Umgang mit Daten sehr fehlerhaft gearbeitet habe. Dennoch habe Worobeys Tiermarkt-These ähnlich wie das Corona-Virus eine weltweite Reise angetreten, "nicht nur durch die Wissenschaftscommunity, sondern auch durch die Massenmedien".

Von diesem Tiermarkt im chinesischen Wuhan aus soll das Corona-Virus seine Infektionsreise um die Welt angetreten haben. Diese gängige Lehrmeinung stellt nun ein Wissenschaftlerduo aus Freiberg und Hongkong infrage.
Von diesem Tiermarkt im chinesischen Wuhan aus soll das Corona-Virus seine Infektionsreise um die Welt angetreten haben. Diese gängige Lehrmeinung stellt nun ein Wissenschaftlerduo aus Freiberg und Hongkong infrage. © Archiv: ddp

Stoyan und Chiu kommen nach ihrer Untersuchung des statistischen Verfahrens der Worobey-Studie nach eigenen Angaben zu einem eindeutigen Urteil: "Die Statistik beweist nicht, dass jener Markt in Wuhan das frühe Epizentrum der COVID-19-Pandemie war." Der wichtigste verwendete statistische Test sei gar unsinnig, sagt Stoyan. Zudem gebe es "weitere Mängel in der statistischen Argumentation".

Stoyan und Chiu haben der Universität Freiberg zufolge "dieselben geostatistischen Daten verwendet wie Worobey". Dabei handele es sich um die Wohnadressen der ersten 155 Corona-Fälle. Diese Anschriften seien als Punkte auf einer Karte eingetragen worden. In der Worobey-Studie seien die Punktmuster mit durch Simulation erzeugten Punktmustern verglichen worden. Dabei habe es deutliche Unterschiede gegeben.

Das Freiberger-Hongkonger-Forschungsduo moniert nun, die künstlichen Punktmuster seien falsch gewählt worden. Worobey und Kollegen hätten mit dem von ihnen gewählten statistischen Test von vornherein andere Orte als den Huanan-Wildtiermarkt ausgeschlossen. Dabei kämen durchaus andere Orte in der Nähe des Marktes als Quelle des Ausbruchs infrage: etwa ein großer Bahnhof und ein riesiger Einkaufskomplex mit Hotels und Restaurants. "Wo sich das Epizentrum der weltweiten Corona-Pandemie befunden hat, ist mit Worobeys Studie nicht nachgewiesen worden", erklärte Stoyan. "Die Forschung steht mit dieser Frage immer noch am Anfang".

Der mehrfach prämierte Wissenschaftler und Ehrendoktor Stoyan war von 1991 bis 1997 Rektor der Bergakademie Freiberg. Nok Chiu ist an der mathematischen Fakultät der Baptisten-Universität in Hongkong tätig. Beide arbeiteten bereits in den 1990er-Jahren zusammen.