SZ + Görlitz
Merken

Wie Impfgegner den Görlitzer Senfladen ins Visier nahmen

Ein Görlitzer Geschäft sucht Mitarbeiter - geimpfte. Das hat Gründe. Doch durch einen Artikel eines Anzeigenblatts wurde der Laden zur Zielscheibe.

Von Sebastian Beutler & Susanne Sodan
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Eine Stellenanzeige hatte für den Görlitzer Senfladen unerwartete Folgen.
Eine Stellenanzeige hatte für den Görlitzer Senfladen unerwartete Folgen. © dpa/Daniel Karmann (Symbolfoto)

Ursula Beinecke wollte einfach nur einen neuen Mitarbeiter oder eine neue Mitarbeiterin finden. Sie ist die Chefin des Senfladens auf der Görlitzer Brüderstraße. Gerade für Touristen, aber auch viele Einheimische ist der Laden mit seinen Bratwürsten eine beliebte Mittagsrast.

Doch die Stellenanzeige zog ungeahnte Kreise. Denn Frau Beinecke sprach mit der Anzeige Bewerber an, die gegen das Coronavirus geimpft sind. Das hat auch seinen guten Grund. "In meinem Team", schildert sie, "befinden sich unter anderem auch Beschäftigte, die den sogenannten Risikogruppen angehören." Der Schutz ihres Personals und ihrer Kunden habe für sie als Geschäftsführerin Priorität. Zugleich fügt sie an, dass auch Bewerbungen von Interessenten willkommen sind, die sich aus medizinischen Gründen tatsächlich nicht impfen lassen könnten.

Anzeigenblatt hat "Erfahrungen" mit Stellenanzeigen

Impfgegner aber entdeckten die Anzeige von Frau Beinecke, ein Screenshot der Anzeige findet sich auf einem relativ großen Telegram-Kanal, der sonst beispielsweise Freiheit für einen einflussreichen deutschsprachigen Verschwörungsideologen fordert, "neue Zahlen zu Impfnebenwirkungen" veröffentlicht oder auch "fünf Experimente, die zeigen, dass Menschen Schafe sind".

Das alles hätte die digitale Blase dieses Kanals wohl auch nicht verlassen, wenn nicht das Görlitzer Wochenblatt "Niederschlesischer Kurier" die Sache zuvor bereits aufgegriffen hätte. Der zuständige Redakteur, der gern ein T-Shirt mit der Aufschrift trägt "Corona ist ein Intelligenztest - wer durchfällt, wird geimpft", beschäftigt sich gern mit Stellenanzeigen. So zeichnete er ein düsteres Bild für das Gesundheitswesen, weil zig ungeimpfte Krankenschwester und Pfleger neue Stellen per Anzeigen in dem Blatt suchten. Das Ganze stellte sich später als weitgehend fingierte Anzeigenflut heraus; für ein massenweises Wechseln des Arbeitgebers wegen der Impfpflicht im Gesundheitswesen gibt es keine Belege.

Nun fragte er offenbar tatsächlich Frau Beinecke, ob die Anzeige überhaupt von ihr stammt - oder ihr damit vielleicht jemand schaden will. Gar die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wird angefragt. Ergebnis: Wieder nichts. In dem Fall liegt keine Diskriminierung vor.

Der Diskriminierungsschutz greift nicht, wenn sich zum Beispiel Personen aus politischen oder ideologischen Überzeugungen nicht impfen lassen wollen.

Unschuldig am Pranger

Obwohl sich die Geschäftsfrau nichts zuschulden hat kommen lassen, reichte das Echo von Kunden oder Passanten von diversen Beschwerden über Vorwürfe bis hin zu haltlosen Behauptungen. "Über die Vielzahl, die Art und Weise der Formulierungen war ich doch sehr überrascht", sagt Ursula Beinecke.

Zumal die Kritiker von Corona-Maßnahmen immer darauf pochen, dass ihre Meinungen toleriert werden sollten. So ist es häufig bei den Montagsdemos auf dem Görlitzer Postplatz zu hören. An diesem Montag beispielsweise lagen Faltblätter aus, die nun in der Stadt verteilt werden und beitragen sollen, "die Leute für uns zu gewinnen. Und wenn sie nicht für uns zu gewinnen sind, dann wenigstens, dass sie uns nicht für das, was wir tun, verurteilen". Deshalb sei das Flugblatt "bewusst recht harmlos formuliert", so Frank Liske, Organisator der Görlitzer "Montagsdemo".

"Ich hätte mir gewünscht", sagt Ursula Beinecke, "dass meine Entscheidung gleichermaßen toleriert wird, wie das meine Kritiker auch für sich einzufordern scheinen."

Der Artikel des Niederschlesischen Kuriers unter dem Titel "Wer darf noch Senf dazugeben?" ist im Netz nicht mehr zu finden. Warum das so ist? Eine Anfrage der SZ blieb vom Niederschlesischen Kurier unbeantwortet.