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Freie Sachsen machen Wahlkampf mit Falschinformationen

Auf Flyern, die in Mittweida und Leisnig verteilt werden, schreiben die Freien Sachsen von Denunziation und einem angeblichen Asylheim. Was dahinter steckt.

Von Heike Heisig & Lea Heilmann
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Im ganzen Freistaat melden die Freien Sachsen nicht nur Demos an, sondern sind auch mit Ständen und Flyern vertreten.
Im ganzen Freistaat melden die Freien Sachsen nicht nur Demos an, sondern sind auch mit Ständen und Flyern vertreten. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Mittweida/Leisnig. In Zschöppichen, einem Ortsteil von Mittweida, leben 135 Einwohner. Jede Stunde fährt ein Bus. Neben der Straße prangt ein Schild: Boarding House, 400 Meter. Das Schild führt zu einem Gelände, auf dem drei Häuser stehen. Früher war es einmal das Elsa-Brandström-Kinderheim.

Bereits im November hatten die Freien Sachsen in ihrem Telegram-Kanal geschrieben, dass in das ehemalige Heim 240 Geflüchtete einziehen sollen. Vor Kurzem tauchte diese Behauptung als Flyer erneut in Mittweida auf.

Mit einer Videobotschaft meldeten sich daraufhin Mittweidas Bürgermeister Ralf Schreiber (CDU) und der mittelsächsische Landrat Dirk Neubauer (parteilos). „Politischer Wettstreit in allen Ehren, aber das, was hier drin steht, ist nicht nur erfunden, sondern aggressiv gelogen“, sagte Neubauer in Bezug auf den Flyer.

Landkreis hat Kinderheim als Asylunterkunft abgelehnt

Er ergänzte, dass das Gebäude zwar bei der Standortuntersuchung für Geflüchtetenheime auftauchte, jedoch frühzeitig festgestellt wurde, dass 250 Asylsuchende auf 140 Einwohner weder gehe, noch dass das Landratsamt das wolle.

Das ehemalige Kinderheim ist aktuell eine Monteursunterkunft. Diese gehört einem Betreiber aus Ungarn, die Unterkunft läuft über die Zweigstelle in Saarbrücken. Wie eine Anwohnerin erzählte, wohnen dort aktuell etwa 70 Monteure, die vor allem Glasfaser-Bauarbeiten erledigen.

Ein mehrseitiges, angeblich „unabhängiges“ Infoblatt mit Werbung für die Freien Sachsen und die AfD hat zudem in Leisnig für einige Irritationen gesorgt. Das landete in den Briefkästen vieler Einwohner der Stadt und der Ortsteile.

Darin üben die Verfasser – als Verantwortlicher wird Lutz Giesen genannt, häufig Anmelder und Redner von Neonazi-Kundgebungen und vielfach unter anderem wegen Volksverhetzung vorbestraft – Kritik an der Arbeit der aktuellen Stadträte. Rätin Maria-Christin Anderfuhren (Bündnisgrüne) wird beispielsweise vorgeworfen, Leisniger Bürger bei der Schöffenwahl denunziert zu haben.

Leisniger Bündnis reagiert auf Flyer der Freien Sachsen

Richtig ist, dass die Abgeordnete in einer Ratssitzung darauf hingewiesen hat, dass ihr einer der vorgeschlagenen beziehungsweise sich selbst für das Ehrenamt gemeldeten Kandidaten aufgefallen ist. Und zwar durch rassistische, staatsfeindliche Äußerungen in den sozialen Netzwerken.

Aufgrund dieses Hinweises hat die Verwaltung die Kandidatenliste noch einmal überprüft. Letztlich wurden nicht alle Kandidaten der ursprünglichen Vorschlagsliste als Bewerber um das Schöffenamt ans Amtsgericht in Döbeln weitergereicht.

Zu diesen und anderen Darstellungen im Infoblatt gibt es mittlerweile eine offizielle „Erklärung des Leisniger Bündnisses für Demokratie und Vielfalt“. Dieses Bündnis hatte sich zusammengefunden, als es in den Corona-Jahren auch Montagsdemos auf dem Leisniger Marktplatz gab. „Nun haben wir uns wieder getroffen und einen Standpunkt gebildet“, sagt Diana Fischer.

Die Leisnigerin gehört zu den mehr als 60 Erstunterzeichnern dieser Erklärung. Darin zeigen sich die Unterzeichnenden unter anderem solidarisch mit den namentlich genannten Stadträten, „und verwahren uns gegen die Einschüchterung einzelner Stadträte, die sich ehrenamtlich seit Jahren für das Wohl der Stadt und der Einwohner engagieren“, heißt es in dem Papier unter anderem.

Aufklärung über die Freien Sachsen

Das hat Dieter Kunadt ebenso unterschrieben. „Weil in dem angeblichen Infoblatt nur gehetzt wird, dort keine haltbaren Argumente drinstehen“, erklärt er. Das Bündnis spricht von „gänzlich unbelegten Behauptungen“.

Vor ein paar Tagen haben die Freien Sachsen auf dem Markt ihre nach Sächsische.de-Informationen fünf Kandidaten für die Stadtratswahl vorgestellt. Ob diese tatsächlich zur Wahl antreten dürfen, entscheidet der Gemeindewahlausschuss am 11. April.

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So lange wollte Diana Fischer aber nicht warten. Parallel zur Kandidatenvorstellung der Freien Sachsen hatte sie einen Infostand angemeldet. „Wir haben den Leuten erklärt, was die Freien Sachsen eigentlich wollen“, so die Leisnigerin.

Diese Aufklärung wolle das Bündnis fortsetzen. Immerhin hat der sächsische Verfassungsschutz die Freien Sachsen als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Mittlerweile wird die Partei bundesweit vom Verfassungsschutz beobachtet.