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Atzes größtes Herzblut

Andreas Klimke hatte früher mit Sport nicht viel am Hut. Warum er heute als Riesenfan seine Freizeit den DSC-Volleyballerinnen und dem Verein widmet.

Von Nadja Laske
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Andreas Klimke in voller Fan-Montur. Für den Verein kümmert er sich ehrenamtlich um Ticketverkauf, Busbegleitung und Gäste aus Nah und Fern.
Andreas Klimke in voller Fan-Montur. Für den Verein kümmert er sich ehrenamtlich um Ticketverkauf, Busbegleitung und Gäste aus Nah und Fern. © Sven Ellger

Dresden. Grandiose Gartenparty. Die Gäste sind in Höchstform. Da schiebt Atze seinen Klappstuhl zurück, steht auf und ruft: "Freunde, ich mach los. Früh um vier klingelt mein Wecker!" Staunende Gesichter. Frühschicht? Flugreise? Nichts dergleichen. Andreas Klimke, den hier alle Atze nennen, wird am nächsten Morgen zu einem Erlebnis aufbrechen, von dem er ein halbes Jahr später sagt: "Das war das Größte!"

An jenem Februarabend hatten sich Freunde und Gartennachbarn zum traditionellen Weihnachtsbaumverbrennen mit Glühwein getroffen. Tags darauf gewinnen die DSC-Volleyballerinnen in Mannheim das Pokalfinale gegen die Konkurrenz aus Stuttgart. Von einem Krimi wird danach die Rede sein, so spannend war der Weg zur Trophäe.

"Ich schaue mir die entscheidenden Spielminuten immer wieder auf Video an", sagt Andreas Klimke. Schweißausbrüche und Gänsehaut, Panik und Jubel, Verzweiflung und Freudentränen. Nie hätte Atze gedacht, dass er so etwas empfinden kann. Wie wunderte er sich immer über seine Kumpels, die bei Fußballmeisterschaften völlig aus dem Häuschen sind. 

Immer dabei und gern mittendrin: Als engagierter und beliebter Fan darf Atze nach dem Spiel gelegentlich auch mit aufs Spielfeld. "Aber man muss immer sehen, ob es gerade passt", sagt er.
Immer dabei und gern mittendrin: Als engagierter und beliebter Fan darf Atze nach dem Spiel gelegentlich auch mit aufs Spielfeld. "Aber man muss immer sehen, ob es gerade passt", sagt er. ©  privat

Mit Sport hat der 57-Jährige zunächst nicht viel am Hut - weder in eigener Sache noch als Zuschauer. Bis der Zufall ihn ganz sanft in eine Richtung schiebt. "Wir kamen vom Kreuzchorkonzert und haben den Abend auf dem Striezelmarkt ausklingen lassen", erzählt er. Im Gedränge freundet sich Atze mit einer fröhlichen Runde am Nachbarstehtisch an. Das Ende vom Weihnachtslied: Er organisiert der Gruppe Kreuzchortickets fürs folgende Jahr und wird zum Dank zu einem Volleyballspiel eingeladen.

"Ich hatte so etwas noch nie erlebt und fand es super", erinnert er sich an dieses einprägsame Erlebnis vor fünf Jahren. Riesenstimmung - die Dresdnerinnen gewinnen den Deutschen Meistertitel. Etwas später lernt Andreas Klimke die damalige Dresdner Mannschaftskapitänin Katharina Schwabe auf einer Silberhochzeit kennen, kommt mit ihr über den Sport ins Gespräch. "Und zwei Jahre später habe ich mir die erste DSC-Jahreskarte gekauft."

"Das ist mein gelebtes Europa!"

Nach Aachen, Münster, Schwerin, Erfurt, Potsdam und in all die Städte, deren Volleyballerinnen in der Bundesliga spielen, reist Atze nun, und natürlich zu all den Heimspielen in der Margon-Arena auf der Bodenbacher Straße. Zumindest an den Wochenenden. Unter der Woche hat er als Einkäufer beim Dresdner Werkzeugmaschinenbauer Mikromat zu tun. Doch sein Engagement geht inzwischen weit hinaus über das eines treuen Fans, der Spiele begleitet, anfeuert, jubelt und weint. All das tut Atze auch und viel mehr.

Vor zweieinhalb Jahren ist er Mitglied des Fanclubs "Blaues Wunder" geworden. "Das gehört einfach dazu", findet er. Vor der "rührigen Truppe" hat er größten Respekt und sucht sich beim Verein selbst Aufgaben, die in verantwortungsvolle Hände gehören. Das Ticketing zum Beispiel. Andreas Klimke ist Ansprechpartner, wenn andere Clubs und Vereine Eintrittskarten für Spiele in Dresden brauchen und organisiert sie im umgekehrten Fall wiederum für die eigenen Leute.

"Ich finde großartig, dass durch den Sport so viele Verbindungen zu anderen Städten und den Menschen dort entstehen." Deshalb fährt er nicht einfach nur als Zuschauer zu einem Spiel, sondern auch als Besucher an einen anderen Ort. Zeit für einen Stadtbummel, für Sehenswürdigkeiten und Gespräche mit den Leuten dort gehört einfach dazu. 

Und noch viel mehr große weite Welt bringt ihm die Begeisterung für seinen Verein: "Manche Leute finden, dass in einer deutschen Mannschaft nur Spielerinnen aus dem eigenen Land spielen sollten. Das kann ich nachvollziehen", sagt Atze, "Aber wie traurig wäre es auch!" Dass Spielerinnen ganz verschiedener Nationen ein Team bilden und für ein Ziel kämpfen, das fasziniert ihn. 

Nach der Arbeit kommt das Feiern: Andreas Klimke pflegt Freundschaften zu Spielerinnen und deren Familien, wie zum Beispiel zur Finnin Piia Korhonen, die inzwischen in Italien spielt.
Nach der Arbeit kommt das Feiern: Andreas Klimke pflegt Freundschaften zu Spielerinnen und deren Familien, wie zum Beispiel zur Finnin Piia Korhonen, die inzwischen in Italien spielt. ©  privat

Zumal zu den Spielerinnen aus Polen, Tschechien, Schweden, Holland und in dieser Saison vor allem aus den USA auch Familien gehören, die nach Dresden oder zu Gastspielen anderenorts kommen. Zu etlichen Eltern hat Atze inzwischen ein freundschaftliches Verhältnis. Das kommt nicht nur vom gemeinsamen Daumendrücken und Zujubeln. "Wenn ich merke, dass sich die Angehörigen in der fremden Umgebung unsicher fühlen, dann spreche ich sie an, versuche, sie zu unterstützen." 

Englisch und Tschechisch spricht Andreas Klimke gut, einen Polnischkurs hat er auf der Volkshochschule begonnen. "Meine Wörterbücher habe ich immer dabei, so bekomme ich auch auf Russisch, Serbisch, Finnisch und Niederländisch ein paar Sätze hin." Oft schon hat er mit Angehörigen Stadtrundgänge gemacht, ihnen Dresden und andere Städte gezeigt."

"Volleyball ist Dresdens schönster Sport!"

Dass nach jeder Saison Spielerinnen die Mannschaft verlassen, das schmerzt Atze. "Aber dazu gibt es ganz klare Entscheidungen vom Trainer und auch von den Spielerinnen, da kann der Fan fenzen wie er will", sagt er. Zum Glück machen es soziale Medien möglich, nach den Augen nicht auch aus dem Sinn zu geraten. "Ich weiß genau, welche ehemalige DSC-Volleyballerin heute wo spielt oder was sie beruflich macht und bleibe mit einigen in Kontakt."

Eine ganz besondere Freude machten ihm die Eltern der finnischen Volleyballerin Piia Korhonen, deren Vertrag zur neuen Saison nicht verlängert wurde und die nun in Italien spielt. Sie schenkten Atze ein paar selbstgestrickte Socken aus finnischer Rentierwolle - selbstverständlich in schwarz-rot, den Vereinsfarben des DSC. 

Ein ganz besonderes Andenken: Selbstgestrickte Socken von Piia Korhonens Familie - natürlich in den Vereinsfarben des Dresdner SC. "Das Geschenk hat mich extrem gerührt", sagt Atze.
Ein ganz besonderes Andenken: Selbstgestrickte Socken von Piia Korhonens Familie - natürlich in den Vereinsfarben des Dresdner SC. "Das Geschenk hat mich extrem gerührt", sagt Atze. © Sven Ellger

"Das ist mein gelebtes Europa", sagt Andreas Klimke - dieses Miteinander, diese Herzlichkeit und das gemeinsame Ganze. "Wenn wir auf unsere Mannschaft treffen, da sagt keiner: Du bist doch nur ein Fan!" Jeder, der Zeit und Energie investiert, sich sogar engagiert, wird wertgeschätzt. Das gefällt Atze. 

Inzwischen kauft er zwei Jahreskarten: "Damit ich Freunde und Kollegen mitnehmen kann." Viele davon hat er mit seiner Leidenschaft längst angesteckt. Ein Teil der Mikromat-Kollegschaft sitzt nun ebenfalls auf den Zuschauerrängen und spendet sogar Geld für den Verein. Athletisch, kraftvoll, intelligent und hinreißend emotional - dafür muss man sich einfach begeistern, sagt Atze: "Volleyball ist Dresdens schönster Sport."

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