Dresden. Der Weg war nicht weit, aber wie er zurückgelegt wurde, war spektakulär. Ein 100 Tonnen schwerer Motor musste bugsiert werden. Ein Diesel, wie er in dieser Größe sonst vor allem in Schiffen zu finden ist. Er musste in einen Betonrohbau gefahren werden. Im Schneckentempo ging es auf einem ferngesteuerten Wagen aus dem Freien in die neue Behausung, die später Teil eines neuen Kraftwerks sein wird.
Die Drewag hat mit dieser Aktion am Donnerstag einen Arbeitsabschnitt abgeschlossen, der zu den wichtigsten beim Bau eines neuen Kraftwerks in Reick gehören. Acht große Gasmotoren sollen dort künftig Strom und Fernwärme erzeugen. Ihr Vorteil: Sie können schnell zu- oder abgeschaltet werden. Auch bei einem großen Stromausfall, einem sogenannten Blackout, sind sie einsatzfähig, können angelassen werden und dafür sorgen, dass wenigstens einige Lichter wieder angehen und es nicht überall kalt wird. Ihre Leistung ist so groß, dass sie im Winter zum Beispiel ein Viertel des Dresdner Wärmebedarfs decken können.
Per Schiff über die Ostsee und elbaufwärts
Die acht Motoren stammen aus Finnland, denn das Kraftwerk wird von der Finnischen Firma Wärtsilä errichtet. Per Schiff wurden sie samt den dazugehörenden Generatoren und schweren Montagerahmen über die Ostsee nach Deutschland transportiert. Im Hamburger Hafen hievten Kräne die 100 Tonnen-Motoren auf Flussschiffe und es ging auf der Elbe weiter bis zum Hafen in Aken (Sachsen-Anhalt). Von dort fuhren sie auf Schwertransporten nach Dresden.
Am Donnerstagmorgen stand der letzte Schritt beim Einbau der Motoren im Reick bevor. Der achte Motor musste eingebaut und zurechtgerückt werden. Dazu hob ihn ein Kran vom Schwerlast-Lkw auf so etwas wie einen Tieflader-Anhänger, der per Fernsteuerung fahren kann. Dieser Wagen transportierte den meterhohen Koloss in den Kraftwerksbau, in dem eine "Motorenzelle" für ihn reserviert war. In diesem Raum hievten die Arbeiter den Motor dann mit einem zweiten Kran auf den Unterbau. Nun muss er noch mit dem Generator verbunden werden, der dort bereits platziert war.
"Die Motoren sind bereits in Finnland gelaufen, dort gab es einen Prüflauf und einen Abnahmetest," sagt Drewag-Projektleiter Thomas Doltze. Bis sie in Dresden wieder anspringen können, wird nun wenigstens ein halbes Jahr vergehen. Doltze rechnet damit zum Sommerende 2021. Verspätet, räumt er ein, denn laut den ursprünglichen Plänen sollte das neue Kraftwerk zu dieser Zeit schon fast komplett sein und Ende 2021 ans Netz gehen.
Corona behindert finnisch-deutsche Zusammenarbeit
Daraus wird nichts. Zuletzt war geplant, Anfang Januar Richtfest zu feiern. Denn bis dahin sollen nun nach dem Motoreneinbau die Abgasanlage, das Dach und die Fassaden des Kraftwerkbaus fertiggestellt werden. Doch auch aus diesem Termin wird nichts, Corona machte den Verantwortlichen einen Strich durch die Rechnung. Doltze räumt ein, dass das Virus aber nicht der Hauptgrund für die Terminverschiebungen war. Bauverzögerungen und verspätete Lieferungen bei den Motoren machten den Hauptteil der Verspätung aus. Zusätzlich behinderte Covid-19 den Arbeitsverlauf, es habe Verdachtsfälle, positive Testes und Quarantäneregeln gegeben. "Das hatte Einfluss auf die Lieferketten und überhaupt ist alles sehr vage geworden", sagt der Projektleiter. Insbesondere, weil die Lieferungen und auch Personal aus dem Ausland kommen. "Das behindert die Arbeit, es gibt jetzt immer ein gewisses Risiko und die Corona-Vorschriften erleichtern die Arbeit nicht."
Deshalb kann der Projektleiter auch keinen exakt getakteten Zeitplan für die noch bevorstehenden Schritte beschreiben. "Es wird wohl bis 2022 dauern, bis das Kraftwerk fertig ist", sagt Thomas Doltze. Zunächst, ohne einen genaueren Termin nennen zu wollen. Dann lenkt er aber ein und legt sich fest: Geplant ist der Betriebsstart im ersten Quartal des Jahres. Dann geht in Dresden ein Kraftwerk ans Netz, das Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) einen "Grundstein für Dresdens Zukunft" genannt hat. Denn es schafft nicht nur Versorgungssicherheit, mit der neuen Gasmotorentechnik lassen sich gegenüber herkömmlichen Werken mit dieser Leistung pro Jahr rund 80.000 Tonnen Kohlendioxid einsparen.