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Neues "altes Dresden" - die Achse des Schönen

Fritz Löffler setzte mit seinem Buch „Das Alte Dresden“ der Stadt der Vorkriegszeit ein Denkmal. 76 Jahre nach der Zerstörung ist das historische Dresden wieder da.

Von Peter Ufer
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1964 galt die Rekonstruktion des Dresdner Zwingers als abgeschlossen. Nur ein Beispiel für die Wiederauferstehung der barocken Pracht nach der Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg.
1964 galt die Rekonstruktion des Dresdner Zwingers als abgeschlossen. Nur ein Beispiel für die Wiederauferstehung der barocken Pracht nach der Zerstörung Dresdens im Zweiten Weltkrieg. © René Meinig

Dresden. Am 13. Februar 1945 ging Dresden im Bombenhagel unter. Eine Katastrophe, der immer in diesem Monat mit großem Mitgefühl gedacht wird. Erich Kästner schrieb nach der Zerstörung: „Das, was man früher unter Dresden verstand, existiert nicht mehr.“ Der am 23. Februar 1899 in Dresden geborene Schriftsteller formulierte damit eine Endgültigkeit, die viele Jahre lang tief schmerzte. Aber Kästners Satz galt nur für den Augenblick.

Der Kunsthistoriker Fritz Löffler setzte in seinem 1981 erschienenen Buch „Das Alte Dresden“ der Stadt aus der Vorkriegszeit ein unvergessliches Denkmal. Er wies in dem Werk bereits darauf hin, dass Kästner nicht recht behalten werde. Löffler schrieb: „Die Zerstörung, welche die Innenstadt und eine Reihe der Vorstädte fast ausgelöscht und in eine Steinwüste verwandelt hatte, bedeutete die schwerste Katastrophe in der Geschichte dieser Stadt, aber sie bedeutete nicht das Ende.“

Der Wiederaufbau startete bereits kurz nach der Vernichtung. Trümmer wurden beseitigt und der Neuaufbau begonnen. Bestes Beispiel ist der Zwinger. Im September 1945 startete seine Rekonstruktion, im Mai 1951 konnte der Innenhof wieder besucht werden, 1964 galt die Rekonstruktion als abgeschlossen. Bis heute wird immer und immer wieder saniert. Erst im Februar 2020 öffnete nach sieben Jahren umfangreicher Bautätigkeit der Semperbau im Zwinger wieder seine Türen. 50 Millionen Euro betrugen die Kosten für die Renovierungsmaßnahmen.

In Friedrichstadt ist noch heute das alte Dresden sichtbar

Löfflers Standardwerk steht wie eine Bibel der historischen Heimat in unzähligen Dresdner Bücherregalen. In über 500 Abbildungen wird die alte Schönheit der Stadt zu neuem Leben erweckt. Und jetzt, im Jahr 2021, darf behauptet werden: Das „Alte Dresden“, so wie es der Dresdner Kunsthistoriker im kollektiven Gedächtnis wach hielt, gibt es wieder. Anders natürlich, rekonstruiert, saniert, neu gebaut, aber in einer frappierenden Annäherung an die Historie. In einer fünfteiligen Serie stellt die Sächsische Zeitung in den kommenden Tagen wertvolle barocke Gebäude vor. Wie die Stadt neu entstand und ihre Historie heraufbeschwört, soll nachvollzogen werden.

Denn auch wenn Orte wie die Prager Straße nicht mehr an das Gestern erinnern, so reihen sich doch der Zwinger, die Brühlsche Terrasse, die Hof- und Frauenkirche, das Coselpalais sowie das Residenzschloss in der Altstadt wieder wie die Perlen einer Schmuckkette aneinander. Über 20 großartige barocke Bauten verzaubern mit ihrem besonderen Charme und mediterranem Flair. Die Schlendermeile über den neu entstandenen Neumarkt gleicht einer Zeitreise in die Vergangenheit. Zugleich zeigt sie das Können moderner Architektur.

Neben den bekannten Wahrzeichen existieren barocke Gotteshäuser, Schlösser, Palais und Bürgerhäuser, die mit ihrer originalen sowie mit der wieder hergestellten Pracht beeindrucken. Allein im Stadtteil Friedrichstadt, der einstigen barocken Stadterweiterung, ist an mindestens elf architektonischen Zeugnissen noch heute das alte Dresden sichtbar. Allein acht barocke Bürgerhäuser und ein Barockportal in einem Neubau befinden sich auf der Friedrichstraße. Alles saniert.

Dresden besitzt zudem gleich ein ganzes Viertel voller Exklusivität, das Barockviertel rund um die Königstraße. Jenseits der Elbe winden sich enge Straßen um verwinkelte Hinterhöfe und Passagen. Das kleinteilige Stadtbild erinnert heute wieder daran, was einst weite Teile der Dresdner Innenstadt prägte und den Mythos des Reichtums pflegte.

Beginnend auf der Königstraße 1, folgen neun elegante barocke Bürgerhäuser. Auch auf der Rähnitzgasse finden sich vier barocke Bürgerhäuser, an der Dreikönigskirche drei. Dazu gehört das Gebäude des Societaetstheaters, früher ein barockes Gartenhaus. Die Anlage mit Vorderhaus, Gartengebäude und Garten war um 1740 in barockem Stil angelegt worden. Zu den herausragenden barocken Gebäuden der Inneren Neustadt zählen die Dreikönigskirche und das Blockhaus.

Eine Achse des Schönen

Löffler erklärt in seinem Buch, dass sich im Zeitalter des Barocks erstmals in der Geschichte des Städtebaus der Gedanke durchgesetzt hatte, Bauwerke nicht als Solitäre zu betrachten, sondern als Ensemble in einer Landschaft. So sei an der Elbe eine repräsentative Straße von Schloss Übigau über das Japanische Palais bis Schloss Pillnitz errichtet worden. Dies sei eine der genialsten Ideen gewesen, die Dresden bis heute entscheidend präge. Es entstand eine Achse des Schönen.

Begonnen hat diese glanzvolle Ära mit August dem Starken. Als er aufwuchs, war Dresden eine Ackerbürgerstadt. Sie zählte gut 21.000 Einwohner, es ging eng zu, Holzhäuser säumten die miefigen Gassen. Es existierten die Kreuz- und die Sophienkirche, es gab ein Reithaus für Turniere, den Stallhof, den Jägerhof, die Oper, das Schloss mit seinem Turm von 97 Metern Höhe, das Lusthaus auf der Jungfernbastei, das Palais im Großen Garten. Aber das war es. Thronerbe August III. setzte den Ausbau seines Vaters zu einer der glanzvollsten barocken Residenzen Europas fort. Nur knapp sieben Jahrzehnte währte das Augusteische Zeitalter. Aber es setzte Maßstäbe, an denen sich Architektur noch heute messen muss.

Wenn in diesem Jahr der Zerstörung und der Opfer vom 13. Februar 1945 gedacht wird, so mag der eine Gedanke trösten. Kästners Satz vom endgültigen Untergang Dresdens entstand unter dem Eindruck der Katastrophe. Er schrieb ihn in einem Beitrag „… und dann fuhr ich nach Dresden“ in „Die Neue Zeitung“ vom 30. September 1946: „Das, was man früher unter Dresden verstand, existiert nicht mehr.“ Ist es nicht tröstlich, heute schreiben zu dürfen: „Das, was man früher unter Dresden verstand, existiert wieder.“

Nächster Teil der Serie: Die Friedrichstadt mit dem Palais Brühl-Marcolini, Neptunbrunnen, Matthäuskirche und dem Geburtshaus von Ludwig Richter.

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