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Dresden: Bizarrer Streit um Elektroroller in Geiselhaft

Eine Abschleppfirma fordert mehr als 60.000 Euro für eingesammelte E-Scooter in Dresden. Nun muss das Landgericht über einen bizarren Fall entscheiden.

Von Alexander Schneider
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Umgekippte Elektroroller gehören inzwischen zum Stadtbild in Dresden. Auf Privatgrund kann man die Scooter abholen lassen. Eine Abschleppfirma machte nun für diese Dienstleistung eine hohe Forderung auf.
Umgekippte Elektroroller gehören inzwischen zum Stadtbild in Dresden. Auf Privatgrund kann man die Scooter abholen lassen. Eine Abschleppfirma machte nun für diese Dienstleistung eine hohe Forderung auf. © Symbolfoto: Jens Kalaene/dpa

Dresden. Die Roller stehen überall in Dresden herum, um Geld zu verdienen, aber sie verdienen das Geld nicht im Herumstehen. Seit einigen Jahren gibt es die sogenannten E-Scooter auf öffentlichen Wegen und Plätzen. Den einen freut's und er steigt auf, weil er so schneller zu seinem Ziel kommt. Andere ärgert es, weil die Dinger oft achtlos fallengelassen oder von Rowdys in Bäume gehängt, in Brunnen oder gar in der Elbe versenkt werden.

Seit zwei Jahren muss sich das Landgericht Dresden mit einem bizarren Fall rund um die zurückliegende Dresdner Roller-Epidemie beschäftigen. Offenbar hat eine der Justiz gut bekannte Abschleppfirma einen Weg entdeckt, mit Rollern Geld zu machen. Das Unternehmen bunkerte zwischen Februar und Juli 2020, man könnte vom ersten Corona-Frühjahr sprechen, insgesamt 19 dieser elektrobetriebenen Zweiräder.

Die hatte sie zuvor von Privatflächen abtransportiert – auf Wunsch der betroffenen Grundstückseigentümer, unter ihnen "Deutsche Wohnen", "Vonovia" oder "Parker Louis". Die Roller standen mal an der Fassade gleich neben der Haustür oder lagen auf einer Wiese. Unklar ist, wie lange sich die E-Gefährte dort befanden. Normalerweise werden sie von Mitarbeitern der Eigentümer aufgelesen, gewartet und aufgeladen, ehe sie wieder in der Stadt ausgesetzt werden.

E-Scooter werden in Dresden für horrende Summen abgeschleppt

Die Logik für die Abschleppfirma dahinter ist dieselbe, wie im Fall von falsch geparkter Autos auf den Privatflächen der genannten Unternehmen. Was stört, muss weg. Ein Anruf eines Verwalters oder Hausmeisters reicht, der Lieferwagen kommt und entfernt das vermeintlich herrenlose Vehikel, natürlich für einen stolzen Preis.

Die Roller-Firma hatte sich lange geweigert, die geforderten Kosten für die Herausgabe zu zahlen – und so nahm die Forderung kaum fassbare Dimensionen an. Schließlich verklagte die Roller-Firma die Schlepper auf Herausgabe. Bis Herbst 2022 hatte sich die Summe für die 19 Scooter in Geiselhaft auf über 60.000 Euro aufgetürmt: Für das Abholen eines Rollers berechnete die Beklagte pauschal 119 Euro, hinzu kommt das Standgeld von fünf Euro pro Tag.

Bei 19 Rollern und einem Zeitraum von rund zweieinhalb Jahren kommt so eine Summe zusammen, die den Wiederbeschaffungswert aller 19 Roller um das Sechsfache übersteigt. Die China-Scooter mit Akku und Handyhalter kosteten im Einkauf schlappe 600 US-Dollar, derzeit etwa 550 Euro. 19 neue Roller schlagen so also mit "nur" 10.500 Euro zu Buche.

Kein Ende bei E-Scooter-Streit in Sich

Während nun also die seit einem Jahr befreiten Roller – immerhin: Sie wurden freiwillig herausgegeben – auf Dresdens Straßen wieder tierisch Geld verdienen, streiten sich deren Eigentümer und die Abschleppfirma, beziehungsweise deren Anwälte noch immer um die gut 60.000 Euro. Ein Ende ist nicht in Sicht, schon gar kein gütliches.

Dieter Münch, der Vorsitzende Richter der Zivilkammer, hat mit dieser Sache über die Jahre schon mehrere Sitzungstage hinter sich gebracht, etwa Grundstückseigentümer als Zeugen gehört, die ihm eine vertragliche Regelung über die fachgerechte Beseitigung der kleinen Scooter durch die Beklagte bestätigten.

Die Beklagte macht daher geltend, eine übliche Leistung erbracht zu haben. Der Kläger-Anwalt pocht demgegenüber darauf, dass die Verwahrung komplett dem Zweck der Roller widerspreche. Ende Januar 2024 will Münch sein Urteil verkünden.

Es wird wohl nicht die letzte Entscheidung in diesem Fall sein.