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Dresden braucht immer mehr Wasser

Trotz der vergangenen Unwetter hat es seit 2016 viel zu wenig geregnet. Dennoch steigt der Verbrauch. Wie die SachsenEnergie den Nachschub sichert.

Von Peter Hilbert
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Im Coschützer Werk wird das meiste Trinkwasser für Dresden aufbereitet. Es kommt über eine 20 Kilometer lange Verbindung aus der Talsperre Klingenberg.
Im Coschützer Werk wird das meiste Trinkwasser für Dresden aufbereitet. Es kommt über eine 20 Kilometer lange Verbindung aus der Talsperre Klingenberg. © René Meinig

Dresden. In den vergangenen Jahren war es viel zu trocken. Bäche trockneten aus, die Pegel der Flüsse waren lange Zeit zu niedrig und der Grundwasserstand kräftig abgesackt. Dennoch muss die SachsenEnergie die Versorgung der Großstadt mit Trinkwasser zuverlässig sichern. Die SZ analysiert, wie das gelingen soll und gibt einen Überblick.

Die Trockenheit: Vier Jahre lang regnete es viel zu wenig

Rund 662,5 Liter Regen pro Quadratmeter fallen in Dresden im Jahr. Das ist der langjährige Durchschnitt des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Das Jahr 2016 war das letzte, das mit 665 Litern noch im Durchschnitt lag. „Alle folgenden Jahre waren zu trocken“, sagt Udo Zimmermann, der das flächendeckende Regenmesssystem bei der Stadtentwässerung Dresden betreut.

2017 wurden 577 Liter je Quadratmeter in Dresden gemessen, was 87 Prozent des DWD-Durchschnitts entspricht. Am extremsten war das Jahr 2018 mit 389 Litern. Mit 59 Prozent des langjährigen Durchschnitts war das nur die gute Hälfte des Normalwertes. 2019 wurden 480 Liter (72 Prozent) gemessen. 2020 blieb mit 528 Litern immer noch 20 Prozent unter dem langjährigen DWD-Wert.

Trockenheit und Dürre haben in den vergangenen Jahren nicht nur das Build am Dresdner Elbufer geprägt. Dieses Jahr regnet es zwar wieder mehr. Die Defizite der vergangenen Jahre konnten aber noch nicht ausgeglichen werden.
Trockenheit und Dürre haben in den vergangenen Jahren nicht nur das Build am Dresdner Elbufer geprägt. Dieses Jahr regnet es zwar wieder mehr. Die Defizite der vergangenen Jahre konnten aber noch nicht ausgeglichen werden. © Sven Ellger/Archiv

Der Kontrast: Nasses Vierteljahr nach trockenen Monaten

Zwar hat es dieses Jahr schon mehr geregnet. Dennoch war es laut DWD-Statistik im Februar, März und April noch zu trocken. Im Mai und Juni fiel aber viel mehr Regen als im langjährigen Durchschnitt. So gab es am 30. Juni extreme Niederschläge in Dresden. Auch im Juli regnete es viel stärker. So prasselten in Klotzsche am 13. Juli ab 22.40 Uhr binnen einer Dreiviertelstunde über 20 Liter Regen je Quadratmeter herab. Das entspricht einem Niederschlag, den es laut Statistik nur alle 50 Jahre gibt. Kräftig geregnet hatte es auch in anderen Stadtteilen, so im Zentrum (siehe Foto). Doch das große Defizit der vergangenen Jahre ist damit noch nicht ausgeglichen. Dresdens Trinkwasserversorgung ist bisher allerdings nicht gefährdet.

Dieses Bild bot sich beim Unwetter in der Nacht zum 14. Juli. Zwar fiel zwischen Februar und April in Dresden weniger Regen als im langjährigen Durchschnitt. Im vergangenen Vierteljahr liegt die Niederschlagsbilanz hingegen deutlich über dieser Marke.
Dieses Bild bot sich beim Unwetter in der Nacht zum 14. Juli. Zwar fiel zwischen Februar und April in Dresden weniger Regen als im langjährigen Durchschnitt. Im vergangenen Vierteljahr liegt die Niederschlagsbilanz hingegen deutlich über dieser Marke. © René Meinig

Die Nachfrage: Tagesverbrauch stark gestiegen

In den vergangenen Jahren benötigte Dresden immer mehr Trinkwasser. Wurden 2011 täglich im Durchschnitt noch rund 102.000 Kubikmeter Trinkwasser verbraucht, so waren es 2015 bereits 112.000 Kubikmeter. Im besonders warmen und trockenen Jahr 2018 ging die Verbrauchskurve mit knapp 118.000 Kubikmetern Trinkwasser noch weiter nach oben. 2019 waren es sogar 121.000 und im vergangenen Jahr weit über 124.000 Kubikmeter, teilt SachsenEnergie-Sprecherin Nora Weinhold mit. Tendenz steigend.

Der Trend liege hauptsächlich an der Industrie, die stark wächst. So hat Bosch eine neue Mikrochipfabrik im Rähnitzer Gewerbegebiet Airportpark gebaut. Schon jetzt benötigt die gesamte Mikroelektronikbranche im Dresdner Norden so viel Wasser, wie das Tolkewitzer Werk aufbereiten kann.

Bei Hitze ist Dresdens Trinkwasser besonders gefragt. So wurden am 18. Juni dieses Jahres über 162 Millionen Liter verbraucht. Das ist der bisherige Jahresrekord.
Bei Hitze ist Dresdens Trinkwasser besonders gefragt. So wurden am 18. Juni dieses Jahres über 162 Millionen Liter verbraucht. Das ist der bisherige Jahresrekord. © dpa-Zentralbild

Die Spitzentage: Jahresrekord bei über 162 Millionen Litern

Zunehmend ist auch die Zahl der Tage, an denen mit über 130.000 Kubikmetern sehr viel Wasser verbraucht wird. Das entspricht 130 Millionen Litern. War es 2013 noch nicht ein Tag, so weist die Statistik 2014 zwei, 2017 zehn und im Hitzejahr 2018 sogar 68 Spitzentage aus. „Im Jahr 2020 wurde an 91 Tagen über 130.000 Kubikmeter Trinkwasser verbraucht“, erklärt die Sprecherin. Davon waren allein 59 Tage in den Sommermonaten Juni, Juli und August. Aber auch im April 2020 lag der Wasserverbrauch an 14 Tagen über der 130.000-Kubikmeter-Marke.

Lag der Spitzenwert für 2018 am 1. August noch bei über 158.000 Kubikmetern, so wurde der 2019er-Verbrauchsrekord am 26. Juni mit 169.000 Kubikmetern erreicht. 2020 mussten die Wasserwerke am 7. August mit knapp 156.000 Kubikmetern die größte Menge liefern. Der bisherige Spitzenverbrauch in diesem Jahr wurde mit 162.493 Kubikmetern am 18. Juni erreicht, als es 32 Grad heiß war. Das sind knapp 162,5 Millionen Liter.

Die Werke: Coschütz liefert den Großteil

Für die drei Werke ist es bisher kein Problem, genügend Trinkwasser aufzubereiten. Immerhin liegt ihre Kapazität bei knapp 240.000 Kubikmetern täglich. Rund 60 Prozent davon kommen aus Coschütz, ein Viertel aus Hosterwitz und 15 Prozent aus Tolkewitz. Ins 1946 übergebene Coschützer Werk, das das größte Sachsens ist, fließt Wasser über Stollen und Leitungen aus dem Talsperrensystem Lehnmühle und Klingenberg, was bisher auch bei Trockenheit immer funktionierte. In den Jahren 2020/2021 werden laut der aktuellen vertraglichen Regelungen mit der Landestalsperrenverwaltung täglich etwa 77.000 Kubikmeter und in den Jahren 2023 bis 2025 etwa 69.000 Kubikmeter in Aussicht gestellt.

Aus der Talsperre Klingenberg kommt das meiste Wasser für Dresden.
Aus der Talsperre Klingenberg kommt das meiste Wasser für Dresden. © Landestalsperrenverwaltung

Das Großprojekt: Hosterwitz jetzt noch leistungsfähiger

SachsenEnergie investiert wie der Vorgänger Drewag Millionen für eine zuverlässige Wasserversorgung. Im 1908 unter Stadtbaudirektor Hans Erlwein fertiggestellten Hosterwitzer Werk und in der bis 1898 gebauten Tolkewitzer Anlage werden Grundwasser und Uferfiltrat aus der Elbe aufbereitet. Das Hosterwitzer Werk wurde von 1987 bis 1992 und das Tolkewitzer von 1997 bis 2000 komplett erneuert.

Diese Schlammspeicher wurden im Wasserwerk Hosterwitz neu gebaut. Damit wird das Wasserwerk noch leistungsfähiger.
Diese Schlammspeicher wurden im Wasserwerk Hosterwitz neu gebaut. Damit wird das Wasserwerk noch leistungsfähiger. © René Meinig

Im Hosterwitzer Werk gibt es eine Besonderheit, damit auf sprunghaft steigenden Bedarf reagiert werden kann. Dort wird in einem speziellen Verfahren Wasser aus der Elbe gepumpt, behandelt, gefiltert und über fünf Infiltrationsbecken, die so groß wie drei Fußballfelder sind, wieder in den Grundwasserleiter versickert. Damit wird die Kapazität gesteigert und das Werk ist wesentlich flexibler. Dadurch war es beispielsweise möglich, dass das Hauptwasserwerk Coschütz 2020 und zuvor bei Sanierungsarbeiten mehrfach abgeschaltet und Dresden komplett mit Wasser aus Hosterwitz und Tolkewitz versorgt werden konnte.

Die Drewag hatte rund 6,4 Millionen Euro investiert, damit der bei der Elbwasseraufbereitung anfallende Schlamm in Hosterwitz separat gespeichert werden kann. Dafür wurden ein großes Pumpwerk und drei Schlammbehälter gebaut. Die Arbeiten konnten im Sommer 2020 abgeschlossen werden. Mit den Anlagen wird das Werk noch leistungsfähiger.

Das Coschützer Wasser ist mit einem Härtegrad von 5,8 weich, das Hosterwitzer (8,9) etwas härter und das Tolkewitzer mit 13,3 mittelhart.

Die Lösung: Spezielle Versorgung für Industrie im Norden

Der Wasserverbrauch in Dresden wird weiter steigen. Die SachsenEnergie prognostiziert der Sprecherin zufolge für 2022 einen Durchschnittsverbrauch von rund 125.000 Kubikmeter täglich, für 2026 von 135.000 Kubikmetern und für 2030 von 145.000 Kubikmetern.

Das Unternehmen setzt jetzt eine erste Lösung um. Seit 2020 haben Spezialisten zwischen der Saloppe und dem Schloss Albrechtsberg 15 Brunnen neben dem Elberadweg gebohrt. Mit Unterwasserpumpen wird aus den Brunnen vor allem das durch den Untergrund bereits gereinigte Uferfiltrat der Elbe in eine Wasserleitung befördert. Nur ein kleiner Teil ist Grundwasser. So können bis zu 750 Kubikmeter stündlich für die Industrie in den Dresdner Norden gepumpt werden, was in Spitzenzeiten 18.000 Kubikmeter am Tag sind. Umgerechnet sind das 18 Millionen Ein-Liter-Flaschen. Die Brunnen sollen Anfang kommenden Jahres in Betrieb genommen werden, kündigt die Sprecherin an.

Ein Bild vom April dieses Jahres. Danny Ebermann (l.) und Benedikt Schillhahn vom Brunnenbau Wilschdorf hatten damals das nächste Rohr am Bohrgerät vorbereitet, das in einen der 15 neuen Brunnen hinabgelassen wurde. Mit den Anlagen soll Uferfiltrat der El
Ein Bild vom April dieses Jahres. Danny Ebermann (l.) und Benedikt Schillhahn vom Brunnenbau Wilschdorf hatten damals das nächste Rohr am Bohrgerät vorbereitet, das in einen der 15 neuen Brunnen hinabgelassen wurde. Mit den Anlagen soll Uferfiltrat der El © René Meinig

"2025 soll dann eine neue Wasserfassung im Ostragehege ebenfalls unaufbereitetes Rohwasser für den industriellen Bedarf bereitstellen", verweist sie auf den nächsten Schritt. "Im Juli gab es dazu die einheitliche Zustimmung des Stadtrats, was uns sehr freut."