Dresden. Hoch empor ragen die beiden Schornsteine des neuen Reicker Gasmotoren-Heizkraftwerks, das seit diesem Winter den Dresdnern einheizt. Derzeit ist das auch nötig. Schließlich erreichten die Kraftwerke an diesem Mittwoch bei minus acht Grad mit 640 Megawatt (MW) den bisherigen Heizrekord in diesem Jahr. Doch ein Problem ist das nicht, erklärt Rutger Kretschmer, der als Bereichsleiter Kraft & Wärme für die zuverlässige Versorgung der 120.000 Dresdner Wohnungen und 5.700 Geschäftsgebäude zuständig ist. Schließlich liegt die Spitzenleistung der Dresdner Kraftwerke bei bis zu 800 Megawatt. "Selbst unter extremen Bedingungen funktioniert die Versorgung zuverlässig", versichert er. Und das auf immer modernere Weise. Wofür das Reicker Innovationskraftwerk das beste Beispiel sei.
Das Innovationskraftwerk: Immer modernere Technik
"Wir sind hier im Maschinenraum der Energiewende", verweist Kretschmer auf verschiedene moderne Anlagen in Reick, die genau diese Wende ermöglichen. Deshalb sei der Standort 2015 vom Verband kommunaler Unternehmen zum Innovationskraftwerk gekürt worden.
Zwar war noch vor dem Winter vor Energieknappheit aufgrund des Ukrainekrieges gewarnt worden. "Deshalb hatten wir auch mehr leichtes Heizöl eingesetzt, um Gas zu sparen", sagt er. "Doch eine Gasknappheit haben wir jetzt nicht mehr."
Im älteren Reicker Kraftwerk treibt eine Dampfturbine einen Generator an, sodass schon dort effizient Strom und Wärme gewonnen werden kann, erklärt Sachgebietsleiter Gerd Bartschies, der für den Schichtbetrieb der 22 Mitarbeiter zuständig ist. Außerdem liefern zwei Dampferzeuger und eine Heißwasseranlage Wärme fürs Dresdner Fernwärmenetz.
Die Weltspitze: Energie zu über 90 Prozent ausgenutzt
Ende November vergangenen Jahres wurde das neue Gasmotoren-Heizkraftwerk in Betrieb genommen. "Die geplanten Baukosten von rund 95 Millionen Euro konnten wir auf den Punkt genau einhalten", erklärt Bereichsleiter Kretschmer. Die flexible, hochmoderne Anlage war von der finnischen Firma Wärtsilä errichtet worden. Sie hat acht Gasmotoren, die nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) 94 Megawatt Strom und 84 MW Fernwärme erzeugen. "Die Maschinen arbeiten sehr energieeffizient", sagt Sachsen-Energie-Projektleiter Thomas Doltze.
Die eingesetzte Energie kann mit einem Wirkungsgrad von über 90 Prozent ausgenutzt werden. "Das ist Weltspitze", sagt er. Die Effizienz wird durch mehrere Anlagen erreicht. So verdichten Turbolader in zwei Stufen die Luft für den Motor. Genutzt wird zudem ihre Abwärme sowie die des Kühlwassers und auch der Abgase, um Wasser für Dresdens Fernwärmesystem zu erhitzen.
Die Flexibilität: In fünf Minuten auf voller Leistung
Die hochmodernen Gasmotoren sind sehr flexibel und können schnell zu- oder abgeschaltet werden. "Sie können in fünf Minuten auf die volle Leistung hochgefahren werden", erklärt der Bereichsleiter. So ist es auch im Falle eines großflächigen Stromausfalls weiter möglich, die Bürger und die Wirtschaft der Stadt zu versorgen. In der Fachsprache nennt sich das Schwarzstartfähigkeit. Im Winter kann die Anlage etwa ein Viertel des Dresdner Wärmebedarfs decken.
Der Betrieb: Nur einige Zündkerzen ausgefallen
In zwei Hallen stehen jeweils vier Gasmotoren. Ein V-Motor hat 20 Zylinder, erklärt Doltze. "Es sind sehr gute Maschinen. Bisher ist keine ausgefallen." Lediglich einige Zündkerzen mussten bisher gewechselt werden.
Die Wärmespeicher: Kapazität verdoppelt
Hoch empor ragen 20 bereits 1995 errichtete Behälter, in denen bis zu 6.600 Kubikmeter warmes Wasser gespeichert werden kann. 2017 kamen 20 neue Türme hinzu, mit denen sich die Kapazität mehr als verdoppelt hat. Denn darin können 7.800 Kubikmeter gespeichert werden.
Mit den neuen Behältern kann viel mehr überschüssiges Heißwasser während Zeiten gespeichert werden, in denen es nicht benötigt wird. Drehen die Dresdner die Heizungen oder Wasserhähne wieder verstärkt auf, wird es weitergeleitet, so das Prinzip. Die Sachsen-Energie-Anlagen werden dadurch besser ausgelastet. Auch in Warmwasser umgewandelte grüne Energie aus Solar- oder Windkraftwerken kann so besser zwischengespeichert werden.
Der Solarstrom: Energie für Umwälzpumpen
Direkt neben den Wärmespeichern sind 4.080 Solarmodule auf einer Fläche von 5.000 Quadratmetern installiert. Zum Vergleich: Ein Fußballfeld ist über 7.000 Quadratmeter groß. In der Regel werden 600 Kilowatt Strom gewonnen, der für den Betrieb der Umwälzpumpen im Kraftwerk genutzt wird. Die befördern das auf über 120 Grad erhitzte Wasser ins 631 Kilometer lange Dresdner Fernwärmenetz.
Die Batteriespeicher: Stabilität fürs Stromnetz sichern
Ein weiteres innovatives Reicker Modellprojekt sind die Energiespeicher mit 50 Batterieschränken. Mit ihrem Speicherinhalt von 2,7 Megawattstunden könnten sie den Energieverbrauch eines Einfamilienhauses für ein Jahr decken, rechnet Bereichsleiter Kretschmer vor. Damit kann einerseits überschüssige Energie gespeichert und andererseits bei Spitzenverbräuchen wieder ins Stromnetz eingespeist werden. "Damit können wir die Stabilität im Stromnetz sichern", erklärt er.