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Retro-Bar "90sNutz" in Dresden-Neustadt eröffnet: Zurück in die 90er-Jahre

Im Kneipenviertel Dresden-Neustadt haben zwei Freunde eine Retro-Bar eröffnet. Im "90sNutz" werden Gäste in die Kultzeit der 90er-Jahre zurückgeworfen - zu David Hasselhoff, Diddlmaus und Blue Curacao.

Von Juliane Just
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Im 90er-Jahre-Fieber: Sarah Ann Harpeng und Philipp Reinsch haben die Kneipe "90s Nutz" in der Dresdner Neustadt eröffnet. Die Retro-Bar gibt dem kultigen Jahrzehnt ein Zuhause.
Im 90er-Jahre-Fieber: Sarah Ann Harpeng und Philipp Reinsch haben die Kneipe "90s Nutz" in der Dresdner Neustadt eröffnet. Die Retro-Bar gibt dem kultigen Jahrzehnt ein Zuhause. © Matthias Rietschel

Dresden. Die Lichter flackern kurz, machen dieses klirrende Geräusch und stellen sich dann auf Betriebstemperatur ein. Neonröhren in blau, lila und rosa tauchen den Raum in eine Farbe, die es so schrill nur in einem Jahrzehnt gab: in den 90er-Jahren. Von manchen verehrt, von anderen verhasst, sind die 90er-Jahre eben doch auch Kult. Und genau dieser Kult soll hier, im "90sNutz", gefeiert werden.

Begrüßt wird der Gast von einem David-Hasselhoff-Pappaufsteller. Für die jüngeren Leser zur Erklärung: Das ist der Mann, der die Berliner Mauer zu Fall gebracht hat. Angeblich. Außerdem findet man in der Retro-Bar alte Filmplakate - vom gehypten Kinodrama "Titanic" über den ewigen Schelm "Mr. Bean" bis hin zum verstörenden Thriller "Das Schweigen der Lämmer". Video- und Musikkassetten an den Wänden erinnern an Zeiten, als an das Smartphone und Netflix noch nicht zu denken war.

Inmitten all dieser Relikte stehen Sarah Ann Harpeng und Philipp Reinsch und können noch nicht ganz glauben, dass hiermit ein Traum wahr geworden ist. Die beiden sind Freunde, beide Anfang 30, beide eigentlich im Einzelhandel tätig. Sie lernten sich während der Ausbildung kennen, reisten gemeinsam. "Im Urlaub dachten wir oft: 'Wie cool wäre es eigentlich, wenn man eine Bar hätte?'" Es sei eine Spinnerei gewesen, jahrelang.

Schnapsidee der eigenen Bar wird über die Jahre konkreter

Doch irgendwann wurde die Schnapsidee konkreter. Der Name "Peanutz" kam ihnen in den Sinn. Zum einen, weil Erdnüsse, englisch Peanuts, in Ägypten meist zu jedem Getränk gereicht werden. Zum anderen, weil ein Dozent aus Leipzig das "s" immerzu als "z" aussprach. Die 90er-Jahre kamen hinzu, weil das die einzige Musikrichtung sei, auf die die Freunde sich einigen können. Außerdem waren sie in Prag mal in einer 80er- und 90er-Bar, die sie inspiriert hat.

Das "90sNutz" hat in der Alaunstraße in der Neustadt eröffnet, in der sich zahlreiche Bars und Lokale aneinanderreihen.
Das "90sNutz" hat in der Alaunstraße in der Neustadt eröffnet, in der sich zahlreiche Bars und Lokale aneinanderreihen. © Matthias Rietschel
Die Sticker auf den Tischen des "90sNutz" sind mitunter Raritäten vom Flohmarkt. Einige Sticker stammen aus den original Alben der Inhaber selbst.
Die Sticker auf den Tischen des "90sNutz" sind mitunter Raritäten vom Flohmarkt. Einige Sticker stammen aus den original Alben der Inhaber selbst. © Matthias Rietschel
Sarah Ann Harpeng präsentiert einen Cocktails aus der 90er-Karte. Er ist eine Kreation mit dem Schnaps "Kleiner Feigling", dem Likör "Blue Curacao" und Zitronensaft.
Sarah Ann Harpeng präsentiert einen Cocktails aus der 90er-Karte. Er ist eine Kreation mit dem Schnaps "Kleiner Feigling", dem Likör "Blue Curacao" und Zitronensaft. © Matthias Rietschel
Im "90sNutz" in der Neustadt wurde nichts dem Zufall überlassen. Gäste können hier an jeder Ecke in Erinnerungen schwelgen.
Im "90sNutz" in der Neustadt wurde nichts dem Zufall überlassen. Gäste können hier an jeder Ecke in Erinnerungen schwelgen. © Matthias Rietschel

Und dann, beide wohnten inzwischen in Dresden, kam irgendwann der Anruf. "Phili, wir machen die Bar auf!" Sarah Ann Harpeng war sich sicher, ihre ausgedachten Bar-Ideen nun wahr werden zu lassen. Warum so plötzlich? Anstoß war ein Unfall. Sarah Ann Harpeng musste sechs Wochen genesen, dachte über das Leben nach. "Ich habe mich gefragt: Ist mein Job erfüllend? Hat das alles Hand und Fuß?" Sie verneinte, dachte nach und rief dann Philipp Reinsch an - und der sagte zu.

Vom Businessplan über die Finanzierung bis hin zur eigenen Bar ging dann alles recht schnell. Das Lokal in der Alaunstraße 66, eine ehemalige Shisha-Lounge, fanden die beiden bei "Ebay Kleinanzeigen". Die beiden Jungunternehmer gingen auf die Suche nach Lavalampen, Gameboys und alten CDs und wurden auf Flohmärkten und in Ramschläden, ja sogar auf dem Dachboden der Eltern fündig.

Eröffnung des "90sNutz" in Dresden: "Ein richtig großes Herzensprojekt"

In Eigenleistung malerten, bastelten, klebten und gestalteten sie ihr erstes, eigenes Lokal. Selten funktionierten ihre Ideen so, wie geplant, "aber Plan C hat dann meistens funktioniert". Ein besonderer Hingucker sind die Tische, die aus mehr als 3.000 Stickern eine Art Wimmelbild ergeben. Stundenlang haben die beiden sie beklebt, einige Sticker stammen aus ihren eigenen Alben der Kindheit. "Wir haben hier vieles von Hand gemacht. Es ist ein richtig großes Herzensprojekt", sagt die 31-Jährige.

Doch nicht nur die Räume mussten gestaltet werden, auch der Kühlschrank wollte bestückt werden. Aber beide waren auf dem Gebiet unerfahren. "Man kann eine noch so schöne Bar haben. Wenn die Getränke nicht passen, wird es nichts", ist sich Sarah Ann Harpeng sicher. Sie besuchte deshalb einen Cocktailkurs in Berlin und kreierte für die Dresdner Bar Cocktails, die ebenfalls im 90er-Stil daherkommen - mit dem Schnaps "Kleiner Feigling" beispielsweise und dem Likör "Blue Curacao". Auch die gute alte Bowle gibt es, die früher auf keiner Party fehlen durfte.

Die beiden Neu-Gastronomen ergänzen sich bestens. Sie ist der flausige Ideenkopf, er der besonnene Kalkulierer. Sie stürzt sich kopfüber in die Arbeit, er behält erstmal noch seine Vollzeitstelle. Dass dieser kleine Traum auch zur finanziellen und mentalen Belastung werden kann, ist den beiden bewusst. Dass daran eine Freundschaft zerbrechen kann, auch. "Wir sind beste Freunde - und das bleibt auch so", sagt Sarah Ann Harpeng.

Sie müssen noch in die Rolle der Gastronomen hineinwachsen. Dafür haben sie sich ein recht hart umkämpftes Pflaster ausgesucht, denn in der Alaunstraße reiht sich ein Lokal ans andere. Der Standort sei Thema gewesen, doch die Neustadt stehe eben fürs Ausgehen. "Die Neustadt ist nunmal bunt und da haben wir am besten reingepasst." Hier könne man sich, beschallt von 90er-Hits, kennenlernen - zwischen Wolle Petry, Benjamin Blümchen und Werner.