Dresden
Merken

Magister der Meeresfrüchtekulinarik

Sein Name ist Programm: Volker Küchenmeister sorgt meisterhaft fürs kunstvolle Kredenzen Kastenmeiers Kochkünste. Dabei studierte er einst Politik - und ärgert sich heute über Dünkel.

Von Nadja Laske
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Hier im Kurländer Palais begann Volker Küchenmeisters gemeinsame Geschichte mit seinem Chef Gerd Kastenmeier. Der hat ihn förmlich vor der großen Politik gerettet.
Hier im Kurländer Palais begann Volker Küchenmeisters gemeinsame Geschichte mit seinem Chef Gerd Kastenmeier. Der hat ihn förmlich vor der großen Politik gerettet. © Marion Doering

Dresden. Eine Journalistenregel lautet: keine Spielerei mit Namen! Die Order gilt eisern. Es sei denn, ein Namensträger spielt von ganz allein. So wie Volker Küchenmeister, die gute Seele bei Kastenmeiers.

In Vorfreude auf den Valentinstag sitzt er im Barbereich der gerade wieder aktivierten Räumlichkeiten im Kurländer Palais und nimmt sich Zeit für einen Blick hinter die Küchenkulissen. Noch etwa neun Monate lang wird das Taschenbergpalais Kempinski renoviert. Deshalb zog der Gastronom Gerd Kastenmeier vorübergehend in sein früheres Lokal zurück. Dort pflegt er die liebgewordenen Traditionen weiter, so zum Beispiel das spezielle Valentinsmenü, das nun nicht nur am Abend, sondern auch mittags serviert wird.

Trifft man auf Volker Küchenmeister, erweitert sich die Erklärung des Feiertages für Verliebte auf besondere Weise. Plötzlich preist die Romanze nicht nur die Liebe zwischen Paaren ein, sondern auch die Liebe zum Beruf - so verliebt ist der zwar geborene, aber nicht gelernte Serviceleiter in das, was er seit 17 Jahren tut.

"Als 18-Jähriger auf der Krebsstation, das war echt schwer für mich"

So lange steht er schon in Kastenmeiers Dienst. Noch viel älter ist sein Faible für die Gastronomie. Das entdeckte er bereits als Schüler. "Meine Eltern waren nicht begeistert davon, dass ich Abitur mache", erzählt der 40-Jährige. So musste er sehen, wie er für seine persönlichen Wünsche zu Geld kam. Er begann zu kellnern, für das Catering der Lindenschänke zu arbeiten und lernte auf diesem Weg Gerd Kastenmeier kennen.

Koch oder Restaurantfachmann zu werden, das hatte er trotzdem nicht auf dem Schirm, wurde stattdessen Zivildienstleistender im Krankenhaus St.-Joseph-Stift: "Als 18-Jähriger auf der Krebsstation, das war echt schwer für mich." Im Anschluss studierte er Politikwissenschaften und Neuere und Neueste Geschichte an der TU Dresden und blieb die ganze Zeit über seinem Nebenjob treu. "Ich war politisch recht engagiert, da hatte mein Chef Sorge, ich könnte mich nach dem Studium beruflich für diese Richtung entscheiden."

Entsprechend folgte das Angebot, an einem großen Vorhaben mitzuwirken: Gerd Kastenmeier plante die Eröffnung seines Fischrestaurants im Kurländer Palais und wollte Volker Küchenmeister im Team haben. Da stand alles noch im Rohbau. Auf diese Weise kam ein ausstudierter Magister ins Management der Meereskulinarik.

"Jetzt werde ich in diesem Job bald volljährig", sagt Küchenmeister. In 18 Jahren hat er viel miterlebt - vor allem zahlreiche Gäste, solche, die kommen und gehen, und solche, die bleiben. Sie üben eine Art Sog auf ihn aus. "Da sitzt nicht nur irgendein Unbekannter vor mir. Ich will immer wissen, mit wem ich es zu tun habe." Und was er wofür tut - manchmal vielleicht mit zu hohem Anspruch.

An ein riesiges Catering zu Hans-Dieter Genschers 80. Geburtstag kann er sich noch gut erinnern: "Da habe ich am späten Abend heulend in der Ecke gesessen", erinnert er sich. Nichts war schiefgegangen, es gab keinerlei Beschwerden, im Gegenteil. "Aber ich hatte das Gefühl, dass das, was wir bieten, in dieser Veranstaltung überhaupt nicht zur Geltung kam." Der Jubilar ständig umringt, konnte sein Essen nicht genießen, es stand und wurde kalt.

"Immer mehr habe ich gemerkt, dass solche Großcaterings für mich nichts sind." Nun sitze er in Kastenmeiers "goldenem Käfig" und liebe ihn. Hier kann er alles herausstellen, was ihm an Qualität am Herzen liegt und Menschen umsorgen, von denen ihm über die Jahre viele zu Freunden geworden sind. "Das ist generell unser Credo: Wenn aus Gästen Freunde werden..." Dann sitzen von insgesamt 30 Gästen zu Küchenmeisters Geburtstag zehn am Tisch, die er im Gastraum kennengelernt hat.

Aushilfsjob in einer Wurstfabrik

"Ich interessiere mich einfach für Menschen", sagt er. Sogar für solche, die nach Auskunft über Volker Küchenmeisters Studienabschluss erstaunt sagen: "Oh, da kann man sich mit Ihnen ja richtig unterhalten!" Dieser Dünkel ärgert ihn. Genau so wie die Behauptung, in der Gastronomie könne jeder arbeiten, dafür brauche es nicht viel. Das stimmt nicht, und im Gegenzug brauchen viele gute Gastronomie - Gast wie Gastronom.

An die Zeit, in der der Gastronom den Gast vermissen und seine Gastlichkeit auf Eis legen musste, denkt der Serviceleiter mit Grausen. Sich so unausgelastet und unerheblich zu fühlen, war hart für ihn. "Als dann der richtig lange Lockdown ab 2. November 2020 anfing, wusste ich: So geht es für mich nicht weiter."

Volker Küchenmeister suchte sich einen Aushilfsjob - in einer Wurstfabrik. "Ich dachte, das hat wenigstens ganz entfernt mit meiner Arbeit zu tun." Nun ja, zunächst eher weniger, in der Verpackungsabteilung, verschiedene Wurstsorten kombinieren oder Knacker verpacken: eins, zwei, drei, zu. "Da war ich am Ende und habe mich in die Fleischzerlegung versetzen lassen."

Das ist nun längst vorbei und hat doch Lebenserfahrung hinterlassen, so wie Abi, Zivizeit, Studium und all die vielen Projekte im Restaurantbetrieb. Besagte herzerwärmende Herausforderung steht bevor: der Valentinstag mit Jakobsmuschel, Steinbutt und Schokoladenmousse, in leichter Abwandlung auch beim Sonntagsbrunch zu genießen. Dann fühlt sich Volker Küchenmeister wieder voll in seinem Metier. Irgendwie ist für ihn jeder Tag ein Valentinstag.