Freischalten Freischalten Update Sachsen
Merken

Grünes-Gewölbe-Prozess: Der "Meisterdieb" und seine Widersprüche

Im Prozess um den Einbruch ins Grüne Gewölbe Dresden könnte Wissam Remmo am meisten berichten. Doch der 26-jährige Angeklagte ziert sich.

Von Alexander Schneider
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Er habe Geld gebraucht, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren – das gibt Wissam Remmo als Motiv für eine Beteiligung am Einbruch in das Grüne Gewölbe an.
Er habe Geld gebraucht, um seinen Drogenkonsum zu finanzieren – das gibt Wissam Remmo als Motiv für eine Beteiligung am Einbruch in das Grüne Gewölbe an. © xcitepress

Dresden. Wenn man dem selbst ernannten „Meisterdieb“ Wissam Remmo glaubt, ging es bei dem Jahrhundertdiebstahl des sächsischen Staatsschatzes am 25. November 2019 in Dresden um schnöde Beschaffungskriminalität. Er habe täglich Kokain konsumiert und Geld für Drogen gebraucht. So hat sich der 26-jährige Angeklagte am Dienstag am Landgericht Dresden von seinem Verteidiger zitieren lassen.

Das passt jedoch nicht zu anderen Ergebnissen des Prozesses, zur Vorgeschichte des Angeklagten und seinen eigenen Aussagen. Denn der 26-jährige Berliner hat von Anfang an eine Schlüsselrolle unter den insgesamt sechs Angeklagten in dem Verfahren inne. Wissam Remmo war bereits im März 2017 am Diebstahl der zwei Zentner schweren Goldmünze „Big Maple Leaf“ aus dem Bode-Museum beteiligt – auch deswegen war der Berliner Remmo-Clan schnell ins Visier der Dresdner Ermittler geraten.

Wissam Remmo räumte ein, die akkubetriebene Hydraulikschere der Erlangener Firma Lukas, wie sie beim Einbruch ins Grüne Gewölbe genutzt wurde, gestohlen zu haben. Nur aus Angst, Spuren könnten auf ihn zurückführen, habe er das Gerät noch vor dem Dresdner Einbruch in die Spree geworfen. Das Fenstergitter habe er dann wenige Tage vor dem eigentlichen Einbruch mit einer „geliehenen“ vergleichbaren Lukas-Schere durchtrennt.

Befragung zum Feuer im Pegelhaus der Augustusbrücke

Am Dienstag berichtete der Angeklagte außerdem, als erster von den beiden noch unbekannten Haupttätern, „darunter dem Planer des Einbruchs“, in das Vorhaben eingeweiht worden zu sein. Das soll bereits Anfang 2019 gewesen sein, als man es noch auf den fast 50 Karat schweren „Grünen Diamanten“ im Dresdner Residenzschloss abgesehen habe. Umso rätselhafter ist, warum ausgerechnet „der Meisterdieb“ nicht selbst im Historischen Grünen Gewölbe gewesen sein, sondern stattdessen den Brand im Pegelhaus der Augustusbrücke gelegt haben will.

Sie hätten an der Augustusbrücke gezielt nach Stromverbindungen gesucht, weil beabsichtigt gewesen sei, durch einen Brand die Stromzufuhr im nahen Residenzschloss zu unterbrechen. Von einem größeren Stromausfall in Berlin-Köpenick wisse man, dass Kabelstränge auf Brücken gebündelt würden. Im Februar 2019 war es bei Bauarbeiten auf der Salvador-Allende-Brücke zu der Havarie gekommen.

Wissam Remmo sagte, er habe durch einen Spalt ins Pegelhaus der Augustusbrücke geleuchtet und Schaltschränke erkannt. Tatsächlich wurde durch den Brand die Straßenlaternen ausgeknipst. Von einer autarken Stromversorgung des Residenzschlosses habe man nichts gewusst.

In seinem Geständnis hatte der vielfach vorbestrafte 26-Jährige schon im Januar ausgesagt, nach dem Einbruch ins Bode-Museum habe er erstmals Anerkennung erlebt: „Ich war der Meisterdieb“. Er sei bewundert und oft eingeladen worden. Derart berauscht von sich selbst sei er auch zum Kokain gekommen. Er habe es täglich genommen, auch während des Einbruchs in Dresden. Wegen dieses Drogenkonsums hat das Gericht eine psychiatrische Begutachtung veranlasst, um eine Auswirkung auf Schuld- und Steuerungsfähigkeit zu klären. „Steuerungsfähig“ muss Wissam Remmo gewesen sein. Er sagte, er habe den Flucht-Audi in die Tiefgarage gefahren.

Wissam selbst ließ nur seine beiden Verteidiger sprechen. Zwei Fragenkomplexe des Gerichts hatten die Anwälte zuvor mit ihrem Mandanten in gut halbstündigen Unterbrechungen ausgearbeitet. Bei den interessanteren Fragen, man ahnt es, verwiesen die Verteidiger auf Erinnerungslücken ihres Mandanten oder darauf, dass er Dritte nicht belasten brauche, was ihm die Jugendkammer wie allen vier Angeklagten, die an der Verfahrensverständigung mitwirken, zugesichert hatte.

Nach wie vor behaupten die vier geständigen Angeklagten, dass sie mit zwei weiteren, bislang unbekannten Komplizen den Einbruch durchgezogen hätten. Die beiden, sie werden gerne "X" und "Y" bezeichnet, sollen deutlich tiefer in die Tatplanung und Umsetzung verstrickt sein, als sie selbst.

Interessant an Wissam Remmo ist, dass er als erster von einem der angeblichen Haupttäter angesprochen worden sei. Das spricht für seine herausgehobene Position - aber passt nicht dazu, dass er "nur" den Brand im Pegelhaus gelegt, Beute verladen und den Flucht-Audi gefahren haben will. Dass sich der 26-Jährige von der Tat, dem Diebstahl von 21 Diamanten- und Juwelen-Garnituren aus dem Grünen Gewölbe, "Geld für Kokain" versprochen habe, dürfte Staatsanwälten wie Hohn vorgekommen sein.

Die Befragung des Angeklagten wird am Freitag fortgesetzt. Das Gericht wird noch einige Fragen haben, deutlich mehr sind wohl von der Staatsanwaltschaft zu erwarten, die schon Anfang Februar das Frage-Prozedere des Gerichts kritisiert und auf zahlreiche Widersprüche in den Angaben der Angeklagten hingewiesen hatte.

Das Gericht hofft auf ein Ende des Prozesses um den Einbruch ins Grüne Gewölbe noch vor Ostern.