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Verdrängen hohe Mieten die Friedrichstädter aus ihrem Stadtteil?

Wegen Neubau und Sanierung steigen die Mieten in der Dresdner Friedrichstadt. Konflikte sind die Folge, sagt Sozialarbeiter Gero Hoffmann.

Von Christoph Pengel
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Links Altbau, rechts Neubau: Dieser Architekturmix ist in der Dresdner Friedrichstadt an vielen Stellen zu beobachten. Sozialarbeiter Gero Hoffmann gefällt das nicht.
Links Altbau, rechts Neubau: Dieser Architekturmix ist in der Dresdner Friedrichstadt an vielen Stellen zu beobachten. Sozialarbeiter Gero Hoffmann gefällt das nicht. © Marion Doering

Dresden. Geht man mit Gero Hoffmann durch die Friedrichstadt, gibt es kaum ein Grundstück, zu dem er nicht die Geschichte kennt. Hier eine Fläche, auf der bald neue Wohnungen entstehen. Dort ein grauer Neubau, wo früher noch Kinder auf einem großen Spielplatz tobten. "Da kommt schon Melancholie auf", sagt Hoffmann, der seit 15 Jahren als Sozialarbeiter in der Friedrichstadt unterwegs ist.

Früher, erzählt Hoffmann, sei die Friedrichstadt "der vergessene Stadtteil" gewesen. Häuser verfielen zu Ruinen, Unternehmer investierten ihr Geld lieber auf der anderen Seite der Bahngleise. Das ist längst vorbei. Kaum ein Stadtteil ist in den vergangenen Jahren so gewachsen wie die Friedrichstadt. Doch laut Hoffmann hat das Folgen. "Wenn man den Investoren Wildwuchs erlaubt, dann treibt's die Preise hoch."

Die Folge der Folge: Friedrichstädter, die sich die Mieten nicht mehr leisten können, ziehen weg. Als Sozialarbeiter registriert Hoffmann diesen Wandel spätestens dann, wenn ihn Anwohner, die er lange kannte, nach einem Umzug plötzlich aus Prohlis oder Gorbitz anrufen. In der modernisierten Friedrichstadt konzentrieren sich dagegen mehr und mehr Gutverdiener.

Stadtverwaltung untersucht gefährdete Gebiete

Diese Entwicklung, oft als Gentrifizierung bezeichnet, beschäftigt nun auch die Dresdner Lokalpolitik. Die Stadt hat jüngst eine Studie veröffentlicht, in der untersucht wurde, ob und wo Verdrängungseffekte in Dresden zu beobachten sind. In der Friedrichstadt stehen demnach die Löbtauer Straße und das Ostragehege im Fokus. Dort sieht die Verwaltung eine intensive Baudynamik, verbunden mit hohem Mietdruck auf Anwohner. Die Stadt will nun prüfen, ob die Gebiete unter Milieuschutz gestellt werden sollten.

Milieuschutz bedeutet unter anderem, dass Immobilienbesitzer Genehmigungen brauchen, wenn sie Mietwohnungen in Kanzleien, Praxen oder Luxus-Appartements umwandeln wollen. Für Brachflächen könnte sich die Stadt zudem das Vorkaufsrecht sichern, um zu verhindern, dass Investoren die Grundstücke erwerben. Während die Verwaltung bislang nur wenige und sehr kleine Gebiete in Betracht zieht, geht das einigen Stadträten nicht weit genug. Sie fordern, dass größere Areale wie das Hechtviertel, Pieschen-Süd und die Friedrichstadt unter Schutz gestellt werden.

In der Kita wird jetzt mehr gestritten

Auch Gero Hoffmann ist dafür. Allein schon aus optischen Gründen. Mit den Neubauten hätten sich "langweilige Fassaden" im Viertel breit gemacht. Und das neben den hübschen Altbauwänden. "Ich verstehe das nicht", sagt er. An der Adlergasse, in der Vorwerkstraße - überall dieser Architekturmix. "Eine Aufwertung ist das nicht unbedingt", sagt er. Doch es geht nicht nur um Häuser und Wände.

Gero Hoffmann sagt, dass sich die Anwohnerschaft durch den Zuzug verändert habe. Und damit auch die Konflikte, zum Beispiel in der Kita. Dort hätten Eltern und Mitarbeiter zuletzt mehr über Erziehungsmethoden gestritten. Einigen sei der Umgang in der Kita zu rabiat gewesen. Auch über gesunde Ernährung werde nun häufiger diskutiert, wobei man das auch als Fortschritt werten könne, wie Hoffmann einräumt.

Hoffmann hat auch nichts dagegen, wenn brachliegende Flächen wie die am Ostra-Vorwerk ein neues Antlitz erhalten. Auf dem Gelände an der Friedrichstraße rollen derzeit die Bagger. Geplant seien unter anderem neue Wohnhäuser. Zwar hätten sich Nachbarn zunächst über die avisierte Höhe der Gebäude beschwert. Aber nun habe man einen Kompromiss gefunden, sagt Hoffmann, die Häuser sollen weniger Etagen erhalten als ursprünglich geplant.

Friedrichstädter können an Umfrage teilnehmen

Diese Art von Konflikt hält Hoffmann durchaus für produktiv. Als Sozialarbeiter sieht er seine Aufgabe darin, Anwohner zu unterstützen, wenn sie Engagement für ihr Viertel zeigen. Netzwerke aufbauen, Bürgerdialoge anregen. "Das ist mein Job", sagt er. Vor ein paar Jahren war er noch Ansprechpartner im "Eckladen", einem Stadtteiltreff, den der Träger Outlaw an der Wachsbleichstraße anmietete. Dann verkaufte der Vermieter die Räume, der "Eckladen" musste schließen. Jetzt sitzt Hoffmann übergangsweise an der Vorwerkstraße, sucht aber nach einem Ort für einen neuen Laden.

Ob der Milieuschutz nun kommt oder nicht: Die Friedrichstädter hätten es in der Hand, das Leben in ihrem Viertel zu verbessern, meint Hoffmann. So könnten sie sich zum Beispiel an einer Umfrage der Stadt beteiligen. Die Verwaltung will von den Friedrichstädtern wissen, welche sozialen Angebote sie sich wünschen. Die Umfrage läuft noch bis Freitag, 4. März.