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Neubau und Sanierung: Verdrängen hohe Mieten Dresdner aus ihren Vierteln?

Die Stadt erwägt, Modernisierungs- und Neubauprojekte in bestimmten Stadtteilen genau zu prüfen. Wo der Verdrängungsdruck am höchsten ist.

Von Sandro Pohl-Rahrisch
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Wohnungsmodernisierungen und Neubauten treiben die Mietpreise nach oben. Wie lange halten Mieter das durch?
Wohnungsmodernisierungen und Neubauten treiben die Mietpreise nach oben. Wie lange halten Mieter das durch? © dpa/Arno Burgi (Archiv)

Dresden. Dresden hat sich schick gemacht: Baulücken sind geschlossen worden, einst verfallene Häuser glänzen heute mit hellen Fassaden. Diese "Veredelung" hat ihren Preis. Zu zahlen ist er in Form von Mieten. Jede Modernisierung, jeder Neubau treibt die Preise nach oben. Und was passiert mit den Bewohnern?

Wer es sich leisten kann, bleibt. Wer nicht, zieht um. Ein Ungleichgewicht droht – Gutverdiener sammeln sich in modernisierten Vierteln, Geringverdiener konzentrieren sich in weniger schicken Gegenden, in denen dann mehr günstigere Wohnungen gebraucht werden. Diese Entwicklung droht auch in Dresden, wie eine neue Untersuchung zeigt.

Worum geht es in der Studie?

Die Stadtverwaltung hat selbst untersucht, wo sich baubedingt in Zukunft ein soziales Ungleichgewicht entwickeln könnte. Dieses sogenannte Screening soll der Stadt bei der Einschätzung helfen, ob bestimmte Viertel vor übermäßiger Modernisierung und Neubautätigkeit geschützt werden müssen, damit angestammte Mieter nicht in Größenordnungen verdrängt werden.

Was Verdrängungseffekte angeht, die bereits stattgefunden haben oder schon länger laufen, so sei das gewählte Screening-Modell nur sehr bedingt geeignet, stellt die Stadt selbst fest. Allerdings zeige das Modell sehr gut, wo es aktuell zu Verdrängung, Neubau und Modernisierung kommt.

Welche Gebiete sind gefährdet?

Für die Bereiche Altlöbtau sowie Löbtauer Straße/Ostragehege sieht die Dresdner Stadtverwaltung einen großen Verdrängungsdruck auf angestammte Mieter. Dort sei auch die Baudynamik hoch.

Indizien für einen erhöhten Verdrängungsdruck gebe es darüber hinaus in der Inneren Altstadt, der Inneren Neustadt im Bereich Hoyerswerdaer Straße sowie in Pieschen-Nord im Bereich Riesaer Straße. Was die Altstadt angeht, so erkläre sich das hohe Investoreninteresse durch die zentrale Lage, erläutert die Stadtverwaltung. Bei den restlichen Bereichen handle es sich um Quartiere mit vielen Gründerzeithäusern und größeren Freiflächen, die Chancen für eine Nachverdichtung bieten würden.

Zwar gebe es diese gefährdeten Gebiete, so die Stadt. Dort sei allerdings nicht damit zu rechnen, dass es zu vielen weiteren Bauprojekten und Modernisierungen kommt. Das sogenannte Aufwertungspotenzial sei nicht hoch. Auch die Zahl der Einwohner, die etwa aufgrund von Arbeitslosigkeit oder weil sie alleinerziehend sind von einer Verdrängung bedroht sind, sei in den genannten Bereichen nicht hoch.

Wie sieht es in Prohlis und Gorbitz aus?

Das größte Bau- und Modernisierungspotenzial sieht die Stadt im südlichen Gorbitz, im Plattenbauviertel am Jägerpark sowie im nördlichen Prohlis. Dort gebe es auch viele Menschen, die verdrängt werden könnten. Aktuell zeigten sich in den genannten Gebieten aber keine großen Investitionen oder Verdrängungen. Alle Ergebnisse finden Sie hier.

Was passiert jetzt mit den Ergebnissen?

Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) soll prüfen, ob in Dresden sogenannte soziale Erhaltungssatzungen notwendig sind, die die Konzentration von Geringverdienern und Gutverdienern in verschiedenen Stadtteilen aufgrund von Bauprojekten verhindern. Passieren kann das zum Beispiel über Vorkaufsrechte der Stadt für freie Grundstücke sowie Einzelfallprüfungen. In dieser ersten Untersuchung gehe es darum, "Verdachtsgebiete" zu identifizieren, in denen solche Erhaltungssatzungen nötig sein könnten.

Für die beiden Bereiche Löbtauer Straße/Ostragehege und Altlöbtau sollen nun detailliertere Untersuchungen vorgenommen werden. Konkret geht es darum herauszufinden, ob und in welchen räumlichen Grenzen soziale Erhaltungssatzungen erlassen werden könnten. Darüber hinaus schlägt die Verwaltung dem Stadtrat vor, das gesamtstädtische Screening mit den Daten für das Jahr 2022 zu wiederholen.

Gab es in Dresden schon einmal soziale Erhaltungssatzungen?

Nein. Dresden hat dieses Instrument bisher nicht angewendet und musste daher zunächst auf andere Städte schauen, um mit den ersten Analysen beginnen zu können. "Von besonderem Wert waren dabei die Erfahrungen der Stadt München, in der das Instrument seit Mitte der 1980er Jahre angewendet wird", so die Verwaltung.

Sehr wertvoll seien auch die in Leipzig recherchierten Erkenntnisse gewesen, da dort 2017 mit der Umsetzung eines Prüfverfahrens begonnen wurde. Im Sommer 2020 sind in der Messestadt schließlich erstmals sechs Gebiete unter Schutz gestellt worden.