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Wann muss das Dresdner Rathaus das "Pirnaische Tor" räumen?

Aktuell arbeiten 700 städtische Mitarbeiter in dem alten Robotron-Gebäude am Pirnaischen Platz. Ende 2025 sollte der Mietvertrag auslaufen. Jetzt droht Ärger.

Von Dirk Hein
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Das Pirnaische Tor an der Grunaer Straße: Noch bis Ende 2025 sind hier knapp 700 Rathaus-Mitarbeiter untergebracht.
Das Pirnaische Tor an der Grunaer Straße: Noch bis Ende 2025 sind hier knapp 700 Rathaus-Mitarbeiter untergebracht. © Sven Ellger

Dresden. Das blaue Bürohaus am Pirnaischen Platz ist das letzte weithin sichtbare Relikt des einstigen Robotron-Areals direkt in der Dresdner Innenstadt. Während das Robotron-Rechenzentrum und ein Atrium Gebäude längst abgerissen sind, hat das an der Kreuzung Grunaer/St. Petersburger Straße gelegene "Pirnaische Tor" eine Galgenfrist bis Ende 2025 erhalten.

Warum steht das Haus noch?

Knapp 700 Rathaus-Mitarbeiter, unter anderem aus dem Umweltamt und dem Stadtplanungsamt, sind momentan noch in dem in die Jahre gekommenen Bürohaus untergebracht. Der Mietvertrag für die Büros wäre planmäßig Mitte 2019 ausgelaufen. Die TLG Immobilien AG als Eigentümer hatte ursprünglich geplant, die Gebäude bereits Ende 2019 abzureißen und anschließend komplett neu zu bauen. Eine Sanierung des Bauwerkes der DDR-Ostmoderne kam für die TLG dabei nicht in Betracht. Die Gebäudesubtanz sei zu schlecht.

Weil das Rathaus am Külz-Ring noch über viele Jahre saniert wird, das neue Rathaus am Ferdinandplatz aber wohl erst 2025 fertig wird, hätten für die Rathaus-Mitarbeiter in dieser Übergangszeit Container angemietet werden müssen. Das konnte vermieden werden. Nach langen Verhandlungen einigten sich Stadt und TLG auf eine Verlängerung des Mietvertrages bis Ende 2025. "Damit haben wir Planungs- und Handlungssicherheit und können den Bau unseres neuen Verwaltungszentrums am Ferdinandplatz konzentriert vorbereiten", sagte OB Dirk Hilbert (FDP) dazu im Sommer 2018.

Worüber wird jetzt gestritten?

Ganz reibungslos läuft dieser Mietvertrag aktuell jedoch nicht. Hintergrund: Die TLG will spätestens 2026 den alten Robotron-Riegel abreißen lassen und einen Neubau errichten. Über das konkrete Aussehen werde im Rahmen eines Architekturwettbewerbs entschieden. Die Ergebnisse sollen in den Bebauungsplan einfließen, der aktuell entworfen wird.

Und exakt dabei gibt es Reibereien. Im Bauausschuss wurde in zwei Lesungen über Entwurf und Offenlage des Planes gerungen. Viele Räte zeigten sich unzufrieden mit den Ideen der TLG, eine Mehrheit für das Vorhaben war unsicher. Gleich mehrfach hat die Stadt dabei gegenüber den Räten deutlich gemacht, dass wichtige Fristen zu halten sind.

Mehrere Teilnehmer berichteten: Sollte der Bebauungsplan bis Ende des Jahres nicht in trockenen Tüchern sein, würde die TLG laut Stadtverwaltung ein vereinbartes Kündigungsrecht ziehen können. Die Folge: Der Vertrag würde eher gekündigt, die Mitarbeiter müssten wohl in Container umziehen.

Wie reagieren die Beteiligten?

Das Rathaus antwortet auf Nachfragen reserviert. Die wichtigste Botschaft aus dem Amt für Hochbau und Immobilienverwaltung zum Mietverhältnis Pirnaisches Tor: "Ja, es wurde ein Sonderkündigungsrecht vereinbart" und Nein: "Eine Kündigung zum Ende dieses Jahres wurde nicht angezeigt." Entsprechend würden alternative Möglichkeiten der Unterbringung derzeit nicht untersucht. Die TLG als Eigentümerin ließ eine Anfrage bisher unbeantwortet.

"Wenn alles so geschehen ist, wie es durch die Verwaltung im Bauausschuss geschildert wurde, dann ist es ein Skandal, dass versucht wird, uns unter Druck zu setzen. Dies ginge in den Grenzbereich der Nötigung", sagt Stadtrat Tilo Wirtz (Linke). Zumal der Bauexperte der Linken einiges an den Neubauplänen auszusetzen hat. "Das Gebäude ist ein Fremdkörper im Stadtraum. Die geplanten Büroflächen werden die Innenstadt nicht beleben."

Kritik kommt auch von der AfD: "Das Haus direkt im Zentrum wird das Stadtbild in den nächsten Jahrzehnten prägen. Der Rat sollte sich hier soviel Zeit nehmen, wie er braucht, um einen ansehnlichen Entwurf auf den Weg zu bringen. Ich lasse mich dabei nicht erpressen", so Thomas Ladzinski.

Der Glasbrunnen von Leonie Wirth soll auch vom geplanten Neubau nicht verdeckt werden.
Der Glasbrunnen von Leonie Wirth soll auch vom geplanten Neubau nicht verdeckt werden. © Sven Ellger
Die Robotron-Kantine soll erhalten bleiben, die genaue Nutzung ist noch unklar.
Die Robotron-Kantine soll erhalten bleiben, die genaue Nutzung ist noch unklar. © Sven Ellger

Was sind die nächsten Schritte?

Mit knapper Mehrheit hat der Bauausschuss dennoch die Weichen weiter in Richtung Neubau gestellt, aber mit Arbeitsaufträgen verbunden. "Mir ist bewusst, dass unser beschlossener Forderungskatalog aus Änderungswünschen bei der TLG keine Jubelschreie auslösen wird. Den Konflikt muss aber die Verwaltung aushalten", sagt CDU-Stadtrat Mario Schmidt.

Einer der zentralen Beschlüsse, der in den folgenden Monaten vor der finalen Abstimmung über den Bauplan umgesetzt werden muss: Der Neubau muss um eine Etage eingekürzt werden. Außerdem muss der Denkmalschutz stärker beachtet werden. So sichert ein weiterer Beschlusspunkt ab, dass der wertvolle Glasbrunnen von Bildhauerin Leoni Wirth von dem Bauprojekt nicht in den Hintergrund gerückt werden darf. Vereinfacht gesagt soll der Neubau mehr Abstand zum Brunnen halten, als bisher angedacht war.

Vor dem geplanten Abriss des Robotron-Riegels soll zudem das Zierfries, welches sich um das Gebäude zieht, geborgen und anschließend möglichst in den Neubau integriert werden. Auf Antrag der Dissidenten muss weiterhin geprüft werden, ob eine Renaturierung des Kaitzbaches, der durch das Baugebiet fließt, möglich ist.

Was kann noch dazwischen kommen?

Über die Umsetzung all dieser Forderungen wird abschließend noch einmal im Rat abgestimmt. Sollte er dann wieder zögerlich sein, könnte ein Sonderkündigungsrecht erneut eine Rolle spielen.

Gebaut wurde das Pirnaische Tor zwischen 1969 und 1972. In dem Haus war früher die Leitung des Robtron-Kombinats untergebracht. Das Haus sowie das Atrium I, in dem sich die Cityherberge befindet, und die ehemalige Robtron-Kantine sind die einzigen baulichen Reste des ehemaligen DDR-Elektronikunternehmens.

Während der Abriss des Pirnaischen Tores beschlossen ist, soll die Robotron-Kantine weiterhin gerettet werden. Der im Rat getroffene Beschluss zum Ankauf existiert weiterhin, allerdings fehlen momentan die notwendigen Gelder und eine konkret geforderte Summe. Aufgrund mehrfacher Wechsel der Besitzer gab es in der Vergangenheit dazu keine konkreten Verhandlungen.

Noch immer sind verschiedene Nutzungen denkbar. Im letzten Sommer erwachte der Bau kurzzeitig zu echtem Leben - mit Kunstwerken verziert wurde er von der Ostrale genutzt.