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Hochwasser sorgt für Toiletten-Ausfälle in Dresden

Eine Baugrube muss geflutet werden, ein Kanal bricht ein und sorgt dafür, dass Toiletten nicht mehr funktionieren: Das Hochwasser hält die Dresdner Stadtentwässerung auf Trab.

Von Peter Hilbert
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Frank Schönstädt (l.) und Geschäftsführer Ralf Strothteicher haben in der Kaditzer Baugrube allerhand zu tun.
Frank Schönstädt (l.) und Geschäftsführer Ralf Strothteicher haben in der Kaditzer Baugrube allerhand zu tun. © Stadtentwässerung Dresden

Dresden. Frank Schönstädt steht in einer riesigen Baugrube, deren stählerne Wände elf Meter emporragen. Sie liegt direkt neben der Kaditzer Grimmstraße. Hier wird gerade ein 365 Meter langer Rohrtunnel bis zur Flutrinne und unter ihr hindurch zum Klärwerk gebaut. Und bis Dienstag war die Grube noch teilweise überflutet.

Jetzt ist das Wasser raus. Der Wilsdruffer Niederlassungschef der Spezial-Tiefbaufirma Braumann nutzt die Chance, bevor die Elbe wie angekündigt wieder weit über fünf Meter steigt.

Wie fast jeden Tag seit Weihnachten ist er hier vor Ort, um sich ein Bild von der Lage zu machen und die nächsten Schritte abzustimmen. Schließlich ist das Großprojekt der Stadtentwässerung Dresden, an dem seine Spezialtiefbauer arbeiten, stark vom Hochwasser betroffen. Deshalb geht dort derzeit nichts mehr - nicht der einzige Ort in der Stadt, an dem das Hochwasser die Stadtentwässerung auf Trab hält.

55 Tonnen schwere Teile sichern den Boden der Baugrube

Der 365 Meter lange Rohrtunnel, der hier gebaut wird, ist Teil des Industriesammlers Nord, der seit Sommer 2023 errichtet wird. Damit werden die Mikroelektronik-Betriebe im Dresdner Norden einen zehn Kilometer langen Anschluss ans Klärwerk Kaditz erhalten. Der Rohrtunnel ist fast fertig. Nur das letzte, fünf Meter lange Stück muss noch mit zwei Hydraulikpressen in die Erde gedrückt werden.

Mit schweren Kanalrohren und Säcken wird der Boden der Baugrube in Dresden-Kaditz vor einem Auftrieb geschützt.
Mit schweren Kanalrohren und Säcken wird der Boden der Baugrube in Dresden-Kaditz vor einem Auftrieb geschützt. © Stadtentwässerung Dresden

„Ab dem 22. Dezember mussten wir alles auf das Hochwasser vorbereiten“, erklärt Projektleiter Schönstädt. Pumpen werden vom Grubenboden abgebaut, damit sie nicht überflutet werden. Zudem werden insgesamt 55 Tonnen schwere Stahlbetonrohre und Säcke eingehoben, um den Grubenboden vor Auftrieb zu sichern. Immerhin steht das Wasser hinter den Stahlwänden vier Meter hoch.

Um noch mehr Last auf den Boden zu bringen, wird die Grube im ersten Schritt einen Meter hoch geflutet. Doch das reicht nicht. „Während der Weihnachtsfeiertage haben wir dann entschieden, die Pumpen ganz abzuschalten“, sagt Schönstädt. Das Wasser steigt auf zwei Meter. Damit es nicht in den Rohrtunnel läuft, wird die große Öffnung mit Hölzern und Bauschaum verschlossen.

Jetzt sorgen die Tunnelbauer noch besser vor. Polier Enrico Vogel hat mit einem Kollegen eine stählerne Platte zugeschnitten, mit der die Öffnung des insgesamt zwei Meter hohen Rohrs verschlossen wird. „Bis Donnerstagmittag werden wir noch arbeiten, nachmittags müssen wir die Grube wieder fluten“, erklärt der Projektleiter.

Schotten dicht in den Kanälen an der Elbe

„Das Hochwasser hat uns in den vergangenen beiden Wochen stark beschäftigt. Es hat aber alles gut funktioniert“, sagt Geschäftsführer Ralf Strothteicher von der Stadtentwässerung. Es gibt einen Hochwasserschutzplan, in dem alles genau geregelt ist. Ab einem Elbpegel von 2,96 Metern beginnen die ersten Schritte.

Die Schotten am Altstädter Abfangkanal sind dicht. Steigt die Elbe an, schließen dieser und weitere Hochwasserschieber und schützen damit die Kanäle.
Die Schotten am Altstädter Abfangkanal sind dicht. Steigt die Elbe an, schließen dieser und weitere Hochwasserschieber und schützen damit die Kanäle. © Stadtentwässerung Dresden

So werden zunächst Hochwasser-Absperrschieber geschlossen. Etwa 50 Stück von ihnen enthält der Einsatzplan der Stadtentwässerung derzeit.

Pump-Anlagen sind scharfgeschaltet

Allerdings soll auch bei Starkregen und Hochwasser das an den Überläufen abgesperrte Kanalnetz weiter funktionieren. „Deshalb haben wir auch unsere Hochwasser-Pumpwerke scharfgeschaltet“, verweist Strohteicher auf den nächsten Schritt. Denn dann strömt deutlich mehr durch Regen- oder Grundwasser stark verdünntes Abwasser durch die Hauptkanäle. Hochwasser-Pumpwerke sollen sie vor dem Kollaps schützen.

Bis 2002 gab es für diesen Extremfall nur das Hochwasserpumpwerk im Klärwerk Kaditz. Vier bis zu 97 Jahre alte Regenwasserpumpen können dort bis zu 18.000 Liter je Sekunde in die Elbe pumpen.

Rund 18 Millionen Euro hat die Stadtentwässerung nach 2002 für zwei weitere derartige Anlagen investiert, davon 14 Millionen für das leistungsfähigste Hochwasserpumpwerk für den Altstädter Abfangkanal am Käthe-Kollwitz-Ufer. Dort können im Ernstfall bis zu 18.000 Liter je Sekunde über einen 270 Meter langen Auslaufkanal in die Elbe gepumpt werden. Doch nötig war das dieses Mal nicht, erklärt Strothteicher.

Ein Blick ins 2010 fertiggestellte Hochwasserpumpwerk Johannstadt. Dort können im Ernstfall bis zu 18.000 Liter Abwasser je Sekunde in die Elbe gepumpt werden. Beim ersten Härtetest im Juni 2013 waren es bis zu 10.000 Liter je Sekunde.
Ein Blick ins 2010 fertiggestellte Hochwasserpumpwerk Johannstadt. Dort können im Ernstfall bis zu 18.000 Liter Abwasser je Sekunde in die Elbe gepumpt werden. Beim ersten Härtetest im Juni 2013 waren es bis zu 10.000 Liter je Sekunde. © Stadtentwässerung Dresden

Zudem steht das Flutpumpwerk in Altstetzsch für das Gebiet Stetzsch, Briesnitz und Kemnitz bereit. Zum Gebietsschutz gibt es noch weitere Hochwasser-Pumpwerke, eins davon unweit des Stausees Cossebaude an der Straße An den Winkelwiesen, ein weiteres am Hosterwitzer Eichbuschweg unweit des Nahkauf-Marktes.

Stadtentwässerung verschließt Gullydeckel

Damit Hochwasser auf überfluteten Straßen nicht durch Gullys in Kanäle eindringt, gibt es außerdem 140 verschließbare Schachtdeckel. Einerseits handelt es sich dabei um Drehdeckel mit Bajonettverschluss. Die wurden mit Vierkantschlüsseln ab genau festgelegten Pegelständen geschlossen. Zum anderen werden Stöpseldeckel, die die Öffnungen abdichten, mit Spezialschlüsseln verschlossen. Das geschah unter anderem am Terrassenufer und neben dem Blasewitzer Ende des Blauen Wunders am Schillergarten, führt Strothteicher zwei Beispiele an. Wegen der jetzt wieder ansteigenden Elbe müssen die Einsatzkräfte der Stadtentwässerung wieder ran.

Notdienst muss Weihnachten raus

Das mussten sie auch an Heiligabend ganz unplanmäßig, berichtet Klärwerkschef Gert Bamler, der damals Bereitschaftsdienst bei der Stadtentwässerung hatte. Doch wie so oft, kommen auch die kleinen Überraschungen, die für Anwohner erhebliche Konsequenzen haben. So für die im Wohngebiet am Weißiger Marienbad am Heiderand. „Durch den vorangegangenen starken Regen war der Boden dort total aufgeweicht“, erzählt Bamler. „Verzweifelte Anwohner hatten angerufen und uns anschaulich geschildert, dass die Toiletten nicht mehr funktionieren.“

In den Kanälen hat sich am Nachmittag das Abwasser bis zu den Grundstücken gestaut, das dortige Pumpwerk ist überlastet. Das stellen die Bereitschaftskräfte fest.

Die Dunkelheit bricht ein. Selbst mit einem zusätzlich heranbeorderten Saugfahrzeug kann das Problem nicht gelöst werden. „Mit Handlampen haben unsere Leute dann die ganze Gegend abgesucht.“ Sie beobachten starke Strömung in einem Entwässerungsgraben und entdecken, dass der benachbarte Kanal an einer Stelle eingebrochen ist und das Wasser dort hineinfließt. „Wir haben dann schnell Sandsäcke rangeschafft und die Schadstelle bis 21 Uhr gesichert“, sagt Bamler. Dann funktionieren die Toiletten am Weihnachtsabend wieder.