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Was der neue Chefdirigent der Dresdner Staatskapelle plant

Christian-Thielemann-Nachfolger Daniele Gatti schlägt mit der Staatskapelle in der Saison 2024/25 ein neues Kapitel auf. Der 62-Jährige kommt mit einem dicken Mahler-Paket und gleich einer neuen Frau - aber ohne Premiere.

Von Bernd Klempnow
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Daniele Gatti hat seit dem Jahr 2000 immer wieder in der Semperoper gearbeitet. Ab August 2024 ist sie sein neues Stammhaus.
Daniele Gatti hat seit dem Jahr 2000 immer wieder in der Semperoper gearbeitet. Ab August 2024 ist sie sein neues Stammhaus. © Oliver Killig

Verklärende Erinnerungen zum Job-Start: „Als ich im Februar 2000 nach Dresden kam, um mit diesem Orchester zu debütieren, wurde einer meiner Jugendträume wahr. Ich erinnere mich an die ersten Konzerte – ein unverkennbar natürlicher und menschlicher Klang“, so schwärmt Daniele Gatti von seiner ersten Zusammenarbeit mit der Sächsischen Staatskapelle. Später war er regelmäßig in der Semperoper zu Gast und dirigierte auch Opern wie Verdis „Falstaff“. Ab der Spielzeit 2024/25 wird er bis Juli 2030 Chefdirigent der Kapelle.

Offene Türen für Thielemann

Nach der langen und prägenden Romantik- und Klassik-Ära Christian Thielemanns – den Gatti einlud „meine Türen sind immer offen“ –, will der Klangkörper ein neues Kapitel in der 475-jährigen Orchestergeschichte aufschlagen. Der designierte Chefdirigent und die künftige Orchesterdirektorin Annekatrin Fojuth stellten am Mittwoch in Dresden erste Pläne vor: Es gibt neue Schwerpunkte, Gäste und Publikumsofferten. Wie hatte Gatti bei der Unterzeichnung seines Vertrages 2023 gesagt: „Es gibt keine Revolution, aber auch mehr als ,nur’ Traditionspflege.“

War über ein Jahrzehnt Chefdirigent der Staatskapelle: Christian Thielemann. Der geht nun nach Berlin. Daniele Gatti bezeichnet ihn als "seinen Freund".
War über ein Jahrzehnt Chefdirigent der Staatskapelle: Christian Thielemann. Der geht nun nach Berlin. Daniele Gatti bezeichnet ihn als "seinen Freund". © Matthias Creutziger

Mit dem ersten Sinfoniekonzert Ende August feiert der 62-Jährige seinen Amtsantritt und beginnt zugleich den ersten kompletten Mahler-Zyklus in der Geschichte der Kapelle. „Ich empfinde es als Privileg, mich in meiner ersten Saison mit einem Komponisten befassen zu können, dessen Name neben den Dresdner Hausgöttern wie Wagner eher eine nachgeordnete Rolle spielt: Mahlers sämtlichen Sinfonien widmen wir uns im Laufe der nächsten drei Jahre.“ Die Startsaison steht im Zeichen der „Wunderhorn“-Jahre, welche die ersten vier Sinfonien umfassen. Nach der spätromantischen Ersten folgen unter anderem die Vierte Sinfonie und eine Auswahl von Liedern aus „Des Knaben Wunderhorn“ mit Starbariton Christian Gerhaher.

Erste Premieren erst in der Saison 2025/26

Im April 2025 leitet der Neue erstmals ein Palmsonntagskonzert. Mit dem Staatsopernchor und Solisten läutet er mit Mahlers „Auferstehungssinfonie“ die Osterzeit ein. Im Konzert zum Gedenken an die Zerstörung Dresdens am 13. Februar 1945 bringt er mit Verdis „Messa da Requiem“ Monumentales auf das Konzertpodium, das er aus diesem Anlass vor 20 Jahren dort schon einmal zum Klingen gebracht hatte.

Überhaupt: Gatti leitet sieben der zwölf Sinfoniekonzerte sowie Tourneen – ungewöhnlich viel. Ein Grund: Er ist noch nicht in den Musiktheaterproduktionen des Hauses eingebunden. Das wird aus Termingründen erst in der Saison 2025/26 mit zwei Premieren passieren. Immerhin musiziert ja die Kapelle pro Jahr gut 260 Vorstellungen in Konzert, Oper und Ballett.

Ein neues Gesicht am Pult gibt es etwa im Silvesterkonzert, wenn die US-Amerikanerin Karina Canellakis ihr Debüt feiert. Wiedersehen hingegen sind mit dem Ehrendirigenten Herbert Blomstedt, mit dem Pianisten Rudolf Buchbinder und der Cellistin Sol Gabetta möglich.

Neue Angebote an Alt und Jung

Die neue Leitung der Kapelle hat noch stärker das Publikum im Blick. Unter dem Motto „Kapelle für alle Fälle“ werden künftig die Gelegenheiten zusammengefasst, „in denen das Orchester außerhalb der traditionellen Konzertsituationen auf seine Zuhörer zugeht“, so Orchesterdirektorin Annekatrin Fojuth. Die neue Sparte vereint bewährte und neue Formate. So gibt es ein „Instrumentenkarussell“ für die Jüngsten, moderierte Generalprobenbesuche und die „Concert Lounge“ für all jene, die die Musik in einer entspannten Club-Atmosphäre ausklingen lassen wollen. Das moderierte Sonderkonzert „Natur pur!“ soll alle Generationen ansprechen, wenn die Naturlieder aus „Des Knaben Wunderhorn“ und Beethovens „Pastorale“ zu erleben sind.

Was ihn besonders an der Kapelle fasziniere, wurde Gatti gefragt: Er verwies auf „den Dresdner Goldklang. Jene Kombination aus dem Samt der Streicher, dem strahlenden Blech und den dunklen Nuancen im Holz verleiht diesem Klang eine Farbe, sagen wir, wie ein gut gelagerter dreißigjähriger Cognac.“ Der Vorverkauf läuft.

Capell-Virtuos & -Compositeur

  • In der Saison 2024/25 begrüßt die Staatskapelle mit Frank Peter Zimmermann erstmals einen Capell-Virtuosen für eine zweite Saison. Bereits seit 1992 begeisterte der international gefragte Geiger in der Semperoper.
  • Nach seiner erfolgreichen Zeit als Capell-Virtuos der Saison 2018/19 eröffnet Zimmermann seine zweite Residenz im November mit Schumanns Violinkonzert unter der Leitung von Gatti. Mit Brahms’ Violinkonzert beschließt er im 12. Sinfoniekonzert – ebenfalls unter Gattis Leitung – die Saison.
  • Die Position des Capell-Compositeur ist nach einem Todesfall für die nächste Saison nicht besetzt.