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Abschiebehäftling in Dresden aus Notaufnahme geflohen

In Dresden soll ein junger Mann abgeschoben werden. Nach dem Besuch in einer Notaufnahme kann der Russe jedoch aus der Haft fliehen. Am Montag äußerte sich die Landesdirektion zu dem Fall.

Von Julia Vollmer
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Ein 25-jähriger Russe ist in Dresden nach der Behandlung in der Notaufnahme des Friedrichstädter Klinikums entkommen.
Ein 25-jähriger Russe ist in Dresden nach der Behandlung in der Notaufnahme des Friedrichstädter Klinikums entkommen. © René Meinig

Dresden. Es war eine Nachricht, die nach ihrem Erscheinen am Sonntag schnell deutschlandweit Verbreitung fand: Erneut ist am Sonntag in Dresden ein Abschiebehäftling geflohen. Der Mann entkam nach der Behandlung in einer Notaufnahme. Der 25-Jährige habe am Sonntagnachmittag den begleitenden Beamten auf dem Parkplatz des Friedrichstädter Klinikums zu Boden gestoßen und sei dann weggerannt, sagte Regina Kraushaar, Chefin der Landesdirektion Sachsen am Montag. Die Justizbeamten hätten ihn nicht mehr einholen können. Die Polizei sei kurz danach vor Ort gewesen.

Die Flucht habe geplant gewirkt, gänzlich sicher sei das aber nicht, so Kraushaar weiter. Der 25-Jährige habe am Sonntag im Abschiebegefängnis in Dresden über starke Schmerzen an seiner Hand geklagt. Da diese immer weiter angeschwollen sei und der Mann die Finger nicht mehr richtig habe bewegen können, sei er in das städtische Klinikum Dresden nach Friedrichstadt gebracht und behandelt worden. Dabei sei der Häftling mit einer Führungsfessel an einen Beamten fixiert und mit einer zusätzlichen Handfessel gesichert gewesen.

Nach der Behandlung wurde der 25-Jährige demnach zum Dienstfahrzeug geführt, Man habe die Führungsfessel gelöst, um den zum Einstieg in das Auto zu erleichtern, hieß es weiter. Diesen Moment habe der Mann zur Flucht genutzt. Er sei zu zwei wartenden Männern gerannt und mit diesen gemeinsam verschwunden. Ob und wie die Männer vorher Kontakt hatten und wo sie sich derzeit befinden, sei unklar.

Der 25-Jährige war Ende 2015 nach Deutschland gekommen, sein Asylantrag sei abgelehnt worden. Der Russe sei straffällig geworden und wegen mehrerer Delikte in Deutschland vorbestraft. Unter anderem hatte er den Angaben zufolge wegen gefährlicher Körperverletzung mit Ladendiebstahl eine Bewährungsstrafe erhalten. Er war am Donnerstag in das Gefängnis in Dresden gekommen und sollte am Mittwoch nach Russland abgeschoben werden, so Kraushaar.

Zuständig für ihn sei die Ausländerbehörde Brandenburg. Da es dort aber keine Abschiebhaft gebe, hätte Dresden Amtshilfe geleistet, sagte die Chefin der Landesdirektion. Fehler ihrer Mitarbeitenden in der Betreuung seien bislang nicht erkennbar.

Schon 2023 und 2020 gab es Fluchten

Die Flucht aus der Abschiebehaft war nicht die erste: Zuletzt hatten sich im April 2023 zwei Männer aus Algerien im Alter von 30 und 31 Jahren mittels Bettlaken aus einem Gemeinschaftsraum abgeseilt und waren anschließend im Abstand von einer halben Stunde über eine mit Draht gesicherte Mauer geklettert.

Bereits drei Jahre zuvor, im Januar 2020, waren drei Insassen aus dem Abschiebegefängnis an der Hamburger Straße in Dresden entkommen. Sie stammten aus Nordafrika.

An diesem Standort wurde die Einrichtung 2018 eröffnet. Gleich daneben befindet sich die Erstaufnahmeeinrichtung (EAE), in der Geflüchtete nach ihrer Ankunft in Sachsens Landeshauptstadt leben, bevor sie über die Kommunen verteilt werden.

Im Sommer 2018 hatte der Landtag beschlossen, dass Sachsen eine Abschiebehaft und einen Ausreisegewahrsam einführen darf. Ein entsprechendes Gesetz ging durch den Landtag. In der Abschiebungshaft sollen Geflüchtete untergebracht werden, die als ausreisepflichtig eingestuft worden sind oder bei denen die Befürchtung besteht, "sie könnten sich der Abschiebung entziehen", so die Behörden. Über die Haftanordnungen entscheiden Amtsgerichte. Die Menschen sind längst nicht alle straffällig geworden. Grund für die Haft ist oft ein gescheiterter Asylantrag.

Insgesamt stehen 58 Plätze zur Verfügung, darunter 34 für den Ausreisegewahrsam und 24 Plätze für die Abschiebungshaft. Neun Plätze davon sind zurzeit belegt.

Kritik am Abschiebegefängnis

Für die betroffenen Menschen stellt der Aufenhalt in dem Gefängnis oft eine psychische Ausnahmesituation dar. Im Winter 2020 gab es mehrere Suizidversuche. Das ging damals einer Antwort des damaligen Innenministers Roland Wöller (CDU) auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Juliane Nagel hervor.

Geflüchteten-Initiativen kritisieren das Prozedere der Abschiebehaft immer wieder. Abschiebungen seien in sehr vielen Fällen traumatisierend. Außerdem würden viel zu viele Ressourcen in diese Vorgänge gesteckt. "In den allermeisten Fällen geht es dabei nämlich um integrationswillige Menschen", sagt Christian Schäfer-Hock, Geschäftsführer des Ausländerrates. Ihm zufolge wäre allen am besten geholfen, wenn diese Gelder stattdessen in nachhaltige Integration gesteckt würden. Dave Schmidtke vom Flüchtlingsrat sagt: "Die Existenz solcher Gefängnisse ist ein Skandal. Hier werden seit Jahren auch Menschen mit Freiheitsentzug bestraft, die häufig gar kein Verbrechen begangen haben." Grund für die Haft sei oft nur ein gescheiterter Asylantrag - "das ist vollkommen unverhältnismäßig." (mit dpa)