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Krach um den Chef des Dresdner Ausländerbeirats

Victor Vincze ist mit einer irritierenden Twitter-Äußerung aufgefallen. Nicht sein erster Patzer. Einige fordern nun seinen Rücktritt.

Von Christoph Pengel
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Victor Vincze hat sich für seine umstrittenen Äußerungen auf Twitter entschuldigt.
Victor Vincze hat sich für seine umstrittenen Äußerungen auf Twitter entschuldigt. © Thomas Alexander Leikauf (privat)

Dresden. Es brodelt im Dresdner Ausländerbeirat. Nachdem der Vorsitzende Victor Vincze (CDU) zuletzt einen wirren Tweet bei Twitter veröffentlichte, hagelt nun Kritik auf ihn ein. Zwar hat er sich bereits für seine missverständlichen Äußerungen entschuldigt. Aber das kaufen ihm nicht alle ab. Einige fordern Vinczes Rücktritt. Auch, weil er nicht zum ersten Mal mit einer umstrittenen Aktion auf sich aufmerksam gemacht hat.

Was war passiert? Am Mittwoch, 19. Januar twitterte Victor Vincze ein Bild, das ihn zeigt, wie er im Jahr 2015 in Dresden vor einem Stolperstein niederkniet. Daneben liegen Kerzen und Blumen. Vincze ist nach eigenen Angaben Pate des Stolpersteins. Dazu schrieb er auf Twitter folgenden Text: "Wer ernsthaft glaubt, dass Menschen, die friedlich für Freiheit und Grundrechte demonstrieren, Nazis sind, dem empfehle ich dringend ein Geschichtsbuch."

Auf Twitter reagierten viele mit Unverständnis: Worauf bezieht sich der Vergleich? Sieht Vincze etwa eine Parallele zwischen Shoa-Opfern und Menschen, die gegen die Corona-Regeln demonstrieren?

Scharfe Kritik von der Linken

Die schärfste Kritik kam später von Christopher Colditz (Linke). In einer schriftlichen Mitteilung hieß es: "Für diesen ekelhaften Vergleich zwischen Corona-Maßnahmen und dem Holocaust finde ich kaum Worte. Es ist an Perversion schwer zu überbieten - ganz besonders an dem Jahrestag der Wannseekonferenz, an dem der industrielle Massenmord an den Juden detailliert geplant wurde."

Tatsächlich fiel der 80. Jahrestag der Wannseekonferenz auf Donnerstag, 20. Januar. Vinczes irritierender Tweet war einen Tag früher erschienen. Dennoch blieb ein schaler Nachgeschmack. Kommentare auf Twitter ließ Vincze zunächst unbeantwortet.

Auf Nachfrage der SZ versuchte Vincze zu erklären, wie seine Äußerungen zu verstehen seien: Menschen, die wegen der Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen, sollten nicht pauschal als Nazis bezeichnet werden. Man dürfe sie nicht mit den Anhängern des Nationalsozialismus in einen Topf werfen, nur weil bei den heutigen Demonstrationen auch Rechtsextreme mitlaufen. Keineswegs habe er Gegner der Corona-Maßnahmen mit Holocaust-Opfern gleichsetzen wollen.

In einer Stellungnahme, die Vincze mittlerweile auch auf Twitter hochgeladen hat, schreibt er: "Es tut mir leid und ich bedaure es sehr, wenn meine Formulierung falsch verstanden werden kann. Alle Nazis bzw. Menschen mit entsprechenden Ansinnen sind zu verachten. Ich verurteile auf Schärfste Einstellungen oder Äußerungen, die den Holocaust und die Ermordung von Millionen von Juden leugnen." Und an seine Kritiker richtet er diesen Satz: "Jegliche Äußerungen, die mich in die Nähe von Verharmlosern oder Leugnern des Holocaust bringen wollen, lehne ich als bösartige Unterstellungen ab."

Der Ausländerbeirat distanziert sich

Trotz der Entschuldigung sind andere Mitglieder des Ausländerbeirats verärgert. "Die Äußerungen von Victor Vincze in den Sozialen Medien irritieren mich sehr", schreibt Tina Siebeneicher (Grüne). Julia Hartl (SPD) sagt: "Wenn man politischer Akteur ist, sollte man deutlich sagen, was man meint." Vinczes Entschuldigung halte sie für unglaubwürdig. Zumal der Tweet nicht seine erste Entgleisung sei.

Hartl erinnert an einen Vorfall aus dem März 2020. Damals war Vincze noch im Vorstand des Dresdner Ausländerrats und traf sich mit der AfD-Stadtrats-Fraktion. Auf Facebook postete er ein Bild davon. "Ein wirklich lebhaftes Gespräch", schrieb er. Dass er sich als Vertreter des Ausländerrats ausgerechnet mit der AfD traf, wurde ihm als naive Geste ausgelegt. Der Ausländerrat trennte sich von ihm.

Auch im Ausländerbeirat scheint sich Vincze hin und wieder Patzer zu leisten. "Victor macht oft Statements, die wir so nicht vertreten und die mit uns nicht abgestimmt sind", sagt Youmna Fouad Anwar Abdelaziz, die stellvertretende Vorsitzende. Zwar habe Vincze den Ausländerbeirat durch seine Öffentlichkeitsarbeit bekannter gemacht. Aber nicht nur im Positiven: "Seine Formulierungen sind oft nicht klar", sagt Fouad. Ihm fehle die Sensibilität für politisch korrekte Sprache.

Vorfall steht auf Tagesordnung bei CDU-Treffen

Am Mittwoch treffen sich die Mitglieder des Ausländerbeirats zu einer Online-Klausur. Auch dort soll über Vinces Äußerungen gesprochen werden. Die Dissidenten-Fraktion fordert bereits Konsequenzen. "Herr Vince muss sofort zurücktreten," sagt der Fraktionsvorsitzende Johannes Lichdi. "Er kann nicht länger den Ausländerbeirat repräsentieren. Anderenfalls muss der Beirat ihn abwählen."

Vincze weist darauf hin, dass er sich als Privatperson geäußert habe, nicht als Vertreter einer Partei oder Organisation. Ähnlich sieht das auch die Dresdner CDU, in der Vincze ebenfalls Vorstandsmitglied ist. Einerseits sei der Vorfall Vinczes Privatsache, sagt der CDU-Sprecher Pierre Ullmann. "Andererseits haben wir bei Vorstandsmitgliedern auch einen Anspruch an die Wortwahl." Am heutigen Montag kommt der Kreisvorstand zusammen. Laut Ullmann steht auch Vinczes Tweet auf der Tagesordnung.