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OB Hilbert zu Angriffen auf Politiker in Dresden: "Das macht mich fassungslos"

Nachdem ein Politiker im Wahlkampf in Dresden krankenhausreif geschlagen wurde, hat Sächsische.de mit Oberbürgermeister Dirk Hilbert gesprochen, was in "seiner" Stadt los ist.

Von Andreas Weller
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Oberbürgermeister Dirk Hilbert äußert sich zu den Angriffen auf Politiker und Wahlhelfer in Dresden.
Oberbürgermeister Dirk Hilbert äußert sich zu den Angriffen auf Politiker und Wahlhelfer in Dresden. © Matthias Rietschel

Dresden. Bisher hat der Oberbürgermeister von Dresden, Dirk Hilbert (FDP), sich nicht in der Diskussion um die Angriffe auf Politikerinnen und Politiker in Dresden zu Wort gemeldet. Das hat einen gesundheitlichen Grund: Hilbert hatte einen ambulanten Eingriff, ist derzeit zur Genesung nicht im Rathaus.

Sächsische.de hatte nun die Gelegenheit, ihn nach seiner Einschätzung zu den Vorkommnissen in Dresden zu befragen. Am Freitagabend wurde der Dresdner Europa-Politiker Matthias Ecke (SPD) beim Plakatieren von mehreren Jugendlichen angegriffen und so schwer verletzt, dass er in einer Klinik behandelt und operiert werden musste. Am selben Abend wurden Grüne-Wahlkampfhelfer attackiert, am Dienstag auch die Grünen-Stadtratskandidatin Yvonne Mosler.

Herr Hilbert, wie ordnen Sie diese An- und Übergriffe ein?

Ganz ehrlich: Das macht mich genauso fassungslos wie viele andere auch. Ich fühle mich an den Geschichtsunterricht erinnert, wenn es um die 20er-Jahre der Weimarer-Republik ging: politische Radikalisierung, organisierte Banden und letztendlich offene Gewalt auf den Straßen. Der Staat muss jetzt eine klare Antwort geben und zwar auf jede Form von Gewalt. Dazu muss es auch gehören, dass wir nicht beständig die Polizei kritisieren, sondern ihr den Rücken stärken.

Was vermuten Sie, woran es liegt, dass einige Menschen hier vor Gewalt nicht zurückschrecken?

Die Stimmung im Land ist sicher nicht einfach: kritische Nachrichten, viel Polemik, unklare Perspektiven und viele Veränderungen. Das schürt Ängste und wer Angst hat, der reagiert häufig nicht mehr rational. Gleichzeitig wird die sprachliche Eskalation vor allem am rechtsextremen Rand der Politik immer weiter vorangetrieben. Von sprachlicher Gewalt zu körperlicher Gewalt ist bei einigen dann nur ein kleiner Schritt.

Was können Sie und andere Politiker dagegen tun?

Festzuhalten ist: Die Strafverfolgungsbehörden, also Polizei und Staatsanwaltschaften, haben konsequent agiert und sehr schnell die Täter ermittelt. Das ist ein gutes Signal. Ich selbst bin im Augenblick durch einen operativen Eingriff nicht im Rathaus im Einsatz, ich weiß aber, dass wir in ständigem Austausch mit der Polizei stehen. Wir unterstützen, wo wir können: Sei es mit unseren eigenen Ordnungskräften, als auch in der Kommunikation mit der Politik.

Aber wir müssen auch mal kritisch hinterfragen, warum schlagen Jugendliche auf Wahlkämpfer ein? Politische Bildung fängt in der Schule an, darf sich nicht auf Gymnasien beschränken oder am Lehrermangel scheitern. Oder warum werden Demokratie-Projekte nicht ausreichend finanziert oder entwickeln zu wenig Wirkung? Auch da sehe ich Diskussionsbedarf zwischen Bund, Ländern und Kommunen.

Sind Sie selber auch bereits angegriffen worden?

Ich selbst habe zum Glück noch nie eine solche Gewalt erlebt, wie Herr Ecke jetzt. Aber auch ich bin schon körperlich bedroht worden, bis in den privaten Bereich hinein. Zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise kamen fast täglich Briefe voller Hass und Gewalt. Insofern finde ich es richtig, dass die Bundesländer jetzt eine Gesetzesinitiative zum Schutz von Amtsträgern und Politikern gestartet haben. Das Gesetz alleine wird es aber nicht richten, sondern es braucht auch entschlossene Staatsanwälte und Richter, sonst ist es nur ein Papiertiger.

Wir haben damals in unserer Bewerbung um die Kulturhauptstadt im Übrigen genau solche gesellschaftlichen Fragen zum Thema gemacht: den Verlust von öffentlichem Raum, Spaltungen und die Verrohung der Sprache. Leider hat es damals niemanden in der Jury interessiert.