SZ + Dresden
Merken

Rückwirkend gesenkte Kita-Beiträge in Dresden - ist das gerecht?

Der Dresdner Stadtrat hatte beschlossen, die Elternbeiträge wieder zu senken. Stadt und freie Träger beklagen Aufwand und Kosten, eine Kita-Leiterin freut sich - zwei Perspektiven.

Von Andreas Weller
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Dresdner Eltern bekommen bereits gezahlte Kita-Beiträge rückwirkend erstattet. Was Familien freut, stört unter anderem Kita-Betreiber.
Dresdner Eltern bekommen bereits gezahlte Kita-Beiträge rückwirkend erstattet. Was Familien freut, stört unter anderem Kita-Betreiber. © Egbert Kamprath

Dresden. Einen Streit um geringere Beiträge dürfte es nicht so häufig geben. Kita-Beiträge steigen sonst eher. Doch im Dresdner Stadtrat hat es überraschend eine Mehrheit gegeben, sie wieder zu senken. Was kann daran kritisiert werden?

"Das Problem ist aus unserer Sicht die rückwirkende Senkung", sagt Carsten Schöne. Er ist Regionalleiter des Dachverbandes der Freien Träger "Der Paritätische" und Vorsitzender des Unterausschusses Kita des Jugendhilfeausschusses in Dresden. "Jeder Fall muss einzeln betrachtet und bearbeitet werden, der Aufwand ist sehr groß für die Träger."

Kritiker: Rückerstattung kostet zu viel Zeit

Schöne rechnet vor, dass eine Verwaltungskraft eines Trägers mit fünf Kitas und etwa 550 Kindern, die dort betreut werden, acht Tage damit beschäftigt ist, bis alle Vorgänge bearbeitet sind. "Kleine Träger haben häufig keine Verwaltungskraft und müssen das dann ehrenamtlich in ihrer Freizeit tun."

Schöne übt auch Kritik an der Partei, die die Beitragssenkung initiiert hatte - die SPD. Rückblick: Erst im September 2023 wurden die Kita-Beiträge angehoben. Normalerweise wäre nicht so schnell wieder über die Beiträge im Stadtrat gesprochen worden. In diesem Fall wollte eine Mehrheit im Rat aber die überhöhten Beiträge für Kinder im Förderhort senken. Dies nahm die SPD zum Anlass, die Absenkung aller Beiträge zu beantragen. Letztlich erhielt der Antrag ein knappe Mehrheit.

Schöne sagt, zwar sei der Wille der SPD erkennbar, die Eltern zu entlasten, aber der rückwirkende Beschluss würde dazu führen, dass die Erstattung von meist geringen Beträgen zwischen 3,29 Euro und 5,58 Euro pro Monat - nur im Förderhort sind es 42,60 Euro - viel Zeit kostet, die dann in der Betreuung der Kinder fehle.

Die Kita-Betreiber und auch die Eltern müssten wegen der Senkung ihre Jahresabschlüsse und Steuererklärungen anpassen, sagt Grünen-Stadtrat Torsten Schulze. "Zudem steigt der Anteil, den die Stadt zahlen muss. Ich finde es bedenklich, dass für so einen populistischen Beschluss der komplette Haushalt der Stadt aufgeschnürt werden muss und den Freien Trägern dazu Zeit am Kind fehlt."

Stadt: Halbe Million Euro muss zurückgezahlt werden

Auch die Stadt - sie betreibt die meisten Kitas in Dresden - rechnet nicht nur den Aufwand vor, sondern vor allem das Geld, dass im Haushalt nicht zur Verfügung stehen wird. Ein Beispiel: Pro Platz in einer Kinderkrippe bzw. Tagespflege zahlen Eltern für eine neunstündige Betreuung 227,30 Euro, das sind 5,58 Euro weniger pro Monat.

Ein gering erscheinender Betrag, doch Bildungsbürgermeister Jan Donhauser (CDU) geht davon aus, dass alleine von den Kitas in städtischer Verwaltung 497.000 Euro den Eltern erstattet werden müssen. Insgesamt müssten 75.000 Briefe an die Eltern verschickt werden, weil die Betreuungszeit monatlich unterschiedlich sein kann, jedes Kind einzeln betrachtet werden muss, auch wenn Eltern mehrere Kinder in einer Kita haben. Die Portokosten belaufen sich auf rund 60.000 Euro, Druck und Kuvertierung kosten etwa 7.500 Euro und der Aufwand an Arbeitszeit in der Verwaltung liegt bei 250.000 Euro. Eine Deckung für diese Kosten gebe es noch nicht, so Donhauser.

Kita-Leiterin: "Ich verstehe die Beschwerden nicht"

Die Beitragssenkung hat aber nicht nur Kritiker. "Ich verstehe die Beschwerde der Träger hier nicht", sagt eine Kita-Leiterin, die namentlich nicht genannt werden möchte. "Da werden Probleme gemacht, wo keine sind - zulasten der Eltern. Grundsätzlich ist meine Erfahrung mit der Anhebung von Beiträgen, dass Familien dann sehr genau abwägen, wie viel Betreuung sie sich noch leisten können. Das führt bei einigen Familien zur Herabsenkung der Betreuungsstunden, was diese jedoch persönlich in große Nöte bringt, da noch mehr Stress in den Familien vorprogrammiert ist. Seit der Berichterstattung über die Beitragssenkung erlebe ich nun das Umgekehrte, weil Eltern zu mir kommen und die Betreuungsstunden wieder erhöhen wollen."

Sie teile die Auffassung und das Ziel der SPD, dass Kitas generell beitragsfrei sein sollten. "Aus meiner Sicht wäre das tatsächlich eine fachliche Aufwertung der Kitas als Bildungsort, nicht eine Herabwertung, wie einige argumentieren."

Die Kita-Leiterin störe, dass immer über Betreuungszeiten geredet werde. "Wir haben einen klaren Bildungsauftrag. Und den gilt es öffentlich zu regeln. Ich stelle das ganze Finanzierungsmodell an sich infrage. Wie viel darf denn das Grundrecht eines Kindes auf Bildung kosten?" Kommunen würden ganz unterschiedlich agieren. Einige finanzierten das letzte Kitajahr komplett. Das müsse landesweit geregelt werden, ebenso die Öffnungszeiten von Kitas.

Frohwieser: Klagen über zu hohen Aufwand sind zynisch

Und wie reagieren die Sozialdemokraten auf die Kritik an ihrem Antrag? SPD-Fraktionschefin Dana Frohwieser stellt klar, dass es ein SPD-Ziel ist, Bildung und damit auch Kitas gebührenfrei zu machen. Die Rücknahme der Beitragserhöhung vom September 2023 sei ein erster Schritt. "Dafür bekomme ich sehr viel mehr positive Rückmeldungen von betroffenen Eltern als Beschwerden von Trägern. Bis zu sechs Euro monatlich mehr pro Kind sind für manche Familien viel Geld." Über den Aufwand zu klagen, sei "zynisch".

Frohwieser verweist darauf, dass auch bei der Erhöhung Bescheide für die Eltern erstellt werden mussten und der Aufwand nicht geringer war. Zumal noch immer kein vernünftiges E-Kita-System existiere, in dem diese Schreiben elektronisch verschickt werden könnten. "Hier werden Schreckensgespenster an die Wand gemalt, anstatt die Verwaltung endlich mal ihren Job macht - und alles auf dem Rücken von Familien."

Träger-Vertreter Schöne hält dagegen nichts von kostenlosen Kitas. "Eltern haben einen konkreten Vorteil, wenn ihre Kinder betreut werden, sie können arbeiten gehen, und für Bedürftige gibt es Entlastungen bis zur Befreiung von den Beiträgen."