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Hier werden Dresdens Weihnachtsgänse groß

Im Dresdner Westen hält Marcus Kühne jedes Jahr mehrere Hundert Gänse. Die Kunden honorieren auch preislich, dass die Tiere Auslauf haben und Futter von den eigenen Feldern bekommen.

Von Kay Haufe
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Mehrere hundert Gänse hält Marcus Kühne auf dem Feld oberhalb der Omsewitzer Freiheit im Dresdner Westen.
Mehrere hundert Gänse hält Marcus Kühne auf dem Feld oberhalb der Omsewitzer Freiheit im Dresdner Westen. © Matthias Rietschel

Dresden. Keine Auguste, keine Berta, keine Gertrud. Marcus Kühne gibt seinen Gänsen keine Namen. Wie auch, bei mehreren hundert Tieren, die seit Mitte Juli im Dresdner Westen heranwachsen. Seit diesem Mittwoch sind es 20 weniger in der großen Herde. Sie wurden für den Martinstag vorbestellt und geschlachtet. "Aber diese Tradition ist bei uns nicht so ausgeprägt, deshalb hält sich die Nachfrage für dieses Datum in Grenzen", sagt Marcus Kühne.

Ganz anders zu Weihnachten. Noch sechseinhalb Wochen verbringen die Gänse bis zum Schlachtdatum friedlich auf dem großen Feld oberhalb der Omsewitzer Freiheit, laufen eng gedrängt in der Herde nebeneinander, schlagen mit den Flügeln und rupfen Getreidehalme aus dem Boden, die nach dem Dreschen im Sommer wieder gesprossen sind. "Ich halte die Tiere so, wie ich es von meinem Vater kenne, tagsüber mit viel Auslauf und nachts in einem geräumigen Stall mit Stroh und Futterautomat", sagt der Landwirt. Wenn es dämmert, treibt der 36-Jährige die Gänse zusammen. Eine übernimmt die Führung, alle anderen folgen ihr schnatternd in den Stall. "Später kann ich es nicht machen, denn die Tiere sehen nichts in der Dunkelheit und die Füchse warten schon."

Vor einigen Jahren, bevor die Familie eine Gärtnerei an der Freiheit kaufen konnte, hat er seine Gänse noch im Omsewitzer Grund gehalten. "Dort hat sich der Fuchs im Jahr 2012 fast 60 Tiere geholt. Der saß mitten in der Herde, die Gänse waren schon an ihn gewöhnt", sagt Kühne und lacht. Das passiert ihm jetzt nicht mehr.

Küken kommen mit drei Wochen zum Dresdner Landwirt

Gleich nach der Wende hat der Vater von Marcus Kühne begonnen, Gänse für Weihnachten heranzuziehen. In dieser Zeit begann die Zusammenarbeit mit dem Geflügelhof Brautmeier in Paderborn. Jedes Jahr fährt seitdem im Juli ein Paderborner Lkw in Omsewitz vor und die Kisten mit Gänseküken werden ausgeladen. "Die sind dann gerade mal drei Wochen alt, noch klein, weich und flauschig", sagt Marcus Kühne.

Bevor die Kleinen ins Freie dürfen, bleiben die Tiere drei Wochen im Stall, um sich an die Umgebung zu gewöhnen. Gern würde Kühne die Küken von einem regionalen Züchter erwerben, so wie alles, was er sonst einkauft. Zum Beispiel aus Wermsdorf. "Aber die konnten mir nicht garantieren, die nötige Stückzahl zu liefern. Diese Verlässlichkeit brauche ich aber."

Immer eng zusammen unterwegs: In der Herde fühlen sich die Tiere geschützt und wohl.
Immer eng zusammen unterwegs: In der Herde fühlen sich die Tiere geschützt und wohl. © Matthias Rietschel

Verlässlich sind dafür die Kunden des Bauernhofes. Sie legen immer mehr Wert auf eine Tierhaltung, in der die Gänse nicht nur im engen Stall an Gewicht zulegen, sondern Auslauf haben und Futter erhalten, was am besten vor der Haustür ohne Kunstdünger gewachsen ist. Kriterien, die auch für Marcus Kühne eine große Rolle spielen. "Unsere Äcker werden mit dem Mist unserer Schweine gedüngt, wir erzeugen fast das gesamte Futter für die Tiere selbst", sagt er und zeigt auf die Mühle im Stall. Dort werden Weizen, Gerste und Mais fein für die Schweine auf dem Hof zermahlen, gröber mögen es die Gänse.

Beide Tierarten bekommen auch übriggebliebenes Brot vom Bäcker Richter aus Bühlau. "Aber das dient auch zur Beschäftigung. Die Gänse schleppen die Brötchen herum, versuchen, sie zu zerteilen. Hätten sie das nicht, würden sie einander die Federn ausrupfen", so Marcus Kühne.

Zwei Schlachttage vor Weihnachten

Endgültig Federn lassen müssen die Tiere am 19. und 20. Dezember. An den Schlachttagen werden jeweils Gruppen von 30 Tieren vom Stall zum Bauernhof getrieben, wo sie betäubt und getötet werden. "Immer in kleinen Gruppen, damit die anderen Tiere das nicht sehen und keinen Stress haben", erklärt der Landwirt. Das ist ihm wichtig. Schon als kleiner Junge hat er beim Schlachten mithelfen müssen. "Eine enge Bindung darf man zu den Tieren nicht entwickeln, dann könnte man wahrscheinlich keines schlachten."

An den beiden Großkampftagen steht Kühne mit seiner Familie und vielen Freunden von 4.30 bis 15 Uhr im Kühlraum und rupft die letzten Federkiele aus den Gänsen, die nach dem Brühen von der Rupfmaschine nicht erwischt wurden. Außerdem müssen die Gänse ausgenommen werden. Am 21. und 22. Dezember werden die Tiere verkauft. Jeder Gans ist dann ein Zettel beigefügt, wie sie aufbewahrt werden soll. "Die Leute müssen immer mehr an die Hand genommen werden, das merken wir", sagt er.

Kilopreis dieses Jahr nicht erhöht

Doch die Kunden haben auch immer größeres Interesse daran, zu sehen, wie die Tiere bei Kühnes aufwachsen und gehalten werden. "Ich habe gar kein Problem damit und zeige den Leuten unsere Tiere", sagt er. Früher hat er oft Schulkassen auf dem Hof zu Gast gehabt, um den Kindern zu zeigen, wie die Tiere leben, deren Fleisch sie essen. Doch seit sich die Afrikanische Schweinepest ausbreitet, dürfen keine Fremden mehr in die Ställe.

Den Kilopreis von 18 Euro hat Marcus Kühne, der den Hof vor wenigen Jahren von seinen Eltern übernommen hat, nicht erhöht. "Eigentlich müsste ich das, um die Gewinne von vor sechs Jahren zu erzielen. Aber die Kunden haben angesichts der Inflation immer weniger Geld in der Tasche und sollen sich den Weihnachtsbraten von uns weiterhin leisten können", sagt er. Zur Bestellung sind allerdings 20 Euro anzuzahlen, nachdem Kühne vor einigen Jahren auf 50 bestellten Tieren sitzengeblieben ist, die nicht abgeholt wurden.

Für den Landwirt, der eigentlich gelernter Tiefbauer ist, ist die Lage des Bauernhofes am Stadtrand ein großes Plus. "Vor allem in der Coronazeit kamen mehr Kunden, die plötzlich selbst zu Hause kochen mussten und Wert auf regionale Lebensmittel legten. Die meisten sind uns erhalten geblieben." Neben Eiern, Fleisch, Wurst und eigenem Apfelsaft, die es im Hofladen in Altomsewitz 2 gibt, wollten die aber auch gern heimisches Gemüse kaufen. Also hat Familie Kühne angefangen, Gurken, Tomaten und Salat in Gewächshäusern zu ziehen.

"Ja, mein Tag ist lang", sagt er. "Tiere füttern, auf die Weide lassen, ausmisten, Futter mahlen und verteilen, Maschinen reparieren, da kommt einiges zusammen." Kühne muss wieder lachen. Seine Frau arbeitet im Hofladen und im Büro mit. Den Sonntag, den versucht er sich freizuhalten für die Familie, um mit seiner Frau und den beiden Kindern mal hinauszufahren. Ein Stück weg vom Leben auf dem Bauernhof, das er ansonsten sehr mag.