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Bewährungsprobe für den Flutschutz in Dresden

Um Dresden zu schützen, wird bei Hochwasser Grund- und Regenwasser in die Elbe gepumpt. Was die Landestalsperrenverwaltung noch unternimmt, damit der Dresdner Westen auch bei künftigen Hochwassern gut geschützt wird.

Von Peter Hilbert
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Flussmeister Hans-Georg Richter von der Landestalsperrenverwaltung im Pumpwerk an der Gohliser Dorfstraße vor der großen Leitung. Durch die wird bei Hochwasser Grund- und Regenwasser in die Elbe gepumpt, um eine Überflutung des Gebiets zu verhindern.
Flussmeister Hans-Georg Richter von der Landestalsperrenverwaltung im Pumpwerk an der Gohliser Dorfstraße vor der großen Leitung. Durch die wird bei Hochwasser Grund- und Regenwasser in die Elbe gepumpt, um eine Überflutung des Gebiets zu verhindern. © René Meinig

Dresden. Die Frühlingssonne strahlt. Gemächlich fließt die Elbe, die mit 1,79 Metern fast wieder den normalen Pegel erreicht hat, an Gohlis vorbei. Hans-Georg Richter dreht gerade seine Runde an der neuen Flutschutzwand und inspiziert das große Pumpwerk an der Dorfstraße. Der 58-Jährige ist als Flussmeister der Landestalsperrenverwaltung (LTV) für Dresden zuständig.

Ganz so idyllisch wie jetzt war es um den Jahreswechsel nicht. Denn da mussten diese Anlage und das benachbarte Cossebauder Pumpwerk ihre erste große Bewährungsprobe bei den Elbehochwassern bestehen. Feiertage haben für den Flussmeister und sein zwölfköpfiges Team nicht gezählt. "Es hatte jedoch alles gut funktioniert", resümiert Richter.

Idyllisch liegt das Gohliser Pumpwerk an der Dorfstraße in der grünen Elbaue. Im Ernstfall ist es sehr wichtig.
Idyllisch liegt das Gohliser Pumpwerk an der Dorfstraße in der grünen Elbaue. Im Ernstfall ist es sehr wichtig. © René Meinig

Für den Dresdner Westen ist der 2018 übergebene Hochwasserschutz ungeheuer wichtig. Noch vor elf Jahren waren die Elbfluten bis auf 8,78 Meter gestiegen und hatten Teile von Gohlis, Cossebaude und den Nachbarorten überflutet und Millionenschäden angerichtet. Diese Gefahr ist jetzt vorbei.

Das Schutzsystem: Fünf Kilometer Deiche und Mauern

Zwischen 2010 und 2018 entstand der Flutschutz für Dresdens Westen. Auf einer Länge von über fünf Kilometern wurden Deiche erhöht, neue angelegt und in Gohlis eine rund 850 Meter lange Flutschutzwand gebaut, die durchschnittlich zwei Meter hoch ist. Zudem gibt es drei kleine und zwei große Pumpwerke.

Auf der Grafik ist der über fünf Kilometer lange Hochwasserschutz mit Deichen und der Flutschutzwand für den Dresdner Westen dargestellt. Zu sehen sind auch die kleinen und großen Pumpwerke, die bei der jüngsten Flut teilweise in Betrieb waren.
Auf der Grafik ist der über fünf Kilometer lange Hochwasserschutz mit Deichen und der Flutschutzwand für den Dresdner Westen dargestellt. Zu sehen sind auch die kleinen und großen Pumpwerke, die bei der jüngsten Flut teilweise in Betrieb waren. © SZ Grafik

Steigt die Elbe stark an, pumpen sie sowohl Grund- als auch Regenwasser in den Fluss ab, damit die Orte im Dresdner Westen nicht aus dem Untergrund überschwemmt werden. Schließlich kann es dann nicht mehr zur Elbe abfließen. Erschwert wird das im Untergrund ohnehin, da die Schutzwand auf zehn Meter tiefen Stahlbeton-Bohrpfählen steht, die den Abfluss behindern.

Ein besonderes Erfassungssystem gibt es entlang der Gohliser Hochwasserschutzwand, an deren Enden die beiden großen Pumpwerke an der Dorfstraße und am Grünen Weg stehen. In 44 Brunnen wird dort das Grundwasser erfasst. Über eine Sammelleitung fließen überschüssige Mengen Grund- oder auch Regenwasser durch einen Auslauf in die Elbe, damit es nicht von hinten die Ortschaften überflutet.

Die beiden Gohliser Werke sind mit jeweils zwei kleinen und drei großen Pumpen ausgestattet, erklärt Richter. Die beiden knapp 14 Meter hohen Bauten reichen auch sieben Meter in die Tiefe. Dort kann sich in einem großen Betonbecken ansteigendes Grundwasser sammeln.

Der Ernstfall: Schotten runter und Pumpen an

Erstmals kam es mit den Elbehochwassern um den Jahreswechsel zum Ernstfall. Genau zum Auftakt des Weihnachtsfests erreicht die Elbe am 24. Dezember, 14.30 Uhr, einen Pegel von fünf Metern. Die Hochwasser-Alarmstufe 2 tritt in Kraft, die Pumpwerke werden aktiviert. Im Sechs-Stunden-Rhythmus kontrollieren die Einsatzkräfte seines zwölfköpfigen Teams diese und die anderen Anlagen.

In diesem Becken wurde bei den jüngsten Hochwassern um den Jahreswechsel Regenwasser gesammelt. Die beiden Unterwasser-Pumpen haben es dann in die Elbe befördert.
In diesem Becken wurde bei den jüngsten Hochwassern um den Jahreswechsel Regenwasser gesammelt. Die beiden Unterwasser-Pumpen haben es dann in die Elbe befördert. © René Meinig

An der normalen Abflussleitung in die Elbe gehen die Schotten runter. Gleichzeitig öffnet der Zulauf zum Gohliser Pumpwerk an der Dorfstraße. Bis zu 3.600 Kubikmeter Grund- oder Regenwasser können nun pro Stunde in die Elbe gepumpt werden. "Das war aber nicht nötig", erklärt der Flussmeister.

Abgepumpt werden muss nur Regenwasser, da das Grundwasser die kritische Marke nicht überschreitet. So reicht es, dass die beiden kleineren Grundlast-Pumpen im wechselnden Betrieb bis zu 180 Liter je Sekunde in die Elbe befördern.

Das sind die großen Gohliser Pumpen, von denen jede im Ernstfall 400 Liter Wasser pro Sekunde in Richtung Elbe befördern kann.
Das sind die großen Gohliser Pumpen, von denen jede im Ernstfall 400 Liter Wasser pro Sekunde in Richtung Elbe befördern kann. © René Meinig

Wäre es noch härter gekommen, hätten die drei großen Pumpen zugeschaltet werden müssen, von denen jede bis zu 400 Liter je Sekunde in die 80 Zentimeter starke Leitung zur Elbe pumpen kann. In der ersten Runde konnte am Silvestertag die Alarmstufe 2 wieder aufgehoben werden.

Allerdings steigt die Elbe vom 4. bis 8. Januar noch einmal über die Fünf-Meter-Marke, sodass die Pumpen nochmal ranmüssen. Alles klappt. "Die Anlage hält, was sie verspricht", sagt der Flussmeister. Auf der anderen Elbseite arbeitet das LTV-Team indes mit der Radebeuler Feuerwehr Hand in Hand, die Schläuche bereitstellt und den Elberadweg sperrt.

Bis auf 5,95 Meter war die Elbe kurz vorm Jahreswechsel in Dresden angestiegen. Dann sank der Pegel, um am 4. Januar 2024 wieder die Marke für die Alarmstufe 2 zu überschreiten.
Bis auf 5,95 Meter war die Elbe kurz vorm Jahreswechsel in Dresden angestiegen. Dann sank der Pegel, um am 4. Januar 2024 wieder die Marke für die Alarmstufe 2 zu überschreiten. © Peter Hilbert (Archiv)

Wäre die Elbe auf sechs Meter gestiegen, hätten Stadtmitarbeiter des Regiebetriebs Zentrale Technische Dienste die neun Durchgänge in der Schutzwand mit mobilen Elementen doppelt verschlossen. Etwa sechs Stunden haben sie bei regelmäßigen Probeaufbauten dafür benötigt. Schwillt der Fluss weiter an, montieren sie noch mobile Aufsätze in die 54 Scharten der Schutzwand als Barriere für die Fluten. Schließlich soll das System den Dresdner Westen vor einer Jahrhundertflut wie 2002 schützen.

Vorgesorgt ist auch für Stromausfälle, die es vor allem beim Hochwasser 2002 gab. Jedes Pumpwerk kann aus zwei verschiedenen Umspannwerken versorgt werden. "Fällt eins davon aus, liefert das andere Strom", erklärt Richter. Kommt es mit einem großen Ausfall ganz hart, können Notstromaggregate eingesetzt werden, um die Pumpen weiterzubetreiben.

Die Tests: Probeaufbau von mobilen Wänden

Die mobilen Elemente für die Schutzwand liegen in einer Gohliser Lagerhalle für solche Ernstfälle bereit. Wenn der kommt, werden sie auf Gabelstaplern schnell vor Ort gebracht. Das soll beim Probeaufbau durch Kräfte des Regiebetriebs im nächsten Monat wieder geschehen. Um immer in Übung zu bleiben, ist ein jährlicher Aufbau von Teilstücken und später im Fünf-Jahres-Rhythmus eine komplette Montage geplant.

Regelmäßig bauen Mitarbeiter des städtischen Regiebetriebs Zentrale Technische Dienste in Gohlis die mobilen Schutzwände auf, hier an einer Durchfahrt. Im kommenden Monat wird das wieder geübt.
Regelmäßig bauen Mitarbeiter des städtischen Regiebetriebs Zentrale Technische Dienste in Gohlis die mobilen Schutzwände auf, hier an einer Durchfahrt. Im kommenden Monat wird das wieder geübt. © René Meinig

Getestet werden aber auch die Pumpen im Gohliser und den 14 anderen Hochwasser-Pumpwerken entlang der Elbe in Dresden und Radebeul. Für jede große Pumpe ist monatlich ein fünfminütiger Probelauf angesagt. "Bisher hatte immer alles gut geklappt", sagt der Flussmeister.