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Crystal in der Schwangerschaft: Wie Dresdner Mediziner abhängigen Familien helfen

Am Uniklinikum Dresden werden jedes Jahr rund 20 crystalabhängige Mütter behandelt. Weil der Lebenspartner die Genesung gefährden kann, werden nun auch Väter in das Therapieangebot integriert.

Von Julia Vollmer
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Wenn Schwangere Crystal konsumieren, kann das schwerwiegende Folgen für die Kinder haben. Ein Projekt an der Dresdner Uniklinik widmet sich dem Thema.
Wenn Schwangere Crystal konsumieren, kann das schwerwiegende Folgen für die Kinder haben. Ein Projekt an der Dresdner Uniklinik widmet sich dem Thema. © Mascha Brichta/dpa

Dresden. Alkohol ist in Dresden weiter die am häufigsten konsumierte Droge überhaupt. Dicht gefolgt - das geht aus dem Suchtbericht der Stadt hervor - von Crystal und Cannabis. Ein Projekt an der Dresdner Uniklinik widmet sich Schwangeren und Müttern, die Crystal konsumieren. "Mama, denk' an mich", heißt es. Und die Nachfrage danach ist hoch.

Nach Zahlen von Stadt und Uniklinik Dresden ist der Crystal-Konsum in Dresden im Jahr 2008 schlagartig angestiegen. Seitdem befindet sich die Zahl auf hohem Niveau. Die gemessenen Crystal-Rückstände in Dresden erhöhten sich 2022 im Vergleich zum Vorjahr erheblich und erreichten den zweithöchsten Wert seit Beginn der Messungen im Jahr 2013.

Professor Maximilian Pilhatsch leitet die Suchtambulanz am Universitätsklinikum Dresden. Er und sein Team sind Teil des fachübergreifenden Angebots, das jungen Familien in schwierigen Lebenslagen eine Perspektive gibt. Zwischen 25 und 35 Frauen werden jährlich neu in das Programm aufgenommen, berichtet er. Rund 150 Fälle wurden seit dem Start des Projekts vor sieben Jahren behandelt. Die Zahlen nehmen leicht zu, sagt Pilhatsch.

Dresdner Uniklinik widmet sich crystalabhängigen Eltern

Neu ist, dass die Väter mit eingebunden werden - in einer väterspezifischen Gruppentherapie. "Wir haben gemerkt, dass konsumierende Väter ein negativer Faktor bei der Genesung sind. Das Projekt steht jetzt in den Startlöchern", erklärt der Mediziner.

"Unser Ziel ist es, dass die Familien zusammenbleiben und die Kinder bei ihren Eltern leben", sagt Pilhatsch. Wenn es nicht gelingt, die Herkunftsfamilie zusammenzuhalten, muss das Jugendamt eingreifen und die Kinder in Obhut nehmen. Sie kommen dann im besten Fall in Pflegefamilien, sonst erst einmal in den Kinder- und Jugendnotdienst. Doch in gut zwei Dritteln der Fälle gelingt dies bei den Familien, die an dem Programm teilnehmen, berichtet Pilhatsch. Die sogenannte Haltequote, die zeigt, wie viele Frauen abstinent oder in Betreuung bleiben, ist auf 75 Prozent gestiegen.

Drei Kliniken des Uniklinikums sind an dem 2016 ins Leben gerufenen Projekt beteiligt. Ansprechpartner für Betroffene sind Mitarbeitende der Kliniken für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, für Kinder und Jugendmedizin sowie für Psychiatrie und Psychotherapie.

Kinder von suchtkranken Eltern oft unterentwickelt

Judith Kunkis ist eine von mehreren Sozialarbeitenden, die sich um die Familien kümmern. Sie fungiert als eine Art Schnittstelle zwischen den Betroffenen, den Therapieangeboten an den Kliniken und den Behörden. "Ganz wichtig ist die enge Zusammenarbeit der verschiedenen medizinischen Fachbereiche. In Teamsitzungen wird über den jeweiligen Fall und das weitere Vorgehen beraten", sagt sie.

Die Kinder- und Frauenklinik liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zur Suchtambulanz in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie. So werden die konsumierenden Frauen und ihre Kinder, die laut Pilhatsch häufig unterentwickelt und mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen zur Welt kommen, während der Schwangerschaft und auch danach von den Ärztinnen und Ärzten am Uniklinikum betreut.

Das Projekt "Mama, denk' an mich" unterstützt die jungen Frauen insbesondere nach der Geburt in ihrer neuen Aufgabe und soll verhindern, dass Eltern und Kind getrennt werden müssen.

"Abstinenz ist das oberste Ziel der Behandlung"

Meist findet vor der Aufnahme in das Programm ein Gespräch mit den Patientinnen in der Suchtambulanz statt. Die Frauen finden den Weg über Suchtberatungsstellen, Streetworker oder Frauenärzte in die Klinik. "Danach ist Abstinenz das oberste Ziel der Behandlung", so der Medizinier. Das werde mittels Urinkontrollen regelmäßig überprüft.

In einer etwa sechsmonatigen Phase mit gemeinsamen Sitzungen in der Müttergruppe werden die Frauen auch durch den Sozialdienst betreut. "Stress und Drogenkonsum hängen eng zusammen", so Pilhatsch. Schulden, Wohnungs- und Arbeitslosigkeit, ungewollte Schwangerschaft, Überforderung – bei diesen Themen helfen die Sozialarbeiter des Programms.

Nun soll das Angebot erweitert werden – auch mithilfe eines Preisgeldes. Das Team um Maximilian Pilhatsch ist für das Projekt mit dem Otsuka Team Award Psychiatrie in Höhe von 10.000 Euro ausgezeichnet worden. Über die Stiftung zur Förderung der Hochschulmedizin Dresden wird diese Summe genutzt, um Familien, die für die Behandlung aus dem Dresdner Umland ans Uniklinikum fahren müssen, bei den Fahrtkosten zu unterstützen.