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30 Jahre "Roter Baum" in Dresden: "Einiges von früher wäre jetzt undenkbar"

Der "Rote Baum" ist ein gemeinnütziger Jugendverein in Dresden mit deutlich politischer Botschaft. Kristin Hofmann ist von Anfang an dabei.

Von Dirk Hein
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Kristin Hofmann organisiert die Feier "30 Jahre Roter Baum". Die heute 38-Jährige ist fast ebenso lange mit dabei.
Kristin Hofmann organisiert die Feier "30 Jahre Roter Baum". Die heute 38-Jährige ist fast ebenso lange mit dabei. © Marion Doering

Dresden. Die erste Ferienfahrt ohne Eltern, das erste echte Heimweh, das erste Mal verliebt, jeden Sommer ins Ferienlager, gleichzeitig täglich im Jugendhaus, später selber Betreuerin und Vorstand vom Roten Baum: Im Leben von Kristin Hofmann dreht sich viel um einen der bekanntesten politischen Vereine der Stadt. Am Wochenende organisiert die 38-Jährige das große Fest zu Ehren des Roten Baumes - und blickt zurück.

Im Pionierferienlager mit Kindern aus dem "Westen"

Seit Kristin Hofmann denken kann, geht es für sie ins Ferienlager. Noch zu DDR-Zeiten tobte sie durch die Pionierferienlager in Papstdorf und Seifhennersdorf - dort zusammen mit Kindern und Betreuern aus dem "Westen" - eine Art Jugendaustausch mit Pionierkindern aus der BRD. Nach der Wende liegen dann schnell die Prospekte vom Roten Baum zu Hause auf dem Tisch.

"Die durften mein Bruder und ich durchschauen und entscheiden, wo es hingeht. Ich erinnere mich noch an die oft launigen Beschreibungen der Ferienlager", sagt Kristin Hofmann. Dass die Ferienlager über den Roten Baum gebucht werden, war dabei eigentlich immer klar. "Meine Mutter ist auch Genossin, es war logisch, dass wir zum Beispiel nicht zu den Pfadfindern gehen, wir sind links erzogen worden. Der Wertekanon vom Roten Baum war immer wichtig."

Im Wertekanon des gemeinnützigen Jugendvereins steht beispielsweise: "Wir sind uns bewusst, dass jeder Mensch wertvoll ist und die Chance haben muss, sich unabhängig von seiner ethnischen, sozialen und kulturellen Herkunft selbst zu verwirklichen." Tilo Kießling, Gründungsmitglied und Vorsitzender des Roten Baumes in der Zeit von 1993 bis 2003 und gleichzeitig noch immer Stadtrat der Linken, fasst das so zusammen: "Der Rote Baum: Da darf jeder hinkommen, nur keine Nazis."

Der Rote Baum und die Linke

Junge Menschen sollen zuerst Nutznießer des Vereins sein, egal ob im Jugendhaus oder als Teilnehmer an den Ferienlagern oder an der Jugendweihe. Später übernehmen sie selbst Aufgaben, sind kurze Zeit später Programmgestalter in den Jugendhäusern und Betreuer bei Fahrten und Ferienlagern - und übernehmen gerne auch Aufgaben bei den Linken. Egal ob Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch, Ex-Stadtrat Uwe Schaarschmidt, der Thüringer Regierungssprecher Falk Neubert oder Stadtbezirksbeirat Sven Houska: Die Verbindungen zwischen Partei und Verein sind vielfältig und gewollt. Kristin Hofmann ist da keine Ausnahme.

Im Sommer 1995, bei ihrer ersten Ferienfahrt mit dem Roten Baum nach Jiřetín pod Jedlovou (bei Děčín) ohne die eigene Mutter, spielte all dies längst noch keine Rolle. "Ich hatte echt Heimweh, doch meine Betreuer haben mich gepampert, ich wurde nicht alleine gelassen mit meinen Sorgen."

Was in Erinnerung geblieben ist: "Es war alles sehr selbstbestimmt. Wir haben D-Mark in Kronen getauscht, hatten eigenes Taschengeld, was am Ende immer alle war." Kristin Hofmann sprich von den klassischen Dingen, dem Neptunfest, den Nachtwanderungen und den "Lagerhochzeiten".

Auf die Frage, was das denn sei, holt die jetzige Leiterin der Stadtgeschäftsstelle der Linken und Vorständin des Roten Baumes weiter aus. "Da wurden die größten Streithähne oder die auffälligsten Jugendlieben im Spaß verheiratet." Als Betreuerin würde sie so eine Lagerhochzeit immer noch einplanen. Die Rahmenbedingungen wären aber andere. "Wir würden viel selbstverständlicher zwei Jungen oder zwei Mädchen 'trauen'. Was sich in unserer Gesellschaft verändert hat, wird auch im Lager nicht ausgeblendet." Auch der Begriff Ferienlager sei verschwunden, ersetzt durch Ferienfahrt. Einiges von früher sei jetzt eben undenkbar.

Bleibend ist hingegen die Erinnerung an die im Ferienlager gefärbten Haare - sie rot, ihr Bruder grün. "Obwohl es keine dauerhafte Farbe war, hat sich meine Mutter furchtbar aufgeregt." Zuletzt im Jahr 2000 fuhr die damals 16-Jährige selber mit, zwei Jahre später war sie Betreuerin. "Es war eine sehr intensive Zeit. Es gab Fälle, in denen man wirklich eng und vertrauensvoll mit den Kindern geredet hat, ihnen erklären konnte, dass das Körperbild aus der Bravo nicht der Maßstab sein muss." Und: "Ich glaube, ich habe etwas mitgeben können."

Generell engagiert sich Kristin Hofmann viel - im Studium in unterschiedlichsten Gremien - und im Roten Baum. Sie betreut Kinder bei den Vorbereitungsprogrammen zur Jugendweihe, verbringt jeden Tag im Jugendhaus des Roten Baumes in Pieschen. Fast schon zwangsläufig springt dieses Engagement auf die Politik über. Die junge Frau arbeitet im Landesvorstand der Linksjugend und später im Stadtvorstand der Linken.

"Das wird eine große Feier"

Wenn am 28. Januar der Rote Baum zum 30. Geburtstag ins Haus der Begegnung an die Großenhainer Straße einlädt, wuselt Kristin Hofmann wieder im Hintergrund. "Das wird eine große Feier mit Tanz und Anstoßen, alle, die früher schon dabei waren, können und sollen sich wieder treffen."

"Das wird eine große Feier mit Tanz und Anstoßen": Kristin Hofmann.
"Das wird eine große Feier mit Tanz und Anstoßen": Kristin Hofmann. © Marion Doering

Dass eine Partei dabei dominiert, stört niemanden. "Wir sind ein werteorientierter Jugendverein und diese Werte sind deutlich links." Juristisch und finanziell ist der Verein unabhängig, "es gibt aber personelle Überschneidungen".

Am wenigsten zu spüren sein soll das bei den Kindern. Kristin Hofmann: "Es gibt auch Eltern, die unseren Kanon nicht teilen und die ihre Kinder dennoch zu uns schicken. Das ist gut. Die Kinder sollen Toleranz lernen und ihre Themen untereinander aushandeln, wir wollen allen offen begegnen."

25.000 Kinder und Jugendliche hatten mit dem als freier Träger der Jugendhilfe gegründetem Verein Kontakt, meist über Ferienfahrten, Jugendweihe oder im Jugendhaus. Der Rote Baum wird unter anderem von der Landeshauptstadt gefördert. Alle Dresdner Kinder erhalten eine Wohnortförderung von 20 Euro pro Tag für eine Ferienfahrt, hinzu kommen weitere Ermäßigungen für Geringverdienende sowie Geschwisterkinder. Neben teilnehmenden Kindern sucht der Verein aktuell wieder verstärkt Betreuer.