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Dresdens erste Steinbrücke: 800 Jahre alte Pfeilerfüße werden wieder freigelegt

Unter der Augustusbrücke gibt es noch Teile von Dresdens erster Steinbrücke. Wann sie von Bürgern wieder besichtigt werden können.

Von Peter Hilbert
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Archäologin Mareike Wichmann von der Stadt Dresden und Rebecca Wegener vom Landesamt für Archäologie (v.l.) zeigen einen alten Stein der ersten steinernen Dresdner Elbebrücke.
Archäologin Mareike Wichmann von der Stadt Dresden und Rebecca Wegener vom Landesamt für Archäologie (v.l.) zeigen einen alten Stein der ersten steinernen Dresdner Elbebrücke. © Marion Doering

Dresden. Die Sanierung der Augustusbrücke ist abgeschlossen. Ende August konnte das Hängegerüst an der elbabwärts liegenden Seite des zweiten Bogens neben dem Terrassenufer abgebaut werden. Dort waren die Fassaden aus Sandstein und die Unterseite aus Beton instandgesetzt worden.

Dennoch muss noch eine Aufgabe erfüllt werden. Deshalb ist Rebecca Wegener an diesem Tag am Neustädter Ufer unter dem fünften Bogen der Augustusbrücke unterwegs. Die promovierte Fachfrau vom Landesamt für Archäologie ist für den mittelalterlichen Stadtkern zuständig und inspiziert hier bedeutende Zeugnisse der Dresdner Brückengeschichte. Mit dabei ist Mareike Wichmann. Die Archäologin kümmert sich im Amt für Kultur und Denkmalschutz der Stadt um die Bodendenkmalpflege.

Auf dieser Federzeichnung von Gabriel de Thola von 1570 ist die alte Dresdner Elbebrücke aus Richtung Osten zu sehen. Markant sind die Tortürme.
Auf dieser Federzeichnung von Gabriel de Thola von 1570 ist die alte Dresdner Elbebrücke aus Richtung Osten zu sehen. Markant sind die Tortürme. © Städtische Galerie Dresden – Kunstsammlung

Genau unter diesem Bogen sind noch Pfeilerfüße von Dresdens erster Steinbrücke über die Elbe erhalten. Das sind mit die ältesten noch erhaltenen Zeugen dieses Bauwerks. Um sie zu schützen, waren während der Bauarbeiten Wasserbausteine auf diesen wertvollen Denkmalen aufgeschüttet worden. Denn 2022 hatten die Bauleute dort Gerüste aufgestellt, um die Bogenunter- und Stirnseiten im Sommer noch zu sanieren.

Der Großteil der Wasserbausteine auf den uralten Pfeilerfüßen wurde zwar beräumt, aber eben nicht alle. "Sie müssen noch von der Stadt beräumt werden", erklärt Archäologin Wegener. "Wichtig ist, dass dies fachgerecht geschieht." Schließlich sollen sie genau dort erhalten bleiben, wo sie bereits rund 800 Jahre überstanden haben.

Uralte Zeugen der Dresdner Baugeschichte können auf der Neustädter Seite der Augustusbrücke besichtigt werden. Dazu gehört auch dieser Stein.
Uralte Zeugen der Dresdner Baugeschichte können auf der Neustädter Seite der Augustusbrücke besichtigt werden. Dazu gehört auch dieser Stein. © Peter Hilbert

Das Besondere ist, dass sich Bürger bei Niedrigwasser der Elbe dieses besondere Stück der Dresdner Stadtgeschichte ansehen können. "Auch für unser Amt ist es wichtig, dass unser archäologisches Erbe sichtbar bleibt", sagt Bodendenkmalpflegerin Wichmann. "Deshalb setzen wir uns sehr für die Erhaltung solcher archäologischen Denkmale ein."

Das sind die untersten Steine der rund 800 Jahre alten Pfeilergründung der ersten steinernen Dresdner Elbebrücke. Beräumt werden müssen noch die darüber liegenden Wasserbausteine, die sie während der Sanierung schützen sollten.
Das sind die untersten Steine der rund 800 Jahre alten Pfeilergründung der ersten steinernen Dresdner Elbebrücke. Beräumt werden müssen noch die darüber liegenden Wasserbausteine, die sie während der Sanierung schützen sollten. © Peter Hilbert

Genau das will auch das Tiefbauamt tun, versichert die Behörde auf Anfrage von Sächsische.de. Zwei Drittel der Pfeilerfüße seien bereits freigelegt. Nach einem Ortstermin mit dem Landesamt für Archäologie am 28. Juli wurde festgestellt, dass auch der Rest noch zu beräumen ist. "Als die Arbeitskräfte hierfür zur Verfügung standen, war das Wasser schon wieder gestiegen", erklärt das Tiefbauamt. In der nächsten Niedrigwasser-Periode werden Mitarbeiter der Stadt die letzten Wasserbausteine auf den alten Pfeilerfüßen beräumen, versichert die Behörde.

Diese untersten Lagen von zwei Pfeilergründungen sind auch die ältesten Zeugen von Dresdens stolzer Brückentradition. Schon im 11. Jahrhundert soll dort, wo heute die Augustusbrücke die Elbe überspannt, eine Holzbrücke gestanden haben. Für die wurden ab 1119 Pfeiler aus Stein errichtet. Die steinerne Elbbrücke soll zwischen 1173 und 1222 gebaut worden sein. Darauf verweist auch eine Tafel am Neustädter Brückenende. Das war eines der großartigsten Brückenbauwerke des Mittelalters.

Bei Niedrigwasser der Elbe wie in diesem Sommer konnten die alten Pfeilerfüße besichtigt werden.
Bei Niedrigwasser der Elbe wie in diesem Sommer konnten die alten Pfeilerfüße besichtigt werden. © Peter Hilbert

Die Dresdner Brücke übertraf mit ihren 561 Metern den steinernen Bau von Regensburg, der 330 Meter lang war. Mit ihren 24 Pfeilern und 23 Bögen reichte die Brücke bis zum Georgentor und war die längste hochmittelalterliche Brücke nördlich der Alpen im Gebiet des Deutschen Reiches. Zwischen 1727 und 1731 wurde die Brücke unter Leitung von Landbaumeister Matthäus Daniel Pöppelmann und Ratsmaurermeister Johann Gottfried Fehre umgebaut und galt dann als die schönste Europas.

Doch das Pöppelmannsche Bauwerk wurde Ende des 19. Jahrhunderts mit zu engen Bögen und zu niedrigen Pfeilern zum Hindernis für die Schifffahrt und bei Hochwasser. Zudem konnte die Brücke den wachsenden Verkehr nicht mehr aufnehmen. Also wurde sie ab 1907 abgerissen und bis 1910 die heutige Augustusbrücke mit neun Bögen errichtet.

Unter dem fünften von ihnen aus der Altstädter Richtung gesehen, lag im Sommer wieder die unterste Steinschicht der Pfeiler 14 und 15 des alten Vorgängers frei. Diese Steine sind direkt über dem Flusskies. Die Pfeiler waren vor dem Bau der neuen Augustusbrücke 1907 und 1908 zum Großteil abgerissen worden. Bereits damals hatte sich bei Untersuchungen herausgestellt, dass die Fundamente beim Pfeiler 14 weitgehend und beim Pfeiler 15 teilweise aus der Bauzeit an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert stammen. Die Brücke wurde beim Neubau aber nur so weit abgerissen wie nötig.

Die untersten Steine der Pfeilergründung, also des Fundaments, waren offenbar nicht mehr im Wege. Deshalb blieben sie erhalten, vom Pfeiler 14 nahe der Elbe etwas mehr als vom Pfeiler 15. "Direkt in der Elbe, die immer wieder ausgebaggert wird, dürfte so etwas nicht mehr sein", hatte Thomas Westphalen bereits beim extremen Niedrigwasser 2018 erklärt. Der Experte war bis August dieses Jahres zuständiger Abteilungsleiter im Landesamt für Archäologie und ging dann in Rente. Direkt unter dem Schloßplatz sind aber noch weitere Reste der bis dahin reichenden romanischen Brücke erhalten, auch am Neustädter Brückenende.

Dieser etwa 800 Jahre alte Sandstein wurde mit Schlägel und Eisen bearbeitet, was an den Kerben sichtbar ist.
Dieser etwa 800 Jahre alte Sandstein wurde mit Schlägel und Eisen bearbeitet, was an den Kerben sichtbar ist. © René Meinig

Vor allem an der Bearbeitung der jetzt freiliegenden Steine sei ihr Ursprung deutlich erkennbar. Westphalen hatte an den Pfeilerresten unweit der Elbe gut sichtbare Aussparungen gezeigt. "Sie waren für Eisenklammern, die die Steine zusammengehalten haben", verwies er auf den Zweck. Der wurde offenbar über Jahrhunderte hinweg erfüllt. Weitere Sandsteine sind mit dem für damalige Zeiten typischen Schlägel und Eisen bearbeitet. "Damit wurden sie in die gewünschte Form gebracht", erläuterte der Archäologe. Deutlich sichtbar sei dies an den langen Kerben auf den uralten Brückensteinen.

Sie stammten damals aus Brüchen in der Sächsischen Schweiz. Von dort wurden sie mit Lastkähnen auf der Elbe nach Dresden gebracht. Die Brückenbauer hatten die Pfeilerfüße so gut errichtet, dass Pöppelmann sie über 500 Jahre später für seine neue Brücke nutzen konnte.

Das sind Reste von Holzpfählen, die bei der Instandsetzung nach der Flut 1845 in den Boden gerammt wurden.
Das sind Reste von Holzpfählen, die bei der Instandsetzung nach der Flut 1845 in den Boden gerammt wurden. © René Meinig

Außerdem zu sehen sind noch Stümpfe von Holzpfählen. Bei Untersuchungen hatte sich herausgestellt, dass sie von 1845 stammen. Bei einem gewaltigen Hochwasser hatten sich am 31. März Eis und Treibholz so gestaut, dass der fünfte Pfeiler mit einem vergoldeten Kruzifix einstürzte. Die Holzpfähle waren bei der damaligen Brückenreparatur in den Untergrund gerammt worden.