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Die neue Asylunterkunft am Rande Dresdens: Was Nachbarn nach ihrem Besuch von ihr halten

Nachbarn der neuen Asylunterkunft in Dresden-Niedersedlitz haben am Donnerstag einen Blick in die Container werfen dürfen. Wie sie reagierten, welche Fragen sie hatten und wie viele Geflüchtete 2024 erwartet werden.

Von Julia Vollmer & Alexander Schneider & Andreas Weller
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Besuch von den Nachbarn: Anwohner konnten am Donnerstag die neue Asylunterkunft an der Windmühlenstraße im Dresdner Stadtteil Niedersedlitz besichtigen. Am Montag wird diese in Betrieb gehen.
Besuch von den Nachbarn: Anwohner konnten am Donnerstag die neue Asylunterkunft an der Windmühlenstraße im Dresdner Stadtteil Niedersedlitz besichtigen. Am Montag wird diese in Betrieb gehen. © René Meinig

Dresden. Fünf Grad, Dauerregen, riesige Pfützen und Schlamm machen den Anblick des Standortes an der Windmühlenstraße noch trostloser als es Container-Unterkünfte eh schon sind. Bis zu 152 Personen sollen dort untergebracht werden, vor allem Familien. Am kommenden Montag werden die ersten Menschen aus Venezuela die Container beziehen. Auch einige Geflüchtete aus Staaten der russischen Föderation und Syrien sind für den Standort vorgesehen. Wie reagieren Nachbarn auf das neue Heim am Rande der Stadt?

Die Stadt hat an diesem Donnerstag zu einem offenen Nachmittag eingeladen. Eine Frau, die gleich gegenüber wohnt, erkundigt sich nach der Sicherheit. Sie zeigt sich beruhigt, als sie erfährt, dass der Sicherheitsdienst rund um die Uhr im Einsatz sein wird.

Nachbarn zur neuen Asylunterkunft: "Besser, als ich es mir vorgestellt habe"

"Irgendwo müssen die Menschen ja hin", sagt eine andere Nachbarin. "Begeistert sind wir nicht." Aber das liege eher an den Kriegen in der Welt. Den Protesten, die es vor einiger Zeit wegen des Standortes gab, habe sie sich nicht anschließen wollen. "Wichtig ist, dass für Sicherheit von außen und von innen gesorgt ist", sagt sie. "Die Räume sind nicht luxuriös, aber schon besser, als ich es mir vorgestellt habe. Hier können Familien gut leben."

Doppelstockbett, Tisch und Schränke: So sieht es in den Familienunterkünften an der Windmühlenstraße aus.
Doppelstockbett, Tisch und Schränke: So sieht es in den Familienunterkünften an der Windmühlenstraße aus. © René Meinig
Die Geflüchteten haben Küchen in den Containern, in denen sie selbst kochen werden.
Die Geflüchteten haben Küchen in den Containern, in denen sie selbst kochen werden. © René Meinig
In der neuen Unterkunft gibt es auch Gemeinschaftsräume.
In der neuen Unterkunft gibt es auch Gemeinschaftsräume. © René Meinig

Die Familien sollen weitgehend selbstbestimmt und eigenverantwortlich hier in Niedersedlitz wohnen, so das Sozialamt. Gekocht wird selbst. Beim Ankommen erhalten die Geflüchteten Unterstützung von der Heimleitung sowie von Sozialarbeitern. Die Familien bewohnen jeweils einen Container mit Bad und Kochnische. Gemeinschafts- und Waschmaschinenräume, Büros für die Heimleitung und den Wachschutz, ein Erste-Hilfe-Zimmer sowie Lagerflächen gibt es ebenfalls.

Der Bedarf an Plätzen für Geflüchtete ist groß: In diesem Jahr erwartet die Stadt weitere 2.200 zugewiesene Menschen. Eine genaue Jahresprognose der Landesdirektion gibt es bis dato nicht. Die Behörde kündigt ihre Zuweisungen derzeit etwa fünf Wochen im Voraus an.

Rund 570 Geflüchtete mehr aufgenommen als 2022

2023 hat Dresden 2.125 Geflüchtete aufgenommen, wie das Sozialamt am Donnerstag mitteilte. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 waren es 1.556 Personen, 2021 genau 929 Personen und im Jahr davor 592 Personen. Die Hauptherkunftsländer der 2023 untergebrachten Menschen waren Syrien, Afghanistan, die Russische Föderation, Irak, Türkei, Venezuela, Libanon, Georgien, Libyen, Iran und Pakistan.

Ende Dezember befanden sich insgesamt 4.369 Geflüchtete in der Obhut der Stadt, darunter 166 Geflüchtete aus der Ukraine. Die meisten Menschen waren in den Stadtbezirken Prohlis (1.153 Personen), Cotta (867), Neustadt (753) und Altstadt (660) untergebracht.

Der Stadtrat hatte im vergangenen Jahr die Errichtung von sechs Container-Standorten beschlossen. Die ersten sind im Januar in Betrieb gegangen - in Gorbitz am Altgorbitzer Ring, in der Johannstadt am Sachsenplatz, an der Löwenhainer Straße in Seidnitz, an der Geystraße in Strehlen sowie an der Industriestraße in Trachau. Nun folgt die Unterkunft an der Windmühlenstraße in Niedersedlitz.

Dresden ist wie alle kreisfreien Städte und Landkreise aufgrund des Sächsischen Flüchtlingsaufnahmegesetzes dazu verpflichtet, alle von der Landesdirektion Sachsen zugewiesenen Geflüchteten aufzunehmen, betont die Stadtverwaltung. Mit den neuen Containern, den Wohnungen und Wohnheimen könne man die Unterbringungspflicht voraussichtlich bis Herbst 2024 erfüllen, schätzt die Stadt. Was danach passiert? Möglicherweise müssten die Kapazitäten angepasst werden, heißt es aus dem Rathaus. Man beobachte fortlaufend.

"Betrieb am Sachsenplatz ist sehr ruhig gestartet"

Das kleine Containerdorf an der Windmühlenstraße wird von den Johannitern und der Caritas betrieben. Darüber hinaus werden die Geflüchteten sozial betreut. In den bereits eröffneten Unterkünften am Sachsenplatz und der Löwenhainer Straße übernimmt das der Ausländerrat Dresden. 20 Sozialarbeiter kümmern sich um alle Beratungsanliegen. An anderen Standorten sind darüber hinaus der Verein Afropa, die Caritas und das Sächsische Umschulungs- und Fortbildungswerk Dresden (SUFW) im Einsatz. "Wir erleben, dass der Betrieb am Sachsenplatz sehr ruhig gestartet ist und betreuen dort die alleinreisenden Männer, die dort leben", sagte Sozialarbeiterin Ruth Schilling.

Ausländerrats-Chef Christian Schäfer-Hock macht sich für die Förderung der Migrationssozialarbeit stark, Ruth Schilling leistet diese beispielsweise in der Unterkunft am Sachsenplatz.
Ausländerrats-Chef Christian Schäfer-Hock macht sich für die Förderung der Migrationssozialarbeit stark, Ruth Schilling leistet diese beispielsweise in der Unterkunft am Sachsenplatz. © René Meinig

In der Löwenhainer Straße in Seidnitz leben Geflüchtete mit besonderem Schutzbedarf, etwa queere Menschen. "Sie wollen alle schnell arbeiten und in eigene Wohnungen umziehen, das sind aktuell die häufigsten Beratungsanliegen", so Schilling. Ausländerrat-Geschäftsführer Christian Schäfer-Hock betont, dass die Migrationssozialarbeit dringend weiter gefördert werden müsse. Die Vorlage zu den Kosten für die Betreuung und Unterbringung der Geflüchteten steht Ende Februar auf der Tagesordnung im Stadtrat.

Der offene Nachmittag in Niedersedlitz verläuft friedlich, so das Fazit der Stadtverwaltung - trotz einzelner Pöbler, die sich abfällig über das neue Heim und Geflüchtete äußern. Die meisten anderen Besucher fragen sachlich. Manche überlegen, ob sie den Familien, die ab Montag hier ankommen, nicht auch ihre Hilfe anbieten können.