Dresden
Merken

Was wird da in das Dresdner Schauspielhaus gefädelt?

In der Theater-Sommerpause wird die Technik im Dresdner Schauspielhaus erneuert. Wie eine knapp 14 Meter lange Stange durch die Gänge transportiert wird.

Von Peter Hilbert
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Fingerspitzengefühl ist beim Anheben der fast 14 Meter langen Stange gefragt, die durch ein Fenster wieder ins Dresdner Schauspielhaus kommen soll.
Fingerspitzengefühl ist beim Anheben der fast 14 Meter langen Stange gefragt, die durch ein Fenster wieder ins Dresdner Schauspielhaus kommen soll. © René Meinig

Dresden. Laut brummt der Motor des Schwerlastkrans, als er vorm Schauspielhaus langsam die gewaltige Stange emporhebt. Am anderen Ende hängt sie an einem weiteren Kranarm. Der Schwertransport ist an diesem Morgen gerade aus Dortmund eingetroffen, wo das 13,5 Meter lange und 42 Zentimeter starke Teil instandgesetzt wurde, erklärt Projektleiter Holger Schmidt vom Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB). Dabei handelt es sich um einen Tauchkolben, der in der Fachsprache Plungerstange genannt wird. Sie gehört zum hydraulischen System, die ein Herzstück der Bühnentechnik des 1913 eröffneten Schauspielhauses ist.

Die Technik bleibt zwar für die Besucher unsichtbar. Sie ermöglicht aber das sekundenschnelle, scheinbar leichte Auftauchen und Verschwinden von riesigen Bühnenbildern. "Jeweils zwei dieser Stangen tragen und bewegen eines der drei hydraulischen Hubpodien", erläutert Schmidt. Die Besonderheit: Die Hydraulik wird mit Wasser betrieben. Der SIB nutzt die jährlichen Spielzeitpausen im Sommer, um Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten an der Technik auszuführen.

Hier ist die lange Stange der Bühnenmaschinerie am 11. Juli gerade aus der Bühnengrube gehoben worden.
Hier ist die lange Stange der Bühnenmaschinerie am 11. Juli gerade aus der Bühnengrube gehoben worden. © Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement

"Im Sommer vergangenen Jahres hatten wir Schäden an der verchromten Oberfläche der Plungerstange festgestellt", verweist der Projektleiter auf den Ausgangspunkt. Die 1993 eingebaute Stange musste instandgesetzt werden. Jetzt wurde gehandelt. Bereits der Ausbau war äußerst schwierig. Mit einem extra dafür montierten Seilzug hoben die Fachleute der Dresdner SBS Bühnentechnik am 11. Juli die Stange aus der 15 Meter tiefen Bühnengrube empor.

Mit dem Transport durch einen schmalen Gang zum Fenster der Garderobe wurden die Fachleute der Dresdner Spezialfirma Ratschaisenträger beauftragt. "Wir existieren seit 1705 und sind somit Deutschlands ältestes Transportunternehmen", erklärt Geschäftsführer Willi Naumann. "Chaise stammt aus dem Französischen und steht für Sänfte." Mit denen haben früher die Träger des Unternehmens die Dresdner Ratsherren in ihre Wohnungen getragen, erläutert der 28-Jährige die Herkunft des Firmennamens. Heute ist das Unternehmen mit zehn Mitarbeitern im Gewerbegebiet am Felsenkeller ansässig und auf manuelle Transporte wertvoller Klaviere, Flügel oder Tresore und anderer Teile wie dieser Plungerstange spezialisiert. Im Schauspielhaus haben Neumanns Leute den äußerst schwierigen Transport durch den Gang zu bewältigen.

Langsam wird die gewaltige Stange auf einem Rollwagen und Holzpaletten durch den Gang wieder in Richtung Bühne bugsiert.
Langsam wird die gewaltige Stange auf einem Rollwagen und Holzpaletten durch den Gang wieder in Richtung Bühne bugsiert. © René Meinig

"Extra dafür mussten wir einen Statiker die mögliche Deckenbelastung prüfen lassen", sagt SIB-Projektleiter Schmidt. "Es war zwar knapp, aber die Tragfähigkeit hat gereicht." Der Boden wurde mit Holzplatten ausgelegt, um die Last der knapp drei Tonnen schweren Stange gut zu verteilen. Und so haben die Dresdner Spezialtransporteure sie verladen, damit sie per Schwertransport nach Dortmund gebracht werden konnte.

"Wir haben einen straffen Zeitplan", sagt Projektleiter Schmidt. Schließlich muss die Bühnentechnik zum Probenstart am 24. August wieder startklar sein. Die Dortmunder Firma Montanhydraulik ist eine der wenigen in Deutschland, die solche gewaltigen Hydraulikteile instand setzen kann. Zuerst kam die Stange dort in ein galvanisches Bad. "Mit diesem elektrochemischen Verfahren wurde das Chrom entfernt", erklärt Schmidt. Dann wurde auf einer übergroßen Drehmaschine ein halber Millimeter der schadhaften Oberfläche abgedreht. "So konnten die Riefen beseitigt werden, damit die Oberfläche völlig glatt ist." Die Dortmunder Spezialisten haben sie dann wieder verchromt und poliert. Dann konnte die frisch aufpolierte Plungerstange am vergangenen Donnerstag in Dortmund verladen und per Schwertransport über Nacht wieder nach Dresden gebracht werden.

Am Montagmorgen schwebt die Stange über der Bühne, damit sie in die Grube hinabgelassen werden kann.
Am Montagmorgen schwebt die Stange über der Bühne, damit sie in die Grube hinabgelassen werden kann. © Christian Juppe

Binnen einer Dreiviertelstunde hieven die Kräne am Freitagmorgen die Stange bis zum Fenster. Im Gang stehen zwei Hubwagen bereit, auf denen hölzerne Europalette gestapelt sind. "Noch ein Stück vor", ruft Maik Naumann, als die Stange im Gang langsam in Richtung der nächsten Tür rollt. Schließlich musst der Bruder des Chefs, der auch im Unternehmen arbeitet, mit dem Wagen samt Paletten durch die Tür kommen. Bei der kniffligen Aktion brauchen die Spezialtransporteure am Freitag noch viel Fingerspitzengefühl, bis sie am Ziel sind.

Betriebsingenieur Tino Ressel (r.), sein Vorarbeiter Frank Beate und Azubi Alexander Lange (l.) bugsieren die Stange in der Bühnengrube das letzte Stück hinab.
Betriebsingenieur Tino Ressel (r.), sein Vorarbeiter Frank Beate und Azubi Alexander Lange (l.) bugsieren die Stange in der Bühnengrube das letzte Stück hinab. © Christian Juppe

An diesem Montag haben die SBS-Bühnentechniker letztlich den Tauchkolben per Seilzug wieder in die Bühnengrube hinabgehievt. "Durch die eingespielte Zusammenarbeit der regionalen Firmen konnten wir die Stange sehr schnell einheben", sagt Tino Ressel, Leiter Betriebs- und Gebäudemanagement des Schauspielhauses. Am Montagabend war die Aktion geschafft. "Das war grandios. Ich bin sehr zufrieden", resümiert SIB-Sachgebietsleiter Volker Fischer. Projektleiter Schmidt habe mit Unterstützung eines Dresdner Ingenieurbüros die Aktion gut geplant. So konnten die Dresdner Transport- und Bühnentechnikspezialisten die Drei-Tonnen-Stange gut ein- und ausbauen.

Projektleiter Holger Schmid und Sachgebietsleiter Volker Fischer vom Baubetrieb des Freistaats SIB sowie Gebäudemanager Tino Ressel (v.l.) vom Schauspielhaus sind froh, dass die äußerst schwierige Aktion so gut über die Bühne gegangen ist.
Projektleiter Holger Schmid und Sachgebietsleiter Volker Fischer vom Baubetrieb des Freistaats SIB sowie Gebäudemanager Tino Ressel (v.l.) vom Schauspielhaus sind froh, dass die äußerst schwierige Aktion so gut über die Bühne gegangen ist. © René Meinig

Jetzt werden die Spezialisten der Radebeuler Firma Mondschein Hydrosystems die Anlage bis Ende dieser Woche noch komplett zusammenbauen. Sie wird dann unter den Kulissen wieder jahrzehntelang solide Hubarbeit an der Bühne leisten. Für die Instandsetzung hat der SIB rund 150.000 Euro investiert.