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Soll die St. Petersburger Straße schmaler werden?

Ein Baukultur-Verein will eine Diskussion in Dresden anschieben. Er hat Visionen für den Umbau der Innenstadt-Tangente. Diskutieren Sie mit!

Von Kay Haufe
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Viel Fläche für den Verkehr: Die St. Petersburger Straße ist heute eine mehrspurige Tangente, hier am Rathenauplatz.
Viel Fläche für den Verkehr: Die St. Petersburger Straße ist heute eine mehrspurige Tangente, hier am Rathenauplatz. © Sven Ellger

Dresden. Jeder Dresdner kennt sie und für jeden Verkehrsteilnehmer hält sie andere Herausforderungen bereit. Die Rede ist von der St. Petersburger Straße, die zweigeteilte Tangente, die die Innenstadt vom Hauptbahnhof bis zur Carolabrücke durchtrennt. Entstanden ist sie nach dem Leitbild der autogerechten Stadt. Logisch, dass deshalb vor allem der motorisierte Individualverkehr gut auf ihr vorankommt. Doch auch Radfahrer haben dank eigener Schutzstreifen dort inzwischen recht annehmbare Bedingungen, zumindest wenn sie geradeaus wollen.

Nachdem das Parken im Bereich zwischen Georgplatz und Hauptbahnhof nicht mehr möglich ist, entfällt dort auch die Gefahr durch plötzlich aufgehende Autotüren. Sie kosteten einer Radfahrerin im Jahr 2019 das Leben, nachdem sie über eine solche Tür gestürzt, auf die Straße gefallen und dort von einem Fahrzeug überrollt wurde.

Fußgänger warten an den Ampeln der St. Petersburger Straße indes oft sehr lang und schaffen es in einer Grünphase meist nicht, beide Fahrbahnen zu überqueren.

Was sagt der Baubürgermeister?

Auch Dresdens Verkehrs- und Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) ist mit der St. Petersburger Straße nicht glücklich. Ende Juli sagte er im Sommer-Interview mit der SZ, dass er sie für eine "überdimensionierte Verkehrsanlage" hält. Angesichts der rund 2.000 Wohnungen, die in den kommenden Jahren in den Neubauten der Lingnerstadt entstehen sollen, brauche Dresden "mittelfristig eine angepasste verkehrliche und städtebauliche Lösung." Wie die aussehen könnte, ließ Kühn offen.

Auch im Dresdner Verkehrsentwicklungskonzept 2025+ wird darauf hingewiesen, dass die St. Petersburger Straße insbesondere für Fußgänger und Radfahrer Probleme birgt. Doch sie biete auch eine schnelle Verbindung zwischen dem Süden und Norden der Stadt. Derzeit werden keine Möglichkeiten zur Umgestaltung gesehen.

Der Verein Stadtbild Deutschland hat Stephan Kühns Aussage zum Anlass genommen, eine eigene Lösung vorzuschlagen, die er allen Stadträten und dem Baubürgermeister zugesandt hat. Doch welche Ziele vertritt der Verein überhaupt? "Stadtbild Deutschland ist ein gemeinnütziger, bundesweit agierender Verein, der es sich zum Ziel gemacht hat, Baukultur zu erhalten und gleichsam neue, lebenswerte Umfelder zu schaffen. Die drei Säulen unseres Wirkens sind daher Denkmalschutz, Stadtreparatur und, wo es sich als besonders sinnvoll erweist, auch die Rekonstruktion", heißt es im Online-Auftritt. Auch in Dresden hat Stadtbild einen Ortsverband.

Was kritisiert der Verein am Ist-Zustand?

Die St. Petersburger Straße nehme zwischen Georgplatz und Carolabrücke auf einer Länge von einem Kilometer fast 100.000 Quadratmeter Fläche ein – und zwar ohne die Straßenbahntrasse, sagt der Pressesprecher des Vereins Stadtbild, Manuel Reiprich. Dazu zählten die überdimensionierten Knotenpunkte und ihre Abstandsflächen.Zum Vergleich führt Reiprich die Könneritzstraße an, die auf einem ebenso langen Abschnitt zwischen Kraftwerk Mitte und Marienbrücke inklusive der Straßenbahntrasse nur 28.000 Quadratmeter benötige, also weniger als ein Drittel, obwohl über sie ebenfalls eine Bundesstraße verläuft.

Man sehe das Aufgeben des historischen Stadtgrundrisses der Pirnaischen Vorstadt beim Wiederaufbau nach der Zerstörung im Februar 1945 als eklatanten Fehler an. Schuld sei die Neuplanung im Sinne der ‚autogerechten Stadt‘ und der ‚sozialistischen Moderne‘, so Reiprich weiter. Ebenso kritisiert er die „mangelhafte städtebauliche Figur“ der nördlichen Pirnaischen Vorstadt zwischen Terrassenufer und Pillnitzer Straße.

Welche Herangehensweise wird vorgeschlagen?

Aus Sicht von Stadtbild würde sich der historische Stadtgrundriss auch in heutiger Zeit eignen, die Funktionen intakter urbaner Stadtviertel zu erfüllen, ohne die Nachteile der gründerzeitlichen Strukturen zu wiederholen. Im Gegensatz zu anderen Planungen, die überwiegend bezuglos zur historischen Bedeutung des Ortes oder der gewünschten Funktionen entwickelt worden seien, wäre die Wiederherstellung historischer Straßenzüge und Bebauungsstrukturen geschichtlich begründet, nachvollziehbar und stelle eine organische Weiterentwicklung der Stadt dar.

Abweichende Planungen ignorierten den genius loci (Geist des Ortes) und stellten einen Fremdkörper dar. Wie schwer sich solche bezuglosen Neuplanungen behaupten können, zeige die bisherige Bebauung rund um den Postplatz oder im Umfeld der Prager Straße.

Was sind die wichtigsten Aspekte des Konzepts?

Neben der weitgehenden Wiederherstellung des historischen Stadtgrundrisses in der Lingnerstadt, der nördlichen Pirnaischen Vorstadt und entlang der St. Petersburger Straße sollte durch kleinteilige Parzellierung und Blockrandbauweise mehr Wohnraum entstehen sowie ruhige und begrünte Innenhöfe. Wichtig seien kurze Wegebeziehungen für Fußgänger und Radfahrer von der Altstadt über die St. Petersburger Straße. Das Konzept sieht vor, die zwischen Georgplatz und Carolabrücke aufgeweitete St. Petersburger Straße in ihren Ausmaßen stark zu komprimieren.

Die dafür wegfallende Begrünung müsste qualitativ hochwertig ersetzt werden, unter anderem am Promenadenring und der Lingnerallee. Auch die Offenlegung des Kaitzbaches ist ein Ziel.

Die Stadtplätze Pirnaischer Platz, Georgpatz und Rathenauplatz sollten eine bauliche Fassung erhalten mit kleineren Abstands- und weniger Verkehrsflächen. Zudem sollte die reichhaltige Geschichte der Pirnaischen Vorstadt sichtbar werden.

Wie könnte das aussehen im Vorher-Nachher-Bild ?

Der Pirnaische Platz

Heute zeigt sich der Pirnaische Platz vor allem als große Verkehrsfläche.
Heute zeigt sich der Pirnaische Platz vor allem als große Verkehrsfläche. © Sven Ellger
Die Visualisierung zeigt die zerstörte „Mohren-Apotheke“. Sie könnte wie mehrere andere Kopfbauten hier wieder errichtet werden, um den Platz zu fassen.
Die Visualisierung zeigt die zerstörte „Mohren-Apotheke“. Sie könnte wie mehrere andere Kopfbauten hier wieder errichtet werden, um den Platz zu fassen. © Visualiserung: Jens Schuppe

Grunaer Straße soll ebenfalls schmaler werden

Die Grunaer Straße ist heute ebenfalls eine zweigeteilte Verkehrstangente.
Die Grunaer Straße ist heute ebenfalls eine zweigeteilte Verkehrstangente. © Sven Ellger
So könnte eine schmalere Grunaer Straße aussehen, parallel dazu (rechts im Bild), soll die die Pirnaische Straße wieder entstehen.
So könnte eine schmalere Grunaer Straße aussehen, parallel dazu (rechts im Bild), soll die die Pirnaische Straße wieder entstehen. © Visualisierung: Jens Schuppe

Der Kaitzbach fließt offen

Blick vom Pirnaischen Platz in Richtung Rathenauplatz.
Blick vom Pirnaischen Platz in Richtung Rathenauplatz. © Sven Ellger
So könnte der Promenadenring vom Pirnaischen Platz in Richtung Rathenauplatz verlaufen: Mit offen gelegtem Kaitzbach. Ob er so eingemauert sein muss, darüber sollte man streiten.
So könnte der Promenadenring vom Pirnaischen Platz in Richtung Rathenauplatz verlaufen: Mit offen gelegtem Kaitzbach. Ob er so eingemauert sein muss, darüber sollte man streiten. © Visualisierung: Jens Schuppe

Blick in Richtung Wildsruffer Straße

Heute müssen Fußgänger mindestens zwei Ampeln nutzen, um in Richtung Wilsdruffer Straße voranzukommen.
Heute müssen Fußgänger mindestens zwei Ampeln nutzen, um in Richtung Wilsdruffer Straße voranzukommen. © Sven Ellger
Künftig soll der Pirnaische Platz zum Aufhalten einladen. Der Glasbrunnen wird einbezogen, die St. Petersburger Straße wird schmaler und so könnte der Blick aus der wiederhergestellten Pirnaischen Straße aussehen.
Künftig soll der Pirnaische Platz zum Aufhalten einladen. Der Glasbrunnen wird einbezogen, die St. Petersburger Straße wird schmaler und so könnte der Blick aus der wiederhergestellten Pirnaischen Straße aussehen. © Visualisierung: Jens Schuppe

Diskutieren Sie mit über diese Ideen!

Was halten Sie von den Vorschlägen des Vereins Stadtbild? Ist die St. Petersburger Straße wirklich zu überdimensioniert und wenn ja, wie und in welchem zeitlichen Rahmen sollte sie umgebaut werden? Oder finden Sie, dass die Straße genau richtig dimensioniert ist und man diese schnelle Verbindung auf keinen Fall verändern sollte?

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