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Urban-Gardening-Projekt in Dresden: Die Wolkenfarmerin

Ein junger Dresdner Verein namens "Wolkenfarm" gibt dem Hochbeet eine ganz neue Bedeutung und will das vertikale Gärtnern auf den Dächern der Stadt verbreiten. Franziska Krone gehört zu den Pionieren.

Von Nadja Laske
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Franziska Krone vor Wolken mit einem kleinen Teil ihrer Farm: eine Salatpflanze, die ohne Erde wächst und sehr wenig Wasser verbraucht. Das sollte die Zukunft sein, findet die Vertikal-Gärtnerin.
Franziska Krone vor Wolken mit einem kleinen Teil ihrer Farm: eine Salatpflanze, die ohne Erde wächst und sehr wenig Wasser verbraucht. Das sollte die Zukunft sein, findet die Vertikal-Gärtnerin. © Christian Juppe

Dresden. Es ist einer dieser unglaublich heißen Tage, an denen der Klimawandel als unumstößliches Argument über allem schwebt und förmlich jeden zwingt, Besserung zu geloben. Weniger kaufen, seltener Auto fahren, nie mehr fliegen, besser essen.

In dieser Hitze plätschert etwas und mutet an wie eine Fata Morgana. So frisch und lebendig inmitten des Dürstens und Welkens. Das Geräusch kommt aus zwei weißen Röhren, die in Franziskas Kleingarten stehen. Genau genommen ist es nicht ihr Garten, sondern der von Freunden. Doch er bietet Raum für ein Projekt, für das die 36-Jährige schon viele Unterstützer gewonnen hat.

Zum Weltverbessern sind es noch nicht genug. Deshalb erzählt Franziska Krone mit Leidenschaft von der Wolkenfarm, eine Begeisterung, die großes Potenzial zur Ansteckung hat. Wolkenfarm, so heißt der Verein, den sie zusammen mit Gleichgesinnten gegründet hat und dessen Vorständin sie ist. Selbst zu gärtnern, gilt als umweltbewusst und gesund. Doch nicht alle Menschen haben Platz dafür. In irgendeinem Haus aber wohnt jeder, und ein großer Teil davon hat ein flaches Dach.

Franziska Krone (36) zeigt die Pflanztürme des Wolkenfarm e.V.
Franziska Krone (36) zeigt die Pflanztürme des Wolkenfarm e.V. © Christian Juppe

Neue Form von Landschaftsgärtnerei im urbanen Raum

Da hinauf wollen Franziska und ihre Wolkenfarmer. Sie haben das sogenannte vertical farming zwar nicht erfunden, wollen es aber verbreiten - und dafür haben sie gute Gründe. "Wir wünschen uns eine neue Form von Landschaftsgärtnerei im urbanen Raum", sagt Franziska.

Gerade in Städten gebe es viel zu wenig Flächen, auf denen man Bete anlegen, pflanzen und ernten könnte. Und es werden durch weitere Bebauung immer weniger. Dem gegenüber steht eine große Quadratmeterzahl in luftiger Höhe, Dächer, die ungenutzt sind und als Gartenanlagen dienen könnten.

Da bekommt das Wort Hochbeet eine ganz neue Bedeutung. Hoch sind auch die Beete, die die Wolkenfarmer präferieren: Pflanztürme, die es bereits seit geraumer Zeit auf dem Markt gibt. Diese messen zwei Meter und zehn und bestehen aus einem Wassertank mit Pumpe und Röhren mit kleinen Aussparungen. Da hinein lassen sich Jungpflanzen setzen, die regelmäßig mit Wasser benetzt werden und ohne Erde zu stattlichen Salatköpfen, Tomatenstauden, Bohnenbüschen und Erdbeersträuchern heranwachsen.

Ernte ist in Dresdner Hochgärten vor Schnecken sicher

"Diese Art des Anbaus verbraucht 90 Prozent weniger Wasser als der herkömmliche", weiß Franziska. Gießt man ein Beet, versickert ein Großteil des Wassers im Boden und erreicht die Pflanze nicht. Der Pflanzturm benetzt die Stecklinge punktuell und effektiv.

Außerdem ist die Ernte vor Schnecken sicher. Die machen sich ja gern über alles Grüne her, das sie schleichend erklimmen können. Noch mehr Vorteile hat das vertikale Gärtnern: Es könnte zu mehr Selbstversorgung führen und dabei helfen, Lieferketten zu verkürzen.

Bodenlose Freshheit auf Dresdens Dächern

So dienen Pflanztürme anderen Orts bereits als hauseigener Gemüsemarkt für Restaurants. Köche holen sich ihre frischen Zutaten direkt vom Dach, das spart teure Einkäufe und Bestellungen, verkürzt Wege und im Kühlschrank zu verderben, braucht auch nicht mehr so viel. Überdies fallen Verpackungen weg, was ebenfalls die Umwelt schont.

Der Gedanke zum Gärtnern auf engstem Raum kam Franziska zusammen mit Nachbarn mitten in der Corona-Zeit. "Man konnte streckenweise nicht so richtig mit ruhigem Gefühl einkaufen gehen, da kam die Sehnsucht danach auf, sich am besten selbst zu versorgen", erinnert sie sich. Aber niemand hatte einen Garten zur Verfügung. Im Internet fanden die Pioniere des Alltags schließlich die Pflanztürme und kamen auf die Idee, sie mit den brach liegenden Flachdächern dieser Stadt zu kombinieren.

In dieser Zeit begannen die Gärtner der Zukunft die Gründung des Wolkenfarm e.V. vorzubereiten - mit dem Ziel, möglichst viele Pflanztürme anzuschaffen und auf Dächern der Stadt zu betreiben. Dächer, die gerade Flächen, Zugang zu Wasser und Strom bieten. Der Verein funktioniert wie eine Verbrauchergemeinde. Die Mitglieder gärtnern entweder selbst, zahlen 6,75 Euro Mitgliedsbeitrag im Monat und nutzen den Ertrag für sich. Oder sie konsumieren nur und zahlen 50 Euro Beitrag im Monat.

Dresdner Verein "Wolkenfarm" sucht Mitstreiter

"Wir suchen natürlich nach Mitstreitern, aber vor allem nach Dachflächen, auf denen wir das vertical farming ausbauen können", sagt Franziska. Die Ideen der Wolkenfarmer gehen inzwischen schon viel weiter. "Es ist auch möglich, die Pflanztürme in Räumen oder Gewächshäusern zu betreiben." Dafür ließen sich Möglichkeiten finden, möglichst ressourcenschonend Licht zu erzeugen.

Freunde des visionären Vegetarismus sind also willkommen. Sie erwartet nicht nur frischer Salat vom Dachgarten, sondern jede Menge Neuerergeist, Energie, Kreativität und Humor. Die Wolkenfarm ist nicht umsonst mit dem Spruch versehen: Bodenlose Freshheit. Man muss sich etwas trauen, findet Franziska. Alles beim Alten zu belassen, wäre eine Frechheit.