Dresden
Merken

Wie Kleingärtner in Dresden gefährdeten Wildbienen helfen

Mehr als die Hälfte der Wildbienenarten in Deutschland ist bestandsgefährdet. Mit einem Projekt versucht man nun in Dresden, dem entgegenzuwirken.

Von Bettina Klemm
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Kleingärtner Udo Wargowske kümmert sich im "Garten der Sinne" in Dresden um das Überleben der Wildbienen.
Kleingärtner Udo Wargowske kümmert sich im "Garten der Sinne" in Dresden um das Überleben der Wildbienen. © Sven Ellger

Dresden. Udo Wargowske führt Kinder im "Garten der Sinne" gern in die Geheimnisse der Wildbienen ein. Der Garten an der Magdeburger Straße wurde vom Kleingartenverein Menageriegärten angelegt. In dem großen Insektenhotel zieht Wargowske einen kleinen Schieber auf. Darin sind die verschiedenen Stadien – vom Ei über die Larve bis hin zur Puppe im Kokon – zu sehen. Die Wildbiene sei sehr fürsorglich und bette das befruchtete Ei in einem sogenannten Pollenbrot aus Nektar und Blütenstaub. Davon können sich die Larven ernähren. Er zeigt ein im März aufgenommenes Foto, auf dem nahezu vor jedem Loch des Insektenhotels eine Wildbiene sitzt.

Neben dem Insektenhotel ist auf einer Tafel der Lebenszyklus der Wildbienen erklärt. Auf einer anderen Tafel wird dem Betrachter gezeigt, wo die kleinen Insekten zu finden sind und welche unterschiedlichen Nisthilfe sie benötigen. Anders als die staatenbildenden Honigbienen bauen die meisten Wildbienen nur einzelne Nester. Mehr als die Hälfte dieser Arten ist hierzulande in ihrem Berstehen gefährdet.

Bezahlt wurden die Tafeln über das Zukunftsprojekt "Dresdner Wildbienengärten". "Dabei ging es um die Gestaltung insektenfreundlicher Lebensräume in Dresdner Kleingartenanlagen", erläutert Anne Bartuschka, Projektverantwortliche im Dresdner Umweltamt. Sie arbeitete dabei sehr eng mit dem Stadtverband der "Dresdner Gartenfreunde" und dem BUND Dresden zusammen.

220 Kleingärtner haben schon am Wildbienen-Seminar teilgenommen

In der Stadt gibt es aktuell 359 Kleingartenvereine, die rund 800 Hektar Fläche bewirtschaften. Zunächst erläuterte Wildbienenspezialistin Mandy Fritzsche von der BUND-Regionalgruppe in den Vereinshäusern interessierter Kleingärten die Bedeutung der Wildbienen. Knapp 600 Bienenarten sind in Deutschland nachgewiesen. Die kleinste Wildbiene ist nur wenige Millimeter groß, die größten Arten werden bis zu drei Zentimeter. "Uns ging es darum, den Kleingärtnern die Insekten näher zu bringen und ihnen zu zeigen, was diese brauchen. Dabei geht es nicht nur um die Bestäubung, viele Insekten sind auch gute Schädlingsjäger. Deshalb war es genauso wichtig, zu erklären, was die Wildbienen und andere für die Gärtner tun können", sagt die Bienenspezialistin.

Sie habe deshalb versucht, Insektenarten zu finden, die besonders nützlich für die Gärtner sind. Einige jagen Blattläuse, andere Stinkwanzen, die die Himbeeren ruinieren können. 220 Kleingärtner und Kleingärtnerinnen nahmen an den 23 Veranstaltungen teil und erhielten neben der Einführung in Lebensweise, Vorkommen und Bedeutung von Wildbienen praxisnahe Tipps zur Schaffung von Lebensräumen und Nahrungsangebot für Wildbienen und andere Nützlinge. Zum Projekt gehört auch ein Handbuch für die insektenfreundliche Gartengestaltung.

Die Kleingärtner Frank Leinert und Udo Wargowske helfen den gefährdeten Wildbienen.
Die Kleingärtner Frank Leinert und Udo Wargowske helfen den gefährdeten Wildbienen. © Sven Ellger

"Frau Fritzsche hat uns direkt am Standort beispielsweise über geeignete Pflanzen beraten", sagt Frank Leinert vom Garten der Sinne. Er zeigt auf Sand-Thymian, Perlgras, Wilde Möhre und Spornblume, die nun auf dem Areal wachsen. Da Wildbienen nur etwa 80 Meter weit fliegen, brauchen sie die geeignete Nahrung in unmittelbarer Nähe. Im Projektverlauf wurden 8.000 Samentütchen, bezogen vom regionalen Saatgutspezialisten Rieger-Hofmann, an die Gärtner verteilt, um Blühwiesen anzulegen. Es entstanden 8.000 Quadratmeter neue Blühflächen, davon 600 in den Projektgärten. Blumenzwiebeln wurden gesteckt, Insektennährgehölze und Staudenbeete gepflanzt.

"Nützlinge können Schädlinge in Schach halten, das habe ich konkret erlebt und hatte weniger Eier vom Kohlweißling an meinen Pflanzen", so Leinert. Der 38-Jährige hatte mit Tomatenpflanzen auf dem Balkon begonnen. Vor drei Jahren übernahm er einen Kleingarten und freut sich, dass er inzwischen sein Gemüse zum großen Teil selbst anbauen kann. Die Eltern seines Gartenfreundes Udo wiederum hatten bereits einen Garten. "So bin ich es von klein auf gewohnt" sagt der 57-Jährige. Blumen gibt es in seinem Garten nur für die Insekten.

Udo Wargowske hat häufig seinen Fotoapparat dabei. So zeigt er ungewöhnliche Aufnahmen. Zudem verfügt er über einen großen Bestand an Fachbüchern über Bienen und Co. Mehr als 70 Prozent der heimischen Arten stehen auf der Roten Liste. Sachsen ist dabei sogar trauriger Spitzenreiter. So kann das Wildbienenprojekt nur ein Anfang sein.

"Vom Bienensterben haben alle schon gehört"

Insektenhotels sind bei Kleingärtnern inzwischen beliebt. Sieben neue sowie je drei Totholzhaufen beziehungsweise Trockenmauern und Trockenpyramiden entstanden unter Anleitung des BUND. "Aber etwa drei Viertel der Arten nistet im Boden, gern an völlig vegetationsfreien Stellen. Da reicht oft schon ein Trampelpfad", sagt Mandy Fritzsche. So haben die Gärtner in dem Projekt nicht nur Totholz- und Steinpyramiden, sondern auch vier Sandarien angelegt. Dafür werden tiefe Löcher mit ungewaschenem Sand mit Tonteilchen gefüllt, in den die Wildbiene ihre Niströhre graben und diese mit Ei und Pollen füllen kann.

Ein solches Sandarium legte die Kleingartenanlage "Freier Blick" in Naußlitz an. "Wir fanden das Projekt großartig. An unserer Festwiese haben wir zwei Ecken als Blühwiesen angelegt, Info-Tafel aufgestellt und wir bauen gerade ein großes Insektenhotel", sagt Vereinsvorstand Marlies Hurtienne. Vom Insektensterben haben alle schon gehört. Aber dass auch Kleingärten insekten- und bienenfreundlicher gestaltet werden können, sei ihnen wichtig.

Die Anlage, die den zweiten Platz beim Wettbewerb um den schönsten Kleingarten belegte, sei bereits recht naturnah: So bleiben Brennnessel stehen, werde Jauchedünger selbst produziert und Regenwassertonnen aufgestellt. Auf einer Parzelle, die sich nicht gut verachten ließ, legten die Kleingärtner einen Projektgarten mit einem kleinen Teich an. Noch im August sollen dort Kinder mehr über Insekten und Pflanzen erfahren. Rund tausend Euro habe der Kleingartenverein vom Stadtverband, BUND und der Stadt als Unterstützung erhalten. "200 Euro zahlen wir jährlich aus unserer Vereinskasse dazu", sagt Hurtienne, die 2012 gemeinsam mit ihrem Mann ihren Garten übernommen hat.