SZ + Dresden
Merken

Dresdens älteste Burgruine bröckelt

Zwar haben tiefe Gräben und Wälle die Hauptburg im Helfenberger Grund in Dresden einst geschützt. Heute drohen aber ganz andere Gefahren.

Von Peter Hilbert
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Hoch empor ragt die Ringmauer der Hauptburg am Helfenberger Grund, auf der Archäologe Thomas Westphalen kniet. Fast 700 Jahre ist es her, als die Burg erstmals urkundlich erwähnt wurde. Doch die Ruine ist gefährdet.
Hoch empor ragt die Ringmauer der Hauptburg am Helfenberger Grund, auf der Archäologe Thomas Westphalen kniet. Fast 700 Jahre ist es her, als die Burg erstmals urkundlich erwähnt wurde. Doch die Ruine ist gefährdet. © René Meinig

Dresden. Hoch empor ragt die dicke Mauer auf dem Bergsporn über dem Helfenberger Grund, die Thomas Westphalen begutachtet. Sie umschließt die Hauptburg. "Das ist die einzige Burgruine in Dresden, die so erhalten ist", sagt der promovierte Archäologe, der Vorsitzender der Verein "Archäologische Gesellschaft in Sachsen" ist. Bis August vergangenen Jahres war der 66-jährige Abteilungsleiter im Landesamt für Archäologie und damit auch für den Schutz dieses und anderer bedeutender Denkmale zuständig.

Erstmals erwähnt wurde die spätmittelalterliche Burg im Lehnbuch Friedrich des Strengen von 1350 als "castrum" der Familie von Haugwitz. Denen folgten die Burggrafen von Dohna und weitere Eigentümer. Die Kernburg auf dem Bergsporn ist nur rund 250 Quadratmeter groß. Auf ihr könnte ein Wohnturm oder ein ähnliches Gebäude gestanden haben. Genau sei das nicht überliefert.

Da der Platz jedoch sehr begrenzt war, haben dort wahrscheinlich nur der adlige Eigentümer und seine Familie gewohnt. Der Archäologe verweist auf Brandspuren im Lehm von Mauern der Haupt- und der Vorburg. Das könnte ein Zeichen für einen Brand auf der Burg im Spätmittelalter sein.

An diesem Mauervorsprung könnte der Zugang zur Vorburg gewesen sein.
An diesem Mauervorsprung könnte der Zugang zur Vorburg gewesen sein. © René Meinig

Burg im Helfenberger Grund wurde im Krieg aufgegeben

Im 16. Jahrhundert entstand auf der anderen Talseite mit dem Vorwerk Helfenberg das spätere Rittergut. "Endgültig aufgegeben wurde die Burg wahrscheinlich im 17. Jahrhundert während des Dreißigjährigen Krieges", erläutert der Experte. Später verfiel sie und wurde zur Gewinnung von Baumaterial für das Herrenhaus auf der anderen Talseite genutzt.

Umringt ist die Hauptburg von einer bis zu 1,6 Meter starken Mauer aus dem damals üblichen groben Kalkmörtel und Granodiorit. Das ist ein mit Granit verwandtes Magmagestein. Auf einem rund zehn Meter breiten Streifen in Richtung des steil abfallenden Tals schließt sich die Vorburg an, die ebenfalls von einer so dicken Mauer aus Bruchsteinmauerwerk geschützt ist. Über viele Jahrhunderte hinweg war es üblich, Mauern mit solchen oder ähnlichen Techniken und Materialien zu errichten.

Über zehn Meter tief ist der innere der drei Burggräben. Sie haben mit ihren Wällen die Burg gut geschützt.
Über zehn Meter tief ist der innere der drei Burggräben. Sie haben mit ihren Wällen die Burg gut geschützt. © René Meinig

Auf der anderen Seite ist die Burg von drei tiefen Gräben und hohen Wällen umringt. Der größte Graben direkt vor der Burg ist über zehn Meter tief und 30 Meter breit. "Die Lage ist sehr günstig, da die Burg gut zu verteidigen war", erklärt Archäologe Westphalen.

Er hält es für möglich, dass die Burgruine in die Gestaltung des Helfenberger Schlossparks Anfang des 19. Jahrhunderts unter Lord Findlater einbezogen war. Einerseits gebe es noch Reste eines Wegs in Richtung des Herrenhauses mit dem Schlosspark auf der anderen Talseite. "Außerdem sehen die Mauern am Zugang zur Vorburg im Gegensatz zu den viel älteren Burgmauern noch viel jünger aus", sagt der Archäologe. "Sie müssen von der Gartengestaltung stammen. Denn für eine Burg brauchte man solche aufgeschütteten Steine nicht", schlussfolgert er.

Der Archäologe zeigt einen herausgebrochenen Mauerbrocken mit einem handgeformten Ziegelstein, der vermutlich aus dem 15. Jahrhundert stammt.
Der Archäologe zeigt einen herausgebrochenen Mauerbrocken mit einem handgeformten Ziegelstein, der vermutlich aus dem 15. Jahrhundert stammt. © René Meinig

Burgruine mit Ziegeln aus dem 15. Jahrhundert gebaut

Beim Vor-Ort-Termin erläutert der Archäologe, woran das Alter der fast 700 Jahre alten Burgruine deutlich wird. Einerseits waren hier Keramikscherben von Kochtöpfen und Schüsseln aus dieser Zeit gefunden worden. Zum anderen wird das auch an der Struktur von Mauern und Bruchstücken davon deutlich.

So zeigt Westphalen einen Mauerbrocken mit einem Felsstein und einem Ziegel, die noch nach Jahrhunderten vom Kalkmörtel zusammengehalten werden. "Der Ziegel ist in Handarbeit hergestellt." Er könnte aus dem 15. Jahrhundert stammen und hat das sogenannte Klosterformat. "Denn Klöster waren die ersten Ziegelbauten nördlich der Alpen", erklärt er. "Der Lehm für die Ziegel wurde in Holzformen gepresst, getrocknet, herausgenommen und dann gebrannt." Deshalb sind auf dem Ziegel im Mauerbrocken auch noch Fingerspuren vom Glattstreichen sichtbar.

An diesem herausgebrochenen Brocken wird das größte Problem sichtbar, das die uralte Burgruine hat. Sie bröckelt und droht zerstört zu werden. Auch die uralten Burgwälle erodieren. "Dass solche Brocken herunterfallen, ist dramatisch. Das ist ein Hinweis für die schleichende Zerstörung", sagt Westphalen. Einen Steinwurf talwärts liegt ein noch viel größerer Brocken des Bruchsteinmauerwerks.

Dieser große Brocken der jahrhundertealten Bruchsteinmauer ist schon abgebrochen und ein Stück den Hang am Helfenberger Grund hinabgestürzt.
Dieser große Brocken der jahrhundertealten Bruchsteinmauer ist schon abgebrochen und ein Stück den Hang am Helfenberger Grund hinabgestürzt. © René Meinig

Wurzeln zerstören Mauer der Burgruine im Helfenberger Grund

Vor fünf Jahren war Archäologie-Abteilungsleiter Westphalen mit einem Vertreter des städtischen Denkmalamtes und dem Stadtförster hier, um zu überlegen, was dagegen unternommen werden kann. So wurden zwei Hainbuchen auf der Mauer der Vorburg und weitere auf der Hauptburg, die perspektivisch gefällt werden müssen, mit roten Strichen gekennzeichnet "Denn ihre Wurzeln wachsen immer stärker in die Mauern hinein und zerstören sie letztlich", erklärt der Archäologe.

Deutlich wird das am Ende der Mauer der Vorburg, wo bereits ein riesiger Baum umgestürzt ist, dessen Wurzel Mauerteile herausgerissen haben. "Deshalb müssen wir Bäume absägen, damit nicht noch weitere Mauerteile herausbrechen", sagt der Archäologe.

Schließlich sei es wichtig, dass diese denkmalgeschützte spätmittelalterliche Burgruine noch weitere Jahrhunderte erhalten bleibt. Zumal sie Dresdens einzige so erhaltene ist.