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Dresdner Kleingärtner kämpfen weiter um alten Kirschbaum

Weil sie den 30 Jahre alten Baum nicht fällen, wird einem Paar die Parzelle gekündigt. Bei ihrem Rettungsversuch bekommen die Kleingärtner nun viel Unterstützung. Wie es weitergeht.

Von Nora Domschke
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Noch steht die alte Kirsche im Kleingarten des Vereins Obergorbitz. Die Pächter, denen gekündigt wurde, weil sie den Baum nicht fällen, wollen ihn unbedingt retten. Und sie bekommen Hilfe.
Noch steht die alte Kirsche im Kleingarten des Vereins Obergorbitz. Die Pächter, denen gekündigt wurde, weil sie den Baum nicht fällen, wollen ihn unbedingt retten. Und sie bekommen Hilfe. © Archiv: Sven Ellger

Dresden. An diesem Mittwoch sollten Paul Schumann und Katja Vogel eigentlich zu einem Termin in ihrer Gartensparte erscheinen. Der Vorstand des Kleingartenvereins Obergorbitz hatte geladen, um das weitere Vorgehen zu besprechen und den Wert aller auf der Parzelle befindlichen Bauten und Pflanzen zu ermitteln. Der Verein hat Paul Schumann und Katja Vogel den Pachtvertrag nicht verlängert. Ende Oktober müssen sie ihre Parzelle verlassen. Dabei hat das Paar den Garten erst im letzten Jahr übernommen. Ein Streit überschattet das Kleingartenidyll.

Denn die Pächter sollen einen alten Kirschbaum fällen, der aber augenscheinlich noch sehr gesund ist. "Das bringen wir nicht übers Herz", sagt Schumann und versucht seit Monaten verzweifelt, den Vorstand davon zu überzeugen, dass die betagte Kirsche stehen bleiben darf. Bislang ohne Erfolg. Nun folgte also die angedrohte Kündigung, denn das Paar hatte sich im Pachtvertrag dazu verpflichtet, den Baum zu fällen, weil er krank sei.

Großes Unverständnis über geforderte Fällung

Seitdem Sächsische.de über den Streit und die Kündigung berichtet hat, ist die Anteilnahme unter den Dresdnern groß. In den sozialen Netzwerken schreiben viele Nutzer, dass sie es ebenfalls bedauern würden, wenn der Baum gefällt wird. Viele zeigen sich verständnislos gegenüber der Härte, mit der Vereinsvorstand und Stadtverband die Fällung einfordern. Andere wiederum verweisen auf Regeln, die in einer Gartensparte herrschen und eingehalten werden müssten.

Die meisten Kommentare aber bestärken Paul Schumann und seine Freundin, weiter für den Baum zu kämpfen. Die Unterstützer sprechen ihnen Mut zu, sich gegen die Kündigung zu wehren und den Baum zu retten.

Das tun sie. Den Termin am Mittwoch mit dem Vorstand hätten beide aus beruflichen Gründen nicht wahrnehmen können, sagt Schumann. Dafür hat der 41-Jährige nun eine Petition ins Leben gerufen, um die Fällung der etwa 30 Jahre alten Kirsche zu verhindern.

Um prüfen zu lassen, ob der befristete Pachtvertrag, der an die Fällung der Kirsche gebunden ist, überhaupt rechtens ist, hat das Paar beim Amtsgericht eine sogenannte Feststellungsklage eingereicht. Dabei geht es auch darum, ob der Garten ein Dauergarten ist oder unter die Kategorie "sonstiger Kleingarten" fällt.

Ein weiterer Unterstützer ist mittlerweile auch der Verein Alleeforum Sachsen, der sich im vergangenen Jahr gegründet hat und sich die Rettung deutscher Alleen entlang von Straßen und Wegen auf die Fahnen geschrieben hat. Vorsitzender Ditmar Hunger betont, dass es dem Verein nicht nur um den Erhalt von Alleen geht, sondern auch jener Bäume, die zwar alt sind, aber deren Fällung nicht erforderlich ist. Denn diese seien - wie bei der Kirsche in Gorbitz - auf jeden Fall erhaltenswert. "Wobei die Klimaveränderung gerade die alten Bäume besonders wertvoll macht, die insbesondere die letzten extremen Hitze- und Trockenjahre überstanden haben" so Hunger.

Ihre ökologische Leistung sei im Vergleich zu jungen Bäumen um ein Vielfaches höher, weil sie über viele Blätter und voluminöse Kronen verfügen. "Beispielweise einen 25-jährigen Laubbaum zu ersetzen, braucht es 25 neue Jungbäume", erklärt der Dresdner Stadt-, Verkehrs- und Umweltplaner. Die Vorteile, die diese alten Bäume den Menschen in der Stadt bringen, dürften nicht mit "formellen und leider inzwischen überholten Regeln vernichtet werden."

"Kleingartengesetz muss reformiert werden"

Beim großen Nutzen der alten Bäume verweist Hunger darauf, dass sie Schatten spenden und durch Verdunstung für frische und feuchte Luft sowie für niedrigere Temperaturen sorgen. Selbst Krankheit eines Baums sei kein Grund für eine Fällung. "Als wären sie ansteckend." Gerade sie würden mit ihren altersbedingten "Schäden" etwa Insekten und Vögeln Lebensraum und Nahrung bieten. Das habe auch Vorteile für jeden Kleingarten. "Gerade die Wildbienen, denen die alten Bäume Wohnung bieten, sind es, die den Garten- und Obstbau entscheidend durch ihre Bestäubungsemsigkeit befördern."

Ditmar Hunger geht noch weiter. "Leider wird das Kleingartengesetz den heutigen Anforderungen, die sich aus der Klimaveränderung ergeben, nicht gerecht." Hier müsse reformiert werden. Die beiden Dresdner Hobbygärtner möchte er bei ihrem weiteren Vorgehen gern unterstützen.

Ganz konkrete Hilfe bietet dem Paar eine Dresdner Anwältin an. Jana Hanisch ist durch den Beitrag auf den Fall aufmerksam geworden und will sich ihm gern annehmen. Seit Jahren vertritt sie nach eigener Aussage Pächter von Kleingärten, auch bei dem Thema Baumfällungen. Paul Schumann hat inzwischen Kontakt mit der Juristin aufgenommen.

Noch geben Paul Schumann und Katja Vogel ihren Garten und den Kirschbaum also nicht auf. "Fakt ist: Der Baum bleibt stehen - zumindest so lange wir Pächter sind."