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Dresdner Grundschule: "Wir wollen nicht als Problemschule gesehen werden"

An der 14. Grundschule lernen überdurchschnittlich viele ausländische Kinder aus 15 Nationen. Welche Herausforderungen das mit sich bringt und was sich die Lehrer wünschen.

Von Nora Domschke
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Mehr als die Hälfte der Kinder, die an der 14. Grundschule in der Dresdner Südvorstadt lernen, haben einen Migrationshintergrund.
Mehr als die Hälfte der Kinder, die an der 14. Grundschule in der Dresdner Südvorstadt lernen, haben einen Migrationshintergrund. © Symbolbild: Frank Molter/dpa

Dresden. Seit fast zehn Jahren leitet Yvonn Quicker die 14. Grundschule in der Dresdner Südvorstadt. Der sanierte Altbau aus den 1960er-Jahren liegt in der ruhigen Schweizer Straße inmitten eines Wohngebietes, das zur selben Zeit entstanden ist. Gar nicht weit entfernt wurden einige Jahre später Wohnhochhäuser gebaut. In den Blöcken an der Budapester Straße und der Hochschulstraße wohnen heute überdurchschnittlich viele Menschen, die aus dem Ausland nach Dresden gekommen sind.

Die Wohnungen dort sind vergleichsweise günstig, sodass im Viertel auch viele Deutsche leben, die auf staatliche Unterstützung und diese Wohnungen angewiesen sind. Die sozialen Verhältnisse in diesen Familien sind oft problematisch.

Die meisten Kinder, die dort leben, besuchen die Grundschule von Yvonn Quicker. 55 Prozent der insgesamt 200 Schüler sind Kinder mit Migrationshintergrund, sie stammen aus 15 verschiedenen Nationen. Das bringt Herausforderungen im Schulalltag mit sich, räumen die Schulleiterin und ihre Stellvertreterin Antje Kisza ein. Beide kennen die 14. Grundschule seit Jahrzehnten, sie arbeiten hier als Lehrerinnen und kennen das soziale Umfeld inzwischen sehr gut.

Baulich ist die 14. Grundschule in der Schweizer Straße in der Südvorstadt jedenfalls kein Problemfall.
Baulich ist die 14. Grundschule in der Schweizer Straße in der Südvorstadt jedenfalls kein Problemfall. © Christian Juppe

"Natürlich gibt es dort, wo es geballte Probleme zu Hause gibt, auch geballte Probleme in der Schule", sagt Yvonn Quicker. Doch die Situation habe sich in den vergangenen Jahren verschärft. "Wir haben derzeit in jeder ersten Klasse jeweils vier Kinder, die überhaupt kein Deutsch sprechen", sagt Antje Kisza, die selbst als Deutschlehrerin unterrichtet. Das sei einfach zu viel.

Nur wenige Kinder wechseln aufs Gymnasium

Das betreffe auch den Anteil der ausländischen Kinder insgesamt. Derzeit sind es mehr als die Hälfte. "Ein Anteil von 20 bis 30 Prozent ist in Ordnung, das haben wir selbst erlebt. Da ist es ein Selbstläufer, dass die Kinder schnell Deutsch lernen." Deshalb wünschen sich Yvonn Quicker und Antje Kisza, dass diese Kinder besser auf die Dresdner Schulen verteilt werden.

Tatsächlich sprechen hier die Zahlen eine deutliche Sprache. Etwa, wenn es um Bildungsempfehlungen geht. Nur 38 Prozent der Viertklässler haben im vergangenen Schuljahr eine Empfehlung für das Gymnasium bekommen, in den Vorjahren ist der Wert ähnlich oder noch niedriger.

Zum Vergleich: An der 49. Grundschule, die im selben Schulbezirk wie die 14. Grundschule und nur knapp einen Kilometer entfernt südlich der Nürnberger Straße liegt, lernen deutlich weniger Kinder mit Migrationshintergrund. Im letzten Schuljahr bekamen dort 83 Prozent der Viertklässler eine Bildungsempfehlung, auch hier liegt der Wert seit Jahren auf diesem Niveau.

Deutsche Familien meiden die Schule

Fakt ist: Die Familien aus den großen Wohnblöcken melden ihre Kinder auf der 14. Grundschule an, weil sie am nächsten liegt. Wiederum meiden viele deutsche Familien die Schule inzwischen. "Das liegt auch an unserer Außendarstellung", findet Antje Kisza. "Wir wollen nicht als Problemschule angesehen werden. Weil wir keine sind."

Dennoch wäre eine bessere Mischung von deutschen und ausländischen Kindern wichtig, betont sie. Dabei sei sie stolz auf ihre Kollegen - viele von ihnen sind mit Mitte 30 noch relativ jung - und ihre engagierte Arbeit. "Sie reiben sich wirklich auf." Vor allem in der Kommunikation mit den Eltern, was kulturelle und sprachliche Barrieren nicht immer einfach mache.

Ohnehin sei der Austausch mit den Eltern eines der größten Probleme, viele würden kein Deutsch sprechen und nicht verstehen, wie der deutsche Schulalltag funktioniert. Inzwischen gibt es immerhin Kulturdolmetscher an ihrer Schule, die dann beispielsweise im Hort mit den Eltern ins Gespräch kommen, wenn diese ihre Kinder abholen. "Wir sind auf die Eltern angewiesen. Wenn bei ihnen die Integration schwierig ist, ist sie das auch bei ihren Kindern", sagt Yvonn Quicker.

Dazu komme der schmale Geldbeutel vieler Familien. Zwar gibt es über das Programm Bildung und Teilhabe die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung beim Sozialamt zu beantragen - für Veranstaltungen oder Ausflüge zum Beispiel. "Das ist aber sehr aufwendig und bürokratisch." Für jede Aktion müsse von den Eltern ein Formular ausgefüllt, vom Lehrer unterschrieben und ans Sozialamt geschickt werden. "Viele verstehen dieses System gar nicht."

"Wir wünschen uns mehr Wertschätzung"

Also versuchen die Lehrer, selbst etwas auf die Beine zu stellen. Wie in diesem Jahr ein Tanz- und ein Zirkusprojekt. Damit wollen sie auch bei deutschen Familien punkten und sie überzeugen, dass sie ihre Kinder auf die 14. Grundschule schicken. "Die Vorbehalte sind einfach sehr groß", erzählt Antje Kisza.

Das bekomme sie immer wieder gespiegelt, etwa zum Tag der offenen Tür, wenn sie mit den Familien ins Gespräch kommt. "Die Argumente der Eltern sind immer dieselben: zu viele Ausländer, zu viele auffällige Kinder." Gemeint sind damit die Schüler der Robinson-Schule, die sich das Schulhaus mit der 14. Grundschule teilt und an der geistig behinderte Kinder lernen.

Beide Lehrerinnen werben für ihre Schule, die keine Problemschule sein will, sondern eine Schule, an der die Lehrer eine besonders gute Arbeit machen und alle ihre Schüler gut durch die Grundschulzeit begleiten wollen. "Wir wünschten uns dafür einfach mehr Wertschätzung."