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Dresdner Kleingärtner fürchten um ihre Parzellen

Die Kleingartenanlagen in Dresden befinden sich zu zwei Dritteln auf städtischem, zu einem Drittel auf privatem Land. Eigentümer versuchen immer wieder, die Schreber zu vertreiben, wie ein Beispiel aus Weixdorf zeigt.

Von Kay Haufe
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Katrin Roßburger und Frank Freudenberg hoffen, dass ihre Kleingartenanlage "Am Kindergarten" in  Weixdorf weiterbestehen kann.
Katrin Roßburger und Frank Freudenberg hoffen, dass ihre Kleingartenanlage "Am Kindergarten" in Weixdorf weiterbestehen kann. © Matthias Rietschel

Dresden. Wenn an diesem Freitag in der Weixdorfer Kleingartenanlage "Zum Kindergarten" Herbstfest gefeiert wird, schwingt bei den Schrebern auch ein Gefühl der Ungewissheit und Angst mit. Ob es ihre 15 Gärten im kommenden Jahr noch geben wird, wissen sie heute noch nicht. Auf ihrer 0,65 Hektar großen Gartenfläche zwischen den Gleisen der Straßenbahnlinie 7 und der Rathenaustraße möchte die Firma HBH-Immobilien im Auftrag der privaten Grundstückseigentümerin Baurecht schaffen und Wohngebäude errichten.

Der Zwischenpachtvertrag wurde 2020 gegenüber dem Stadtverband Dresdner Gartenfreunde gekündigt und Räumungsklage beim Amtsgericht eingereicht. Die Gegenseite argumentierte, dass die Fläche nicht kleingärtnerisch genutzt werde.

Kleingärtner haben Berufung eingelegt

Ein Gutachter sollte eigentlich klären, wie die Sachlage ist, darüber verständigten sich beide Seiten während der Gerichtsverhandlung, wie Frank Hoffmann, der 1. Vorsitzende des Stadtverbandes Dresdner Gartenfreunde, sagt. Doch zum Gutachtereinsatz kam es nicht mehr, die Richterin hatte stattdessen bereits ein Urteil gefällt, wonach der Zwischenpachtvertrag durch Kündigung beendet worden sei.

Aufgeben wollen die Weixdorfer Kleingärtner aber nicht. Der Stadtverband ist gegen das erstinstanzliche Urteil in Berufung gegangen, die Berufungsverhandlung findet am 1. Februar 2024 am Landgericht statt. Die Firma HBH will sich im laufenden Verfahren zur Sache nicht äußern.

Doch wie kann es sein, dass den Schrebern nicht geglaubt wird, dass sie die Fläche kleingärtnerisch nutzen? In den einzelnen Parzellen hängen Äpfel und Quitten an den Bäumen, Grünkohl und Rosenkohl wachsen geradezu bilderbuchreif auf den Beeten, der Porree wird mit Netzen vor dem Schädling Weiße Fliege geschützt. Viele Hochbeete sind in den Gärten zu finden, in denen unter anderem Kräuter und Blumen wachsen, kleine Erdbeerpflanzen sind für die Ernte im kommenden Jahr gesetzt. Ein Weg verbindet alle Gärten miteinander, es gibt kleine Gartenschuppen, einen Stromanschluss, jede Parzelle ist eingezäunt. Typische Merkmale einer Kleingartenanlage.

Die Quitten sind reif in der Kleingartenanlage.
Die Quitten sind reif in der Kleingartenanlage. © Matthias Rietschel
Im Herbst sind noch viele Früchte zu ernten wie die Paprika.
Im Herbst sind noch viele Früchte zu ernten wie die Paprika. © Matthias Rietschel
Die Studentenblumen geben noch mal alles, tolle Blütenpracht.
Die Studentenblumen geben noch mal alles, tolle Blütenpracht. © Matthias Rietschel
Der Grünkohl als Wintergemüse ist perfekt gewachsen.
Der Grünkohl als Wintergemüse ist perfekt gewachsen. © Matthias Rietschel
Die letzten Äpfel hängen an den Bäumen.
Die letzten Äpfel hängen an den Bäumen. © Matthias Rietschel
Kohlrabis so groß wie Kindsköpfe.
Kohlrabis so groß wie Kindsköpfe. © Matthias Rietschel

"Es kommt immer wieder vor, das Eigentümer von als Kleingärten genutztem Land die gärtnerische Nutzung anzweifeln, sie akzeptieren das Bundeskleingartengesetz nicht", sagt Hoffmann. In der Regel steckten dahinter Begehrlichkeiten, den Grund und Boden anderweitig zu verwenden. Im Falle der Weixdorfer als Bauland.

Kein Baurecht für Wohngebäude

Dabei ist die Aussage der Stadt zur Nutzung der Fläche eindeutig. "Die in Rede stehenden Flächen des Kleingartenvereins 'Am Kindergarten' liegen weder im Geltungsbereiches eines Bebauungsplanes nach Paragraf 30 des Baugesetzbuches (BauGB) noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles nach Paragraf 34 des BauGB. Den tatsächlichen Verhältnissen nach sind diese Fläche dem Außenbereich nach Paragraf 35 des BauGB zugeordnet. Für die Errichtung von Wohngebäuden besteht somit kein Baurecht", heißt es aus dem Amt für Stadtentwicklung und Bau.

Eine bauliche Entwicklung dieser Fläche könne nur über ein Bauleitplanverfahren realisiert werden. Das hat die Firma HBH auch schon versucht. Sie ist 2020 mit ihren Vorstellungen zu einer wohnbaulichen Entwicklung an die Stadt herangetreten. "Das Bauleitplanverfahren wurde vonseiten der Stadt bisher nicht weiterbetrieben, da der Erhalt von Kleingartenanlagen in der Stadtgesellschaft eine hohe Priorität genießt und an die Bereitstellung von Ersatzflächen gekoppelt ist."

Immer wieder gehen Flächen verloren

Für den Vorsitzenden der Dresdner Gartenfreunde ist der Verlust von Kleingartenflächen nichts Neues. Und das nicht nur auf den privaten Grundstücken, sondern auch auf kommunalen. So werden gerade Teile der Kleingartenanlage Reichsbahn Dresden I leergezogen. Sie liegen in einem Gewerbegebiet, dort besteht Baurecht für gewerbliche Ansiedlungen. "Der Flächennutzungsplan gestattet das", sagt Hoffmann. Den Pächtern wurden aber Ersatzflächen im nur wenige Meter entfernten Güttler-Heim e. V. angeboten.

Unruhe gibt es derzeit auch unter Schrebern in Leubnitz-Neuostra in der Kleingartenanlage Friebelstraße. Ihnen wurde im Juni dieses Jahres gekündigt. Der Grund und Boden, auf dem sich die 94 Parzellen befinden, gehört einem Dresdner Immobilienunternehmen. So wie auch Teile der benachbarten Anlage Spitzwegstraße und des Kleingärtnervereins Gostritzer Straße, sagt Hoffmann. Der Stadtverband der Kleingärtner hat Anfang des Monats eine Feststellungsklage eingereicht, weil er der Ansicht ist, dass die Kündigung laut Bundeskleingartengesetz unwirksam ist. Wenn Baurecht bestehen würde, hätten die Kleingärtner keine Chance. Dem ist aber nicht so.

Die Ungewissheit zehrt an den Nerven

Hinter den Weixdorfer Pächtern liegen bereits zwei anstrengende Jahre. "Wir müssen uns immer wieder aufrappeln und motivieren, die Ungewissheit zehrt an uns", sagt der Vereinsvorsitzende Frank Freudenberg. Dabei hat die Anlage überhaupt keine Probleme, Nachfolger für ausscheidende Pächter zu finden. "Die haben wir natürlich über den Status informiert, aber das hat keinen abgeschreckt."

Katrin Roßburger findet in ihren zwei Parzellen Entspannung, kann von ihrem Job in der Physiotherapie abschalten. Sie hat viele Pflanzen in ihren Gärten, die sie von ihrem Elternhaus in der Lausitz mitgebracht hat, der Quittenbaum hat sie von einem älteren Ehepaar bekommen, das ihr Haus aufgegeben hat. "In unserer Anlage, die es seit 1981 gibt, steckt viel Arbeit. Hier sind viele Kinder aufgewachsen und tun es noch, wir helfen uns alle gegenseitig, tauschen Saatgut, gießen beim Nachbarn. Es wäre schade, wenn das alles bald nicht mehr möglich ist", sagt sie.

Die Anfrage um Unterstützung beim Weixdorfer Ortschafstrat hat den Kleingärtnern nicht weitergeholfen. "Der Rat war sehr zurückhaltend, weil er in dieser Sache nichts zu entscheiden hat. Wenn wir gesagt hätten, wir kämpfen für euch, wären das nur Lippenbekenntnisse gewesen", sagt Ortsvorsteher Gottfried Ecke (CDU).

Dass Thema Kleingarten hat in Dresden nicht nur eine lange Tradition, sondern steht heute mehr denn je hoch im Kurs. Rund 23.200 Gärten in 360 Anlagen gibt es, für einige davon gibt es lange Wartelisten. Geht man davon aus, dass jeder Pächter auch Familie hat, sind rund 55.000 Dresdner auch Schreber.