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Dynamo-Krawalle: Bier, Böller und eine Orgie der Gewalt

Der Prozess gegen zwei junge Fußball-Chaoten soll Ende Januar enden. Das Gericht will noch 15 verletzte Beamte vernehmen.

Von Alexander Schneider
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Hölle aus Rauch und Chaos: Polizisten laufen vor dem Stadion durch den Nebel von Pyrotechnik. Dresden erlebt im mai des vargengenen Jahres schwere Fußball-Krawalle.
Hölle aus Rauch und Chaos: Polizisten laufen vor dem Stadion durch den Nebel von Pyrotechnik. Dresden erlebt im mai des vargengenen Jahres schwere Fußball-Krawalle. ©  Archiv: dpa/Sebastian Kahnert

Tag 2 im Prozess gegen zwei Fußball-Chaoten: Videos stehen im Mittelpunkt, Aufnahmen von Polizeieinheiten, die den Randalierern am 16. Mai vor dem Dynamo-Stadion gegenüberstanden. Die Bilder zeigen, wie die Angeklagten neben Dutzenden anderen Tätern Flaschen und andere Gegenstände in Richtung der Uniformierten werfen, an Bauzäunen rütteln, Barrikaden errichteten, dem Strahl der Wasserwerfer trotzen und Mittäter aufputschen.

Die Sequenzen sind auf die Angeklagten konzentriert, doch das Ausmaß der Gewalt geben sie nicht wider. Mehr als 180 Polizeibeamte wurden teils erheblich verletzt. Die Parolen, mit denen sich der Mob in Rage brüllte, sind nicht zu hören, zu sehen ist nicht, wie groß das Gebiet war, in dem die Täter über mehrere Stunden auf die Uniformierten losgegangen sind.

Jede Menge Bier und Böller

Der mehrfach verurteilte Dresdner Rechtsextremist Robert S. (24) und der ebenfalls massiv vorbestrafte Räuber Oliver S. (30) aus Lauchhammer sitzen Montag als Angeklagte vor dem Amtsgericht Dresden. Zum Auftakt haben sie gestanden, an den Krawallen mitgewirkt zu haben. Trotz coronabedingten Versammlungsverbots hatten sich mehrere Tausend Anhänger von Dynamo Dresden dort getroffen, um den Aufstieg in die 2. Bundesliga zu feiern. Doch noch während die Profifußballer im Stadion im Geisterspiel gegen Türkgücü München ihren Sieg klar machten, flogen draußen Böller, Flaschen und Steine.Oliver S. etwa sagte, er sei spontan nach Dresden gefahren, als seine Ex-Schwiegermutter unerwartet seine Zwillinge genommen habe. Er habe ein, zwei Bier im Zug getrunken, drei, vier weitere Flaschen bei der „Sportbar“ am Straßburger Platz und fünf bis sieben vor der Torwirtschaft am Großen Garten. Er habe vom Versammlungsverbot gewusst, wie alle anderen auch. Er habe sich von der Stimmung mitreißen lassen.

„So etwas noch nie erlebt“

Auch Robert S. sagte, er habe feiern wollen. Nur wenige Tage zuvor war seine Tochter auf die Welt gekommen. Auch er hatte einige Bier und war offensichtlich so schnell wie Oliver bereit, gegen die Polizei vorzugehen. Möglicherweise störten sie sich an Durchsagen, mit denen die Polizei Abstand einfordert. Vielleicht war die Masse erzürnt, weil die Polizei das Stadion abgeriegelt hatte. Ihre Motivation konnten oder wollten die Angeklagten nicht erklären. Vielleicht gehört Gewalt für manche einfach dazu, um den Aufstieg zu feiern.

Ein „szenekundiger Beamter“, er begleitet seit 15 Jahren Fußballspiele von Dynamo Dresden, kennt die Rituale. Als Zeuge berichtete er nun, man sei in der Einsatzplanung davon ausgegangen, dass es zu Gewalt kommen könnte. „Ich habe einige schwere Ausschreitungen erlebt wie in Magdeburg oder Karlsruhe“, sagte der Zeuge. „Doch so etwas wie da, noch nie.“ Er spricht von einer „Gewaltorgie“. Er schätzte, bis zu 2.000 Leute könnten sich beteiligt oder sich zumindest sehr nahe aufgehalten haben. Einige hätten gezielt eskaliert: „Pyrotechnik muss man aktiv mitbringen“, da könne man nicht von Zufall oder Spontantat sprechen.Das Urteil ist für Freitag, 28. Januar, geplant. Das Gericht will 15 Polizisten hören, die an dem Tag verletzt wurden.