SZ + Dresden
Merken

Elbehochwasser in Dresden: "Jetzt lässt die schlimmste Anspannung nach"

Der Wasserstand der Elbe in Dresden sinkt - endlich. Hinter Fährgarten-Wirt Jens Bauermeister liegen anstrengende Wochen. Ein Report aus einer Stadt, die aufatmet.

Von Nadja Laske & Sandro Pohl-Rahrisch
 7 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Jens Bauermeister lächelt - mit Vorsicht. So langsam kann er am Samstagnachmittag davon ausgehen, das die Elbe nicht noch weiter steigen und seinen Johannstädter Fährgarten in Dresden fluten wird.
Jens Bauermeister lächelt - mit Vorsicht. So langsam kann er am Samstagnachmittag davon ausgehen, das die Elbe nicht noch weiter steigen und seinen Johannstädter Fährgarten in Dresden fluten wird. © Sven Ellger

Dresden. Der Pool ist eröffnet. Wo sonst Steaks und Bratwürste auf dem Grill schmoren, steht im Johannstädter Fährgarten das Wasser bis zur Theke. Der gemauerte Freiluftgrill sieht tatsächlich aus wie ein kleines Badebecken. Jens Bauermeister hat das Schild zum Scherz aufgehängt: "Jetzt neu im Fährgarten - Whirlpool 10 min. 2,- €" steht darauf. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Der Fährgartenbetreiber grinst. Es ist das erste Lächeln, seit die Elbe nach Weihnachten erneut angestiegen ist.

Noch ist nicht wirklich Besserung zu erkennen. Der Eingang zum Toilettenkomplex steht in der Flut. Sie hat fast den ganzen Biergarten im Griff. Der höher gelegene Ausschank ist in Betrieb. Es riecht nach Geschmortem und Gebratenem. Kaffee, Bier, Glühwein sind zu haben. Jens Bauermeister nippt an einer heißen Schokolade und schaut aufs Handy. Dort zeigen Zahlen und Graphen den Elbpegel an: Samstag, 14.15 Uhr, 5,64 Meter. Tendenz fallend, Zentimeter um Zentimeter.

Humor ist, wenn man trotzdem lacht: Der gemauerte Grill ist im Fährgarten kurzerhand zum Pool umbenannt worden.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht: Der gemauerte Grill ist im Fährgarten kurzerhand zum Pool umbenannt worden. © Sven Ellger

"Jetzt lässt die schlimmste Anspannung nach", sagt der Fährgartenwirt. Einen Tag vor Heiligabend hatte ihn ein Anruf aus der Stadtverwaltung erreicht: Er möge die Elbe im Blick behalten. "Ich mache das sowieso, aber den Hinweis fand ich trotzdem hilfreich." Der Hochwasserschutzplan der Stadt legt fest, bei welchem Pegelstand welches Equipment vom Ufer verschwinden muss. Jens Bauermeister kennt die Vorgaben. Ämter und die Feuerwehr kontrollieren regelmäßig, geben Hinweise. "Das ist völlig in Ordnung", so der Gastronom, den solche Natureskapaden eine Stange Geld kosten.

Aktuelles zum Hochwasser in Dresden und Sachsen:

Mit einem Kran ließ er alle fünf großen Schirme aus der Verankerung heben. Stühle und Tische waren da schon aus seinem Biergarten verschwunden und Keller leer geräumt. Sollte das Hochwasser noch ärger ausfallen, müsste er den gesamten Ausschank, bestehend aus Containern, abtransportieren lassen. Alle Gewerke für das vollständige Beräumen des Areals sind in solchen Zeiten in Alarmbereitschaft. Doch diese Gefahr besteht aktuell nicht mehr. "Wir mussten allerdings viele Weihnachtsfeiern absagen, ganz abgesehen vom Ausfall des üblichen Umsatzes."

Der Fährgartenwirt bedankt sich bei den Helfern, die ihm beim Hochwasser beigestanden haben.
Der Fährgartenwirt bedankt sich bei den Helfern, die ihm beim Hochwasser beigestanden haben. © Sven Ellger

Erst war das Wasser gestiegen, dann gesunken und schließlich wieder gestiegen. Das zerrt an den Nerven. Dennoch bleibt Jens Bauermeister positiv: "Freunde, Gäste und Partner haben uns beim Räumen geholfen, als viele Hände gebraucht wurden. Das war ganz klasse, dafür sage ich danke!"

24 Stunden Flutwache für Dresdner Dampfschiffe

Das Wasser nicht an den Füßen, sondern mit den Füßen im Wasser sind Jan Schröter und sein Kollege am Vormittag dieses Samstags. Sie waten vorsichtig ins Hochwasser hinein. Ihr Ziel ist die Rampe, die hinauf zum Dampfer "Meissen" führt. Bis dorthin sind es vom Parkplatz unterhalb der Carolabrücke etwa 20 Meter, normalerweise liegen diese im Trockenen. Heute steht der Weg zum Anleger Nummer 7 jedoch unter Wasser. Bei jedem Schritt ist Vorsicht angesagt, denn das Wasser ist braun und trüb - Stufen, Stolpersteine und Treibgut können die beiden Männer nicht sehen. Die Elbe reicht ihnen bis zu den Oberschenkeln, bevor sie die Rampe zur "Meissen" erreichen. Der kurze Wasserspaziergang dient nicht dem Vergnügen, sondern der Sicherheit der sechs Dampfer und des Motorschiffs "August der Starke", die derzeit am Terrassenufer festgemacht sind.

Die Flutwache der Weißen Flotte Sachsen ist bei Hochwasser rund um die Uhr im Einsatz - zwei Teams, die jeweils zwölf Stunden das Terrassenufer und Käthe-Kollwitz-Ufer auf und ab gehen und dabei an Bord jedes Schiffes nach dem Rechten schauen. "Wir kontrollieren unter anderem den Druck auf den Drähten, mit denen die Schiffe festgemacht sind", sagt Schröter, der eigentlich Schiffsführer des Personendampfers "Diesbar" ist. Der Druck ändert sich mit Wasserstand und Durchflussmenge der Elbe, die Drähte könnten im schlimmsten Fall brechen. Gegebenenfalls justiert die Flutwache nach.

Zwei Mitarbeiter der Weißen Flotte Sachsen, darunter Schiffsführer Jan Schröter (rechts), befinden sich auf ihrer Flutwache-Tour, hier am Dampfer "Meissen" am Terrassenufer.
Zwei Mitarbeiter der Weißen Flotte Sachsen, darunter Schiffsführer Jan Schröter (rechts), befinden sich auf ihrer Flutwache-Tour, hier am Dampfer "Meissen" am Terrassenufer. © Sven Ellger

Treibgut ist ein weiteres Thema. Es könnte sich an den Schiffen, Leinen und Drähten verheddern. Allerdings, so Schröter, sei Treibgut bei diesem Winterhochwasser kein Problem. Da habe er schon ganz andere Mengen gesehen, vor allem nach Sommerunwettern. Wie viele Hochwasser und Flutwachen er schon mitgemacht hat? "Ich habe nicht gezählt", sagt Schröter, der auch die Jahrhundertflut 2002 miterlebte. Damals konnten die Schiffe nur noch per Boot erreicht werden. Dieses Hochwasser gehöre aber glücklicherweise zu den kleineren. "Für uns ist das eine eher ruhige Zeit, wir gehen entspannt an die Sache."

Ab einem Pegel von unter fünf Metern könnten die ersten Schiffe wieder ihren Dienst aufnehmen. Laut Landeshochwasserzentrum soll die Fünf-Meter-Marke voraussichtlich am Dienstag unterschritten werden. Jetzt, im Januar, stehen im Fahrplan der Dampfschifffahrt normalerweise eine Schlösserfahrt (Terrassenufer-Pillnitz) und zwei Stadtfahrten (Terrassenufer-Blasewitz) am Tag. Drei Schiffe befinden sich aktuell zur Reparatur in der Laubegaster Werft, die "Gräfin Cosel" wird dort bis Ende April runderneuert.

Jan Schröter und sein Kollege ziehen weiter in Richtung Münzgasse. Dort wartet unter anderem "August der Starke" auf die beiden Wachhabenden.

Andrang vorm Weihnachtscircus

Zur selben Zeit beginnt die erste Vorstellung im Weihnachtszirkus an diesem Samstag. An den Kassen auf dem Volksfestgelände drängen sich Menschen, um noch eine der letzten Vorstellungen zu erleben. Am Sonntag ist der letzte Tag im Chapiteau, dann endet die Saison.

Vorm Weihnachtscircus an der Pieschener Allee warten am Samstag hunderte Menschen auf den Einlass in das Chapiteau.
Vorm Weihnachtscircus an der Pieschener Allee warten am Samstag hunderte Menschen auf den Einlass in das Chapiteau. © Sven Ellger (Archiv)

Eine schwierige Saison, denn aufgrund von Sturm und Hochwasser mussten Vorstellungen abgesagt werden. Hinzu kam der Streit mit der Stadtverwaltung, die aufgrund des Hochwassers zwischenzeitlich einen Abbau der Zirkuszelte gefordert hatte. Diesmal, beim zweiten Hochwasser in nur zwei Wochen, reicht die Elbe aber nicht so weit an die Manege heran wie vorm Jahreswechsel. Für diesen Samstag und Sonntag hat der Zirkus je zwei Zusatzshows organisiert.

Gefährliche Spielerei an der Albertbrücke

Eine künstlerische Vorstellung ist derweil auch an der Albertbrücke zu erleben, jedoch eine gefährliche. Reichlich irritiert sehen Passanten am Samstag Sneaker über der Elbe baumeln. Mehrere Schuhpaare hängen, an den Schnürsenkeln aufgeknüpft, an Masten, die an der Albertbrücke angebracht sind. Sie dienen als Halterungen für Technik zur Erfassung durch Schiffsradare und sichern Brückenbauwerke ab.

Schuhe baumeln am Samstag an der Albertbrücke über der Elbe.
Schuhe baumeln am Samstag an der Albertbrücke über der Elbe. © SZ/Nadja Laske

Im Zusammenhang mit dem Hochwasser könnte man kurz ins Grübeln kommen. Aber nein, die Elbe stand im Laufe der vergangenen Tage nie so hoch, als dass die Schuhe Treibgut sein könnten. Waren es Witzbolde, die sie dort platzierten? Oder steckt ein Kunstprojekt dahinter? Eine gesellschaftskritische Aktion? Christoph Springer, Sprecher der Weißen Flotte Sachsen, weiß zu berichten, dass Schuhe auch schon an Laternen und Brücken gesichtet wurden. Doch sein Unternehmen sei im aktuellen Fall nicht zuständig, sondern das Wasser- und Schifffahrtsamt.

Hochwasser zieht viele Dresdner in die Innenstadt

Ohnehin scheint Hochwasser auf viele Menschen eine Faszination auszulösen: Es muss eine Art Sog sein, der in diesen Tagen Spaziergänger bis ganz nach vorn an die Wasserkante zieht. Natürlich ist auch aus der Ferne zu sehen, wie die Elbe ihre eigenen Auen verschluckt und in Höhe des Terrassenufers den Radweg überspült. Doch für den Kitzel, womöglich eine kleine Welle über den Fuß schwappen zu sehen, ist keine Absperrung wirklich sicher.

Faszination Hochwasser: Ein Spaziergänger bestaunt am Samstag die angeschwollene Elbe am Terrassenufer.
Faszination Hochwasser: Ein Spaziergänger bestaunt am Samstag die angeschwollene Elbe am Terrassenufer. © Sven Ellger

Ein neuerliches Ansteigen der Elbe ist vorerst nicht zu erwarten. "Seit gestern wurden im sächsischen und tschechischen Einzugsgebiet der Elbe kaum Niederschläge registriert. Auch für die kommenden Tage werden nur noch geringe Niederschlagsmengen erwartet, die ab heute Abend immer mehr in Schnee übergehen", so das Hochwasserzentrum. Der Rückzug der Elbe wird sich jedoch über mehrere Tage strecken. Der aktuellen Prognose zufolge könnte die Marke von fünf Metern am Dienstag unterschritten werden.