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Dresdner Messe: Abschied der "Allzweckwaffe"

15 Jahre war Ulrich Finger Chef der Messe Dresden. Jetzt geht er in den Ruhestand. Abschied von einem Mann fürs Knifflige.

Von Bettina Klemm
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Mit Weitblick: Dresdens Messe-Chef Ulrich Finger geht nach 15 Jahren in den Ruhestand - und hat weiter Pläne.
Mit Weitblick: Dresdens Messe-Chef Ulrich Finger geht nach 15 Jahren in den Ruhestand - und hat weiter Pläne. © Sven Ellger

Dresden. Seinen Resturlaub hat Ulrich Finger gerade an der Ostsee verbracht, die leichte Bräune verrät es. In zurückliegenden Woche hat er seinen Schreibtisch in den Büros der Messe Dresden geräumt. Am Freitag war er zum letzten Mal regulär im Dienst. Seine Arbeit hat ohnehin schon Nachfolger Markus Kluge, der ab 1. Juli offiziell im Amt ist, übernommen. Schrittweise.

Als „Allzweckwaffe“ bezeichnete ihn Oberbürgermeister Dirk Hilbert am Mittwoch beim feierlichen Abschied auf Schloss Albrechtsberg. Und tatsächlich sprang Ulrich Finger im Februar 2008 ein, als die Messe wieder einmal ohne Chef dastand. Geplant waren damals eigentlich wenige Monate als Chef, doch er blieb länger als seine vier Vorgänger zusammen. Heute ist Finger stolz, dass die Messe gut dasteht und ohne städtische Zuschüsse auskommt - ein in Deutschland seltener Fakt.

Als Finger kam, bestand die Messe Dresden aus vier Hallen und dem Erlwein-Saal, die Stadt hatte 1999 den einstigen städtischen Vieh- und Schlachthof im Ostragehege umgebaut. So konnte Volkswagen am Straßburger Platz seine Manufaktur errichten. Die Messe war hochverschuldet und brauchte Zuschüsse, die Stadt dachte schon über einen Verkauf nach. Doch dann setzte ein Umdenken ein: Mit Weitblick baute Finger die Messe weiter, sanierte das ehemalige Schlachthofhotel und ergänzte es mit einem Neubau. Es entstand: das Tagungs- und Veranstaltungszentrum Börse Dresden.

Eric Clapton als persönliches Highlight

Doch auch bei Finger ist das Glück kein Dauergast. Neben Erfolgen gab es Tiefschläge. 2013 etwa überflutete das Hochwasser das Messegelände, zerstörte frisch sanierte Räume. Die Corona-Pandemie brachte Jahre später das Messegeschehen zum Erliegen. Die Hallen dienten als Impfzentrum, Flüchtlingsunterkunft und Tagungsort für den Stadtrat.

Überhaupt, Ulrich Finger ist ein kreativer Geist: Als die klassischen Verbrauchermessen gegen die Konkurrenz aus Einkaufzentren und Internet nicht mehr so gut funktionierten, erfand er gemeinsam mit seinem Team Eventmessen wie die Messe „spielraum“ und die Kunstmesse „NEUE Art“, als Anziehungspunkt der Ostermesse wurde die Orchideenschau ausgebaut. Und er schaffte es, dass die Messe in der Stadt akzeptiert und verankert wurde.

Mit dem Umbau des Kulturpalasts von 2013 bis 2017 verlagerten die Veranstalter zahlreiche Konzerte in die Messe. Zuvor hatte die Stadt mit großem Aufwand die HALLE 1 umgebaut und für eine bessere Akustik gesorgt. Das Publikum bejubelte Helene Fischer und Roland Kaiser, Herbert Grönemeyer und Peter Maffay, AC/DC und Bon Jovi und viele andere.

Nach seinem persönlichen Highlight befragt, nennt Finger allerdings ein anderes: das Konzert von Eric Clapton, der im Juni 2019 gemeinsam mit Musikfestspiel-Intendant Jan Vogler in der ausverkauften HALLE 1 musizierte. Ein Konzert von Deep Purple erinnert ihn indes besonders an seine Jugend, in der er selbst in einer Band spielte, wie er sagt.

Förderer der Dresdner Chip-Industrie

Ein bisschen wurmt es Ulrich Finger heute, dass er die Vollendung des Erlweinturms seinem Nachfolger überlassen muss. Dabei geht der 68-Jährige schon später als üblich in den Ruhestand. Auf die Frage, ob er sich eine Verlängerung vorstellen könne, ist seine Zerrissenheit zu spüren – der Wunsch, weiter zu gestalten auf der einen und mehr Zeit mit seiner Frau Marion und mit Reisen zu verbringen auf der anderen Seite.

Auch auf mehr gemeinsame Zeit mit den drei Enkelkindern freut er sich. Er will die Vorzüge es Ruhestandes genießen, sagt er - auch wenn er sich im Moment darunter noch nicht so recht etwas vorstellen kann. Also doch Verlängerung? Nach kurzem Zögern und einem Blick zu seiner Frau lehnt er lächelnd ab und verweist auf seinen Nachfolger Markus Kluge. Hin und wieder könne er, Finger, ja kleine Projekte übernehmen.

Dabei ist Ulrich Finger damals über Umwege Messechef geworden. Der gebürtige Dresdner studierte an der Technischen Universität Elektronik und Feingerätetechnik. Anschließend arbeitete er in der Forschung von Robotron und später als Elektroniker im Möbelkombinat Hellerau. Nach 1990 befasste er sich als Selbstständiger mit Softwareprogrammen. Anfang 1994 führte ihn sein Weg schließlich in die Dresdner Stadtverwaltung, zunächst um die Ansiedlung der Halbleiterfabrik, heute Infineon, zu fördern. Später betreute er die Investition von AMD. Finger war der Mann fürs Knifflige, galt als einer, der Wege ebnete.

Auch am Bau des Stadions, des Kongresszentrums und des Erlweinspeicher-Umbaus war er beteiligt. Ulrich Finger wurde zudem zum Geburtshelfer des Nano-Zentrums. Dann folgte die Messe, zu der auch mittlerweile das Schloss Albrechtsberg gehört. Kaum noch verwunderlich, dass er zwischenzeitlich auch für den Kulturpalast verantwortlich war. Vor dessen Umbau musste er der Belegschaft kündigen. Kein gutes Gefühl.

Und nun? Ruhestand? Vollbremsung? Auf Anregung seiner Frau hat sich Finger schon 2010 auf eine frühere Leidenschaft besonnen: Er malt wieder. Bilder mit Öl- und Acrylfarben. Ein Zeichenzirkel damals in der Schule war der Anstoß, eine abstrakte Blume, sein erstes Bild. Er hütet es bis heute noch als Schatz. Rund hundert weitere Gemälde folgten. Familie, Freunde und Kollegen kennen sie bereits. Und jetzt, im Ruhestand, kann sich Finger vorstellen, seine Bilder auch öffentlich zu zeigen.