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Hilfsangebote für Obdachlose: Was läuft in Leipzig besser als in Dresden?

Chris kennt das Leben auf der Straße in beiden sächsischen Großstädten. Welche Angebote aus Leipzig wären für Dresden eine Option?

Von Julia Vollmer
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In der Stadt Dresden ist die Zahl der Wohnungslosen zuletzt gestiegen.
In der Stadt Dresden ist die Zahl der Wohnungslosen zuletzt gestiegen. © Symbolbild: Boris Roessler/dpa

Dresden. Viele Jahre lang lebte Chris auf Dresdens Straßen. Nicht wenige davon litt er unter einer starken Suchterkrankung. "Ich kenne die Themen, die obdachlose Menschen umtreiben. Armut, Ängste und Trennungen", sagt er. Heute hat er es geschafft. Er muss nicht mehr auf der Straße schlafen und schaffte dank der Liebe einen Neuanfang in Leipzig.

Mit einem eigenen Zuhause und einem Herzensprojekt. Er ist Teilnehmer des sogenannten Peer-Projektes von Safe Leipzig vom Träger Suchtzentrum. Safe steht für Straßensozialarbeit für Erwachsene, auch in Dresden gibt es die Sozialarbeitenden von Safe Dresden.

In dem Projekt helfen ehemals selbst Betroffene Menschen denen, die aktuell Hilfe brauchen. Eine tolle Idee, auch für Dresden wäre das eine gute Option. Denn in der Stadt ist die Zahl der Wohnungslosen zuletzt gestiegen. "Im Januar 2024 wurden insgesamt 341 wohnungslose Personen durch das Sozialamt untergebracht", so die Stadt. 2022 waren es noch 300.

In Leipzig sind es mit rund 800 Menschen in 2023 deutlich mehr. Seit November 2022 gibt es das Projekt in Leipzig. "Wir wollen mit den Menschen reden und nicht über sie und ihre Probleme", erzählt Chris. Die Menschen sind von Armut und Obdachlosigkeit betroffen.

Tino Neufert, Sozialarbeiter bei Safe Leipzig, erlebt in der Arbeit in dem Peer-Projekt wie gut es funktioniert, wenn ehemals Betroffene ihre Erfahrungen und Eindrücke einbringen. Etwa wie bei den Erfahrungen mit den Notschlafplätzen, die es in Leipzig gibt. "Das Problem ist, dass die Menschen dort früh um sechs herausmüssen. Das ist natürlich sehr schwierig, da das die kälteste Tageszeit am Tag ist", sagt er.

In dem Projekt geht um gegenseitige Empathie und um die Erfahrung, die die Menschen selbst gemacht haben und Austausch. Denn auch in Leipzig werden die Probleme nicht kleiner. Ähnlich wie in Dresden kämpft auch die Messestadt mit mehr Betroffenen. "Wir sehen auch in Leipzig eine erhöhte Zahl von Obdachlosen und wohnungslosen Menschen", so Neufert. Die Probleme seien vielfältig. "Die Menschen leiden unter den gestiegenen Kosten, fehlendem Wohnraum, Suchterkrankungen, psychischen Problemen, sowie Trennungen oder Jobverlust", so Neufert.

Tino Neufert, Sozialarbeiter bei Safe Leipzig, kennt sich gut aus auf Leipzigs Straßen.
Tino Neufert, Sozialarbeiter bei Safe Leipzig, kennt sich gut aus auf Leipzigs Straßen. © SZ/ Julia Vollmer

Wie soll den Menschen zu einem eigenen Zuhause verholfen werden?

Ein Projekt soll helfen: Housing First, also eine eigene Wohnung zuerst. Bei Housing First in Leipzig gibt es aktuell 25 Plätze, geplant ist es aber, um weitere 25 Plätze aufzustocken. Eine eigene Wohnung ist das oberste Ziel der Hilfen für wohnungslose Menschen in Leipzig. Am 1. Juli 2021 war das Modellprojekt "Eigene Wohnung" zur Erprobung des Housing-First-Ansatzes in Leipzig gestartet. Abstinenz oder eine Therapiebereitschaft sind keine Bedingung für die Aufnahme in das Projekt, so die Stadt. Einzige Ausschlusskriterien seien eine bestehende Selbst- oder Fremdgefährdung.

Obdachlose Personen erhalten zuerst eine eigene Wohnung mit Mietvertrag und dazu ein soziales Betreuungsangebot. Das Modellprojekt wird mit 25 Plätzen bis zum 31. Dezember 2024 erprobt. Die Stadt Leipzig schloss eine Kooperationsvereinbarung zur Bereitstellung von Wohnraum mit der Leipziger Wohnungsbaugesellschaft (LWB) ab. Der Freistaat unterstützt das Modellprojekt finanziell.

In Dresden gibt es das Projekt auch, aber mit aktuell nur drei Plätzen in Vonovia-Wohnungen, so das Sozialamt. Fragt man die Stadt, ob und wie es weitergeht, heißt es: "Bisher handelt es sich um ein Modellprojekt, das durch das Sozialamt fortlaufend evaluiert und angepasst wird." Das Modellprojekt werde aber weiter fortgesetzt. Im Sozialamt würden die Empfehlungen des Deutschen Vereins zum Housing First-Ansatz in den Wohnungsnotfallhilfen aufgegriffen und umgesetzt. "Wie und in welcher Form Housing First in Dresden verstetigt wird, ist Gegenstand im Rahmen der derzeitigen Fortschreibung des Wohnungsnotfallhilfekonzepts", heißt es. Konkreter wird die Stadt nicht, auch nicht, wann das Konzept vorliegt. Zuletzt war von diesem Jahr die Rede. Von Sozialarbeitenden wird immer wieder kritisiert, dass Dresden Menschen "mit schwerwiegenden (akuten) Suchtproblematiken und gravierenden Messi- bzw. Vermüllungstendenzen", wie es auf der Website der Stadt heißt, ausschließt.

Welche Hilfsangebote gibt es am Wochenende?

Obdachlose Menschen schildern oft, dass es in Dresden am Wochenende schwierig sei, Essen und Trinken zu bekommen, da viele Angebote nur in der Woche geöffnet haben. Das liegt aber nicht an der Motivation der Sozialarbeitenden, sondern an der Finanzierung und der personellen Ausstattung der Träger.

In Leipzig gibt es mit dem Hilfebus von Safe Leipzig ein Angebot, das mit wenigen Ausnahmen 365 Tage pro Jahr in der Stadt unterwegs ist und die Menschen mit Essen und warmen Getränken versorgt. Daneben gibt es auch eine sozialpädagogische Beratung. "Wir vom Hilfebus können immer angerufen werden, wenn sich zum Beispiel Nachbarn oder Passanten um Menschen Sorgen machen", so Neufert. Er bemerkt ebenso wie die Kollegen der Sozialarbeit in Dresden eine Zunahme der psychischen Erkrankungen der Menschen, die auf der Straße unterwegs sind.

Aus dem Sozialamt Dresden heißt es auf Anfrage, ob und wie die Versorgung in Dresden am Wochenende ausgebaut werden soll: "Die Suppenküche in Pieschen bietet gleichfalls an Wochenenden eine warme Mahlzeit für bedürftige Menschen." Momentan bestehe auch das Angebot der Versorgung und Betreuung für Menschen ohne Wohnung durch die ökumenischen Nachtcafés. Die Saison dort endet aber in zwei Wochen.