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Gerichtsprozess in Dresden: 80-Jähriger sticht seinen Betreuer nieder

Ein 80-jähriger Dresdner wird für seine Tat vom August 2023 wohl nicht verurteilt werden können. Er hat einen Betreuer niedergestochen. In dem Prozess geht es um seine Unterbringung.

Von Alexander Schneider
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Ein 80-jähriger Mann hat im August 2023 seinen Betreuer in Dresden mit einem Messer angegriffen. Nun muss er sich dafür vor Gericht verantworten.
Ein 80-jähriger Mann hat im August 2023 seinen Betreuer in Dresden mit einem Messer angegriffen. Nun muss er sich dafür vor Gericht verantworten. © dpa/Paul Zinken (Symbolfoto)

Dresden. Er sieht fast nichts, er hört fast nichts, mit dem Laufen klappt es auch nicht mehr so richtig. Gerhard A. ist 80 Jahre alt und sitzt in einem Rollstuhl, als ihn seine Pfleger in den Schwurgerichtssaal schieben. Im August 2023 muss der Rentner deutlich besser beieinander gewesen sein, als er in seiner Wohnung seinen Berufsbetreuer angegriffen haben soll. Jetzt ist er Angeschuldigter am Landgerichts Dresden. Es geht um versuchten Totschlag.

"Nicht gut", antwortet A. auf die Frage des Vorsitzenden Richters Herbert Pröls nach seinem Gesundheitszustand. "Es ist schlimmer geworden", gestern Nacht sei er gestürzt. Der Gesundheitszustand des Rentners ist dem Gericht bekannt. Mehr als eine Stunde am Tag wird das Schwurgericht nicht mit ihm verhandeln können. Daher schlägt Pröls dem Angeschuldigten vor, dass er nach seiner Einlassung und der Feststellung seiner persönlichen Verhältnisse wieder zurück in seine Klinik gebracht werden könne.

Die Staatsanwaltschaft hat die Vorwürfe in einer sogenannten Antragsschrift zusammengefasst. In diesem Prozess wird es um die Feststellung der Taten und der mutmaßlichen Schuldunfähigkeit des Täters gehen. Er könnte daher freigesprochen und in einer Einrichtung untergebracht werden, weil von ihm weiterhin eine Gefahr ausgehen könnte. A. ist vorbestraft – wegen einer Messerattacke auf zwei Bahnkontrolleure vor fast 20 Jahren.

Betreuer rettete sich nach Messerangriff auf Balkon

Staatsanwalt Til von Borries wirft A. vor, am 10. August 2023 in seiner damaligen Wohnung am Tanneberger Weg in Gorbitz seinen Betreuer niedergestochen zu haben. Völlig überraschend habe er dem Mann die Klinge eines langen Küchenmessers in den Bauch gerammt, und auch weiter versucht, auf ihn einzustechen. Der 32-jährige Betreuer habe sich auf den Balkon der Einraumwohnung im zweiten Stock gerettet und sei dann in die Tiefe gestürzt. Der lebensbedrohlich verletzte Betreuer wurde notoperiert.

A. war zunächst zwei Monate in Untersuchungshaft, seit Oktober ist er in einer psychiatrischen Klinik. Der 80-Jährige sagt zu seinem Verhältnis zu seinem Betreuer nur, dass der sich habe kümmern wollen, aber nicht gekümmert habe – "es ist nichts geworden". Nein, mehr wolle er nicht sagen. Sonst geht es nur noch kurz um seine zahlreichen Gebrechen und Krankheiten, darunter Demenz, und dass er 15 Tabletten schlucken muss. Dann ist es für ihn vorbei.

Der Betreuer sagt bereits in Abwesenheit des Angeschuldigten aus. An das, was nach dem ersten Stich passierte, könne er sich nicht erinnern. Bis dahin sei es ein gewöhnlicher Besuchstermin gewesen, es sei um die Unterbringung in einem Pflegeheim gegangen, sagt er. A. habe sich "ungern hereinreden lassen", habe vieles selbst machen wollen. Beim Gehen habe sich der Rentner in dem engen Flur der vermüllten Wohnung umgedreht und mit einem Messer zugestochen - ohne erkennbaren Anlass. In A.s kleiner Wohnung wurden 47 Messer gefunden.