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Mordprozess in Dresden: Für die Staatsanwaltschaft belegen Blutspuren die Tat

Im Streit um den Umgang mit dem gemeinsamen Sohn hat ein Mann an der St. Petersburger Straße in Dresden eine 31-Jährige erstochen. Offen ist, wie geplant die Bluttat war.

Von Alexander Schneider
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Igor P. soll in Dresden eine 31-Jährige erstochen haben. Am Mittwoch fällt das Urteil.
Igor P. soll in Dresden eine 31-Jährige erstochen haben. Am Mittwoch fällt das Urteil. © Rene Meinig (Archiv)

Dresden. Dass der Staatsanwalt im Prozess gegen Igor P. bei seiner Mordversion bleibt, überrascht nicht. Wie klar er jedoch die zahlreichen Blutspuren in der Tat-Wohnung auf der St. Petersburger Straße mit der angeklagten Version begründet, schon mehr. Am Dienstag hat die Schwurgerichtskammer am Landgericht Dresden die Beweisaufnahme nach drei Monaten geschlossen.

Es ist ein interessantes Verfahren, denn P. hatte zwar zugegeben, Anna D. am14. Oktober 2022 erstochen zu haben. Allerdings beschrieb er eine Spontantat in einem hitzigen Streit, in dessen Verlauf er ein Küchenmesser gegriffen und zugestochen habe. Auf Mord steht lebenslang, für Totschlag kann es auch weniger geben.

Angeklagter soll Messer mit zur Wohnung gebracht haben

Vor den Plädoyers hat das Gericht einen Vorgeschmack auf eine Antwort dieser Frage in Form eines rechtlichen Hinweises gegeben. Die Kammer sehe statt eines Mordes auch einen Totschlag in einem "besonders schweren Fall" – darauf steht ebenfalls "lebenslang". Das hieße, auch ohne Feststellung eines Mordmerkmals könnte Igor P. wie für einen Mord verurteilt werden.

Der Angeklagte verfolgte den gesamten Prozess mehr oder weniger regungslos an der Seite seiner Verteidigerin Linda Röttig. Auch als die Mutter der Getöteten vor ihm im Zeugenstand saß, hatte er sie nicht angesehen. Röttig entschuldigte das Verhalten; sie hätten darüber gesprochen, ob P. sich im Prozess endlich bei Annas Eltern entschuldigt, aber sie hätten nicht gewollt, die Eltern noch mehr aufzuregen. Igor P. und Anna D. wurden beide in der Ukraine geboren, aber wuchsen in Dresden auf.

Der Staatsanwalt begründete nun auch mit den am Tatort vorgefundenen Blutspuren, die eindeutig dafür sprächen, dass der Angeklagte schon an der Wohnungstür auf Anna D. eingestochen haben muss. Es wurden Tropfen vor der Tür gefunden, auch in der Innenseite des Türfalzes – und auch das Fehlen von Spritzern, im Schatten der offenen Tür etwa, stütze diesen Tathergang.

Urteil am Mittwoch

Sechsmal habe P. mit einem zweischneidigen, also dolchähnlichen Messer auf Anna eingestochen, das zeigten die Stichkanäle. Eine solche Waffe habe sich nicht in der Wohnung befunden, P. muss sie mitgebracht haben – auch das spreche für eine geplante Tat. Der Ankläger sprach von einer Machtdemonstration als Motiv, das spreche für Selbstgerechtigkeit und patriarchalisches Denken. P. müsse auch nicht zugestochen haben, als er den Sohn abends zu Anna D. zurückbrachte. Er könnte auch später nochmals an ihrer Tür geklingelt haben, nachdem sie das Kind schon ins Bett gebracht hatte.

Ganz anders Verteidigerin Röttig, die die Version ihres Mandanten stützte. Die Zeugen seien "unbrauchbar", sagte sie, seien aus dem Lager der Getöteten, hätten viel Falsches über P. behauptet. Es sei schlüssig, dass der Angeklagte versucht habe, das Blut aufzuwischen, weshalb dort, wo sich das Kerngeschehen zugetragen habe, in Küche und Stube, „viele Spuren entfernt wurden“. Der von Igor P. beschriebene Ablauf sei „lebensnah“, die Version der Staatsanwaltschaft "lebensfern". Selbst der psychiatrische Sachverständige habe P. nicht als einen „Narzissten“ beschrieben wie mancher Zeuge, sondern als „unreif für eine Beziehung“. Die Verteidigerin plädierte daher auf eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als zehn Jahren.

Das Schwurgericht will an diesem Mittwoch, 16 Uhr, sein Urteil verkünden.